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(Aus dem medicinisch-chemischen Laboratorium in Prag.)

Ueber das optische und chemische Verhalten einiger Eiweisssubstanzen, insbesondere der dialysirten Albumine.

Von

Dr. Hermann Haas,

Assistent an der 1. medicinischen Klinik in Prag.

Während zahlreicher Bestimmungen von Eiweiss im Harn, welche ich mittelst des Soleil - Ventzke'schen Polarimeters vorgenommen hatte, war ich auf Umstände aufmerksam geworden, welche über die bedingungslose Anwendbarkeit der Polarisation zur Eiweissbestimmung Zweifel in mir erregt hatten.

Es war mir nämlich aufgefallen, dass solche Harne, welche eine starke Drehung darboten, nach dem Kochen und Versetzen mit Salpetersäure oft einen viel weniger voluminösen Niederschlag absetzten als solche, welche die Ebene des polarisirten Lichtes nur in geringem Grade ablenkten; und wenn ich auch in Betracht zog, dass das Volumen des so erhaltenen Eiweissniederschlages keineswegs als sicheres Maass für den Gehalt des Harns an Eiweiss angesehen werden kann, wichen doch die nach beiden Methoden gefundenen Eiweissmengen oft in so beträchtlichem Grade von einander ab, dass ich mich des Bedenkens nicht erwehren konnte, es möchten auch durch die Polarisation die Mengen des in Lösung befindlichen Eiweisses nicht in allen Fällen richtig gefunden werden.

Dazu kam, dass sich mir die Erklärung dieser anscheinenden Widersprüche in andern Thatsachen von selbst darzubieten schien. Es ergab sich nämlich, dass die Harne mit einem geringen Eiweisscoagulum viel reicher an Kochsalz und Harnstoff gefunden wurden, als die beinahe vollkommen gerinnenden, dass also in salzreichen Harnen die specifische Drehung des Eiweisses eine grössere zu sein schien als in salzarmen. Es wäre dadurch wohl möglich gewesen, dass man in eiweissreichen aber salzarmen Harnen

durch die Polarisation weniger Eiweiss bestimmen konnte, in eiweissarmen und salzreichen aber mehr als sie wirklich enthielten, da ja für die Berechnung der Eiweissmenge aus der Drehungsgrösse der Drehungscoëfficient als constant angenommen wird.

Dass in dem Einflusse des Salzes auf die spec. Drehung des Eiweisses die Erklärung jenes Widerspruchs gesucht werden könnte, gewann für mich durch die Angabe von Hoppe - Seyler1), dass durch Sättigen einer neutralen Lösung von Serumalbumin mit Chlornatrium die spec. Drehung für (a)D von 56° auf 64° steige, nur an Wahrscheinlichkeit, um so mehr als ich selbst durch Auflösen von Kochsalz in eiweissreichen Harnen die Drehung nicht unbeträchtlich zunehmen sah.

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Hätte sich diese bis dahin allerdings vereinzelte Thatsache in keiner andern Weise erklären lassen als durch die wahrscheinlich erscheinende Annahme, dass die spec. Drehung des Eiweisses je nach dem jeweiligen Salzgehalte der Lösung immer eine andere sei, der Drehungscoëfficient also abhängig sei von der Menge des gleichzeitig vorhandenen Salzes, so wäre jeder Versuch einer Bestimmung von Eiweiss durch Polarisation ein vergeblicher gewesen. Und in der That schienen auch die Beleganalysen, mit welchen Hoppe) die Bestimmung des Eiweisses mittelst des Ventzke-Soleil' schen Apparates unter die analytischen Methoden einführte, und die statt 100 Eiweiss zwischen 87 und 111 schwankende Mengen ergaben, ganz für diese Auffassung zu sprechen. Vielleicht liessen sich aus solchen störenden Einflüssen auch die von Liborius 3) nachgewiesenen Differenzen erklären.

Wenn Säuren oder Alkalihydrate, wie bekannt, in ihrer Einwirkung auf die Albumine die spec. Drehung derselben verändern, so hat diese Modificirung einer physikalischen Eigenschaft ihren Grund in einer chemischen Umgestaltung der ursprünglichen Sub

1) Hoppe - Seyler, Handbuch 3. Aufl. 199; 4. Aufl. 232.
2) Hoppe, Virchow's Archiv XI, 552.

3) P. Liborius, Arch. klin. Med. X., 349, fand in allerdings nicht besonders vertrauenerweckenden Analysen durch das Polaristrobometer von Wild 53,8-165.6 Eiweiss statt 100 nach der Scherer schen Methode bestimmten. Es soll auch einmal in einem verdünnten Blutserum durch blosses Stehen allein binnen 6 Stunden die Drehung bis fast auf das Doppelte gestiegen sein.

