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Sitzungsberichte

der

königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 11. Juni 1870.

Herr Fr. von Kobell trägt vor:
,,Ueber Krystallwasser."

Der Begriff von Krystallwasser ist von jeher ein wenig bestimmter gewesen und die Deutung dieses Wassers willkürlich und unklar. Es geht dieses schon daraus hervor, dass man das leichte Entweichen als Kennzeichen solchen Wassers angibt, dabei aber die Gränzen der Temperatur, die das Entweichen veranlasst, sehr weit auseinandergesetzt findet, von 0° bis über 200°. Zugleich sind manche bezüglichen Verhältnisse unberücksichtigt geblieben, worauf ich in einem früheren Aufsatz über das Wasser der Hydrosilicate 1) hingewiesen habe. Ich will das dort Erwähnte in nachfolgenden Sätzen noch näher begründen und erörtern.

1) Es ist wohl unstreitbar, dass die Species einer chemischen Verbindung, wenn man ihr einen Bestandtheil ganz oder partiell entzogen hat, nicht mehr dieselbe Species ist, die sie vorher war. Sie ist eine andere geworden oder unter

*) Sitzungsb. d. math.-phys. Classe d. Akad. März 1869. [1870.II. 1.]

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Umständen auch ein Gemenge mehrerer anderer Species. Ebenso ist eine Species, welcher man einen Bestandtheil zugeführt hat, den sie vorher nicht oder nicht in einer solchen Quantität besass, eine andere Species geworden als sie vor diesem Zuführen war.

Dieses an und für sich klare Verhältniss bestätigt der Wechsel der Krystallisation, welcher dabei mit der veränderten Mischung eintritt. Der rhombisch krystallisirende Pyrolusit wird, wenn ihm durch Glühen Sauerstoff entzogen wird, zum quadratisch krystallisirenden Hausmannit, das hexagonal krystallisirende Eisenoxyd wird durch Glühen mit Kohle, wobei es ebenfalls Sauerstoff abgibt, zu Eisenoxydoxydul, welches tesseral krystallisirt, das klinorhombische Glaubersalz wird durch Entziehung seines Wassers zum rhombisch krystallisirenden Thenardit und ebenso die klinorhombische Soda durch den Wasserverlust beim Verwittern zum rhombisch krystallisirenden Thermonatrit. Das bei 10° krystallisirende klinorhombische Hydrat des Chlornatriums zerfällt mit dem Wasserverlust schon bei 0° in Würfel des Chlornatriums.

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2) Es ist daher eine Hydrat - Species A, welcher man das sogenannte Krystallwasser entzogen hat, nicht mehr die Species die es war, sie ist eine andere B geworden und das Krystallwasser von A gehört ebenso zur Constitution dieser A Species, wie alles Wasser, welches sie enthält, und zwar zur chemischen Constitution, denn als einen physischen Appendix kann man es nicht ansehen, wie das hygroskopische Wasser, dessen Menge sich mit dem Feuchtigkeitszustand der Luft fortwährend verändert.

Wenn man daher das Wasser, welches zum Bestehen einer Verbindung nothwendig ist, Constitutionswasser nennt, so ist für das Glaubersalz alles enthaltene Wasser Constitutionswasser, denn ohne dieses kann die Verbindung Glaubersalz nicht bestehen. Beim Verwittern dieses Salzes,

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ehe es zum wasserfreien Thenardit wird, bildet sich noch ein anderes Hydrat, Beudants Exanthalose mit der Formel NaS+21; dabei gehen also vom Glaubersalz 8 At. H fort, offenbar als sogenanntes Krystallwasser, aber das bleibende Exanthalose ist nicht mehr Glaubersalz, sowenig als der wasserfreie Thenardit Exanthalose ist. Man verwechselt also hier Species, wenn man die Constitution des Glaubersalzes in der Constitution des Exanthalose und die des Exanthalose in der des Thenardit sehen will. Es ist gewiss, dass gar oft der gesammte Wassergehalt einer Hydrat-Species sich nicht in eine befriedigende Formel fügt; construirt man aber diese nur mit einem Theil des Wassers und schreibt den Ueberschuss einfach mit der Zahl seiner Atome nebenhin, so geschieht es nur, weil man nicht weiss, wie dieser Ueberschuss in den näheren Verband zu bringen und weil man ihn doch nicht ignoriren kann. Das ist aber kein Grund, solches nicht unterzubringende Wasser als von eigenthümlichem Charakter zu bezeichnen, als nicht zum Wesen der betreffenden Verbindung gehörig, als ein indifferentes Einmengsel. Man kann mit derlei Formeln nur sagen wollen, was bei Zersetzung einer wasserhaltigen Species wird oder werden kann; natürlich bleibt ohne Angabe der dabei wirkenden Temperatur auch diese Darstellung mangelhaft.