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stanz. Der Einfluss aber, den chemisch indifferente Körper, wie das Kochsalz und andere Neutralsalze auf das Verhalten einer homologen Eiweisslösung gegen das polarisirte Licht ausüben dürften, könnte schwerlich auf eine chemische Einwirkung zurückgeführt werden; er würde mit der Entfernung des Salzes voraussichtlich wieder verschwinden, und er gehörte in die Kategorie der Drehungsänderungen, wie sie durch Concentration und Lösungsmittel veranlasst werden und welche neuerdings wieder von A. C. Oudemans jr. 1), J. L. Hoorweg) und namentlich von O. Hesse3) zum Gegenstande eingehender Untersuchung gemacht worden sind.

In den erwähnten Erfahrungen über einen anscheinenden Einfluss des Kochsalzes auf die Drehungsgrösse des Eiweisses, sowie in den Untersuchungen von Oudemans und Hoorweg über die Bedeutung inaktiver Lösungsmittel für den Drehungscoëfficienten aktiver Substanzen, die mir zu Anfange meiner Untersuchung bekannt wurden, fand ich nun die Aufforderung, das Verhalten des Eiweisses in dieser Hinsicht einer systematischen Prüfung zu unterwerfen. Als Lösungsmittel des Eiweisses konnten selbstverständlich nur Salzlösungen in Betracht kommen, und ich habe somit zu ermitteln versucht, ob und welchen Einfluss die in natürlichen Eiweisslösungen und im Harn vorkommenden Salze auf die Drehungsgrösse des Eiweisses ausüben.

Zur Ermittlung der Drehungsgrössen habe ich das Wild'sche Polaristrobometer 1) dem Apparate von Ventzke - Soleil, die mir beide zur Verfügung standen, vorgezogen, nicht allein deshalb, weil der Wild'sche Apparat die Untersuchung auch farbiger Flüssigkeiten gestattet, sondern hauptsächlich der grösseren Schärfe des Polaristrobometers wegen.

Der mittlere Beobachtungsfehler bei guten Instrumenten von Ventzke

1) A. C. Oudemans jr., Ann. d. Chem. u. Pharm. 166, 65.

2) J. B. Hoorweg, ebenda p. 76.

3) O. Hesse a. a. O. 176, 89 u. 189.

4) Das von J. G. Hofmann (Rue de Buci 3 Paris), dem ersten Verfertiger des Polaristrobometers, bezogene Instrument unterscheidet sich von dem von Hermann Pfister in Bern fabricirten und anderen von deutschen Firmen verkauften Apparaten bei gleich guter Construction und nicht hohem Preise zu seinem Vorzug dadurch, dass der ganze Kreis in Grade getheilt ist, während die schweizer und die deutschen Apparate nur in einem Quadranten mit Gradtheilung, auf einem zweiten Quadranten mit Theilung nach Zuckerprocenten versehen, und die beiden andern Quadranten nicht getheilt sind,

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6,72 Mi

Soleil beträgt nach Hoppe-Seyler 1) höchstens + 0,2 Skalentheile, und kann bei nicht zu dunkel gefärbten und völlig klaren Lösungen zu +0,1 Skalentheil angenommen werden 2). Es machen aber 0,2 Skalentheile nuten aus, während bei meinen Untersuchungen mit dem Wild'schen Apparate der mittlere Beobachtungsfehler, den ich machte, ± 1,5 Minuten nicht überschritt, häufig selbst nur +1,0 Minute erreichte. Man darf also annehmen, dass die Beobachtungsfehler mit dem Ventzke-Soleil'schen Apparate 4-6 mal so gross sind als mit dem Polaristrobometer von Wild.

Von welchem Belange ein solcher Fehler bei den Untersuchungen einer Substanz ist, die, wie das Eiweiss nur mässig concentrirte Lösungen giebt, lässt sich an einem Beispiel leicht ersichtlich machen. Es sei die Drehung einer Eiweisslösung zu ermitteln, welche 3 Gramm Eiweiss in 100 Cc. enthält; untersucht werde im 1 Dmt. langen Rohre. Setzt man dann in die 100α allgemeine Formel für a den mittlern Beobachtungsfehler ein, so erР hält man für den Apparat nach Ventzke - Soleil einen Fehler in der spec. 100. 6,72' Drehung von 土 3

= + 224′ = +3°44′ oder 3,7°, während sich

+ 100. 1,5'
3

= + 50'

34.7° und

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für das Wild'sche Polaristrobometer der Fehler zu oder 0,8° ergiebt. Man würde also für die spec. Drehung des Eieralbumins, wenn sie nach Hoppe - Seyler 35.5° betrüge, eine Grösse finden, welche bei Anwendung des Ventzke - Soleil zwischen 31.8° und 39,2o, bei Anwendung des Wild'schen Apparates zwischen 36.3° schwanken darf. Bei noch weniger concentrirten Eiweisslösungen würde der Fehler proportional der Verdünnung noch grösser; bei Untersuchung einer Eiweisslösung, welche in 100 Cc. 0,63 Gramm Eiweiss enthält, müsste man mit dem Apparate von Ventzke-Soleil auf einen Fehler gefasst sein, welcher die specifische Drehung des Eiweisses erreicht, während beim Apparate von Wild der Fehler diese Grösse erst dann erreicht, wenn der Gehalt des Eiweisses auf 0,14 Gramm in 100 Cc. gesunken ist.