3) Wenn das Losegebundensein, wie man sagt, das Krystallwasser charakterisirt, so ist solches Wasser, welches im Vacuum von Vitriolöl einem Hydrat entzogen wird, gewiss lose gebunden und also Krystallwasser. Da zeigt sich aber, dass auf diesem Wege bald mehr bald weniger Wasser entzogen wird als durch gelinde erhöhte Temperatur. Na 2 P+25 26 H zersetzt sich bei trockener Luft mit Wasserverlust zu Na P + 15 H; dieser Species können im Vacuum über Vitriolöl wieder 14 At. I entzogen werden.

Ist die erste Quantität ein anderes Krystallwasser als die zweite? Ist bei den vielen vorkommenden Hydraten der schwefelsauren Magnesia das Krystallwasser, welches aus einer dieser Verbindungen etwas über 0° entweicht, ein anderes als das, welches bei 52° oder bei 132° entweicht? und wenn nicht, warum geht ein Theil bei 52° nicht fort, da doch in allen diesen Hydraten das gleiche Mg Senthalten und die aushelfende Annahme eines basischen Wassers auch nicht wohl angeht. Nur in der bei Zersetzung solcher Hydrate stattfinden Bildung verschiedener Species, deren Eigenschaften verschieden wie ihre Krystallisation und die sich daher nicht mit derselben Leichtigkeit weiter zersetzen lassen als es bei der Species geschehen, aus der sie entstanden, nur darin kann der Grund des so verschiedenen Verhaltens bei Abgabe von Wasser liegen.

4) Alle chemischen Verbindungen sind nur unter gewissen Bedingungen existenzfähig und bei gleichen äusseren Verhältnissen ist die Fähigkeit des Bestehens für verschiedene Verbindungen verschieden. Der Thenardit Na S kann nur in trockener Luft existiren, mit Wasser befeuchtet hört er als Species auf, das Wasser tritt zu seiner Mischung und die Species verwandelt sich mit Aenderung der Krystallisation und vieler Eigenschaften in eine wasserreichere und endlich in Glaubersalz. Umgekehrt kann das Glaubersalz nur in feuchter Luft bestehen und die Species hört auf zu sein, wenn sie einer trockenen Luft preisgegeben, mit Abgabe von Wasser zu Thenardit zersetzt wird. Dass Krystallisation und Amorphismus bei diesen Vorgängen auch eine Rolle spielen, ist sehr wahrscheinlich und wenn gelinde gebrannter Gyps durch Aufnahme von Wasser dem ungebrannten wieder gleich wird, stark gebrannter aber das Wasser nicht wieder in gleicher Weise aufnimmt, so ist beim gelinden Brennen entweder ein amorpher Anhydrit oder

nach Analogie ähnlicher Fälle ein anderes Hydrat des schwefelsauren Kalkes, als im Gyps, gebildet worden, ein Hydrat welches bei Zuführung von Wasser wieder untergeht und zu einem anderen, nämlich zu Gyps, wird, während der durch starkes Brennen gebildete, rhombisch krystallisirende Anhydrit sich bei Zuführung von Wasser hält und nur bei lang andauernder Einwirkung der Umwandlung in Gyps nicht mehr widerstehen kann. Das sog. Krystallwasser kann daher auch nicht dadurch charakterisirt werden, dass es bei Zersetzung einer Hydrat-Species, von dieser getrennt, unter günstigen Umständen mit der dadurch entstandenen zweiten Species wieder Verbindung eingeht und so die erste hergestellt wird. Es tritt diese Verbindung nur dann ein, wenn diese zweite Species bei Zuführen von Wasser nicht existenzfähig ist, sie tritt aber nicht ein, wo dieses der Fall. Wenu der entwässerte Natrolith Na Si + Al Si das ihm entzogene Wasser (H) wieder aufnimmt, wenn es ihm geboten wird, so ist das nur ein Zeichen, dass die Species Na Si + AlSi im Wasser nicht existiren kann, während unter gleichen Verhältnissen die Species des entwässerten Prehnit unverändert bleibt. Ebenso kann die Species Na P+H, welche durch Wasserentziehung über Vitriolöl aus NaP + 25 H entstanden, in feuchter Luft nicht existiren, das Wasser verbindet sich mit ihr, sie nimmt jedoch nur 14 At. auf und wird zu Na2P+15 H, nicht aber zu Na 2P+25 H, sollen die fehlenden 10 At. als ein anderes Krystallwasser angesehen werden, als die wieder aufgenommenen 15 At.?

5) Aus dem Gesagten geht hervor:

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Krystallwasser ist nicht als ein specifisch charakterisirtes Wasser anzusehen, sondern einfach als Wasser, welches durch Zersetzung entweicht, wenn eine HydratSpecies in eine andere wasserhaltige oder auch in eine

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