Es ergiebt sich hieraus zugleich, wie wenig genau polarimetrische Eiweissbestimmungen ausfallen müssen, wenn man bei Benutzung des VentzkeSoleil-Instrumentes der Berechnung eine in so weiten Grenzen schwankende spec. Drehung zu Grunde legen muss.

In demselben Sinne wird durch die Möglichkeit, mittelst des Wild'schen Apparates gefärbte Flüssigkeiten untersuchen zu können, die Schärfe der Beobachtung erhöht. Die Fixirung der Interferenzstreifen im Polaristrobometer wird erst dann erschwert, wenn die Farbe der Flüssigkeitsschichte so dunkel ist, dass überhaupt nur wenig Licht durchtritt. Natürliche Eiweiss

1) Hoppe - Seyler, Handb. 4. Aufl. 32.

2) Wild giebt den mittleren Beobachtungsfehler, den er an einem Ventzke-Soleil gefunden hat, sogar zu 1,5 Skalentheilen an.

lösungen gestatten aber dann noch eine Beobachtung im 2 selbst im 3 Dmt. langen Rohre, was zur Folge hat, dass der Beobachtungsfehler auf die Hälfte oder das Drittel reducirt wird. Ich habe mich fast durchgehends des 2 Dmt. langen Rohres bedient. Der Apparat von Ventzke-Soleil verhält sich in dieser Richtung gerade umgekehrt; er nöthigt bei der Untersuchung gefärbter Flüssigkeiten zur Wahl der kürzeren, 5, selbst 2 Ctmtr. langen Rohre wodurch in demselben Maasse der Beobachtungsfehler erhöht wird.

Von jeder Eiweisslösung habe ich die Drehung sechsmal bestimmt, und aus den gefundenen Zahlen das Mittel gezogen. Die Ablesungen in einzelnen Quadraten waren unter einander gleich. Es wurde dabei nicht unterlassen, vor Beginn jeder neuen Benutzung des Apparates sowie am Ende derselben den Nullpunkt auf's Neue zu bestimmen, da derselbe durch das Aufstellen des Instrumentes, durch Verschieben des Fernrohres etc. leicht eine Verrückung erfährt. Die Glasplatten, welche die Röhren verschliessen, wurden so locker wie möglich angeschraubt, da sich herausstellte, dass bei festem Anziehen der Schraube die Interferenzstreifen beim Aufsuchen des Nullpunktes nicht vollständig verschwanden. Waren bei lockerem Verschlusse des Rohres die Streifen in einem Quadranten ja einmal nicht zum Verschwinden zu bringen, so geschah dies sicher in einem andern Quadranten. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass die Röhren nur nach sorgfältigem Reinigen und Trocknen mit den Lösungen gefüllt wurden. Die Bestimmung wurde stets im Natriumlichte gemacht.

Der Eiweissgehalt der Lösungen wurde in der Weise bestimmt, dass aus einer genaueu Bürette 5-15 Cc. in ein Trockengläschen abgemessen, die Flüssigkeit im Luftbade verdunstet und der Rückstand bei 120° vollständig getrocknet wurde. In Trockengläschen wurde die Verdunstung deshalb vorgenommen, weil sich der Rückstand wegen seiner hygroskopischen Beschaffenheit nur unter vollständigem Luftabschlusse genau wägen lässt. Eine andere solche Portion wurde im Platintiegel eingedampft und verascht. Diese Bestimmung der organischen Substanz wurde stets doppelt ausgeführt. Endlich wurde auch noch bei mehreren Eiweissen die in Alcohol und Aether lösliche organische Substanz in zwei Controllversuchen in der Weise bestimmt, dass die Eiweisslösungen mit viel starkem Alcohol gefällt und dann mit Alcohol und darauf mit Aether in der Siedehitze extrahirt wurden. Die Rückstände der Auszüge wurden im Platintiegel getrocknet, gewogen, dann geglüht und das Gewicht der Asche von dem Trockenrückstande in Abzug gebracht. Der Rest wurde als fremdartige organische Substanz von der Gesammtmenge der organischen Substanz abgezogen und dieser Rest als Eiweiss betrachtet. Sollte in einer natürlichen Eiweisslösung der Zucker bestimmt werden, so wurde aus einer gemessenen Menge der Lösung das Eiweiss zunächst unter Zusatz von Essigsäure durch Kochen flockig gefällt, Filtrat und Waschwasser zur Trockene verdunstet, der Rückstand mit heissem Alcohol erschöpft, der Alcohol von der nun eiweissfreien Lösung abdestillirt und von der rückständigen gemessenen Flüssigkeit die Drehung ermittelt.

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