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ein Organ, welches einen gewissen Antheil an der Bestimmung der Kopflage nimmt; er dient als eine Ergänzung des Muskelgefühls und wird durch schwankende Bewegungen gereizt (erregt). Fassen wir jetzt kurz die Resultate unserer experimentellen Untersuchungen zusammen, so erweisen sich folgende neue, von anderen Forschern noch nicht erwähnte Thatsachen:

1) Die Kopfbewegungen welche durch mechanische Reizung des häutigen Kanales hervorgerufen werden und diejenigen, welche sogleich nach der Durchschneidung desselben Kanales erfolgen, geschehen in einer und derselben Fläche, aber in entgegengesetzten Richtungen.

2) Je öfter die mechanische Reizung des häutigen Kanales erzeugt wird, um so allmählig schwächer werden die hervorgerufenen Kopfbewegungen; und wird der häutige Kanal in Verlauf von 5 bis 10 Minuten gereizt, so verschwinden die Bewegungen des Kopfes sogar vollständig und der Kopf bleibt in Ruhe. Dagegen

2) sobald eine solche Taube (nach einer anhaltenden Reizung des Bogenganges) zu gehen anfängt, wird ihr Kopf oft nach der Seite fortgerissen, welche derjenigen entgegengesetzt ist, nach welcher der Kopf sich während der mechanischen Reizung des Kanales bewegte.

4) Die Kopfbewegungen, welche durch eine mechanische Reizung des Kanales hervorgerufen sind, werden von heftigen Muskelverkürzungen begleitet, die Kopfbewegungen dagegen, welche nach der Durchschneidung des Kanales eintreten, erfolgen nicht nur ohne starke Muskelverkürzungen, sondern erscheinen offenbar als eine Folge der Unthätigkeit einer gewissen Muskelgruppe.

5) Das Thier bemüht sich mit aller Gewalt den Trieben, welchen sein Kopf ausgesetzt ist, entgegenzuwirken, indem es ihn entweder mit Gewalt auf der Seite zurückhält, welche derjenigen, wohin er fortgerissen wird, entgegengesetzt ist, oder indem es dem Kopfe einen unbeweglichen Stützpunkt gegen diese Triebe giebt.

6) Die Kopfbewegungen, welche von dem Thiere mit einem bestimmten Zwecke unternommen werden, sind gleichfalls unregelmässig, gleichgiltig, ob sie durch einen einfachen Reflex oder durch einen mehr complicirten reflectorischen Act hervorgerufen werden.

Derartige Kopfbewegungen (die mit einem bestimmten Zwecke vorgenommen werden) werden daher entweder unregelmässig, weil

eine jede Bewegung mit der Anwendung einer unverhältnissmässig grossen Muskelkraft geschieht, oder daher, weil zu der erzeugten Bewegung sich die oben erwähnten Triebe gesellen, oder in Folge dieser beiden Ursachen zusammen. Dies verleiht den Kopfbewegungen einen ataktischen Charakter.

8) Die Störung der Kopfbewegungen wird auch durch die Störung in den Bewegungen der Extremität derjenigen Seite des Körpers begleitet, auf welcher die Durchschneidung des Bogenganges stattgefunden hat. Diese Störung besteht in der Schwäche, Unsicherheit und Unverhältnissmässigkeit der Bewegungen, woher auch diese Reihe von Störungen einen ataktischen Charakter erhalten.

9) Die Taube ist im Stande eine lange Zeit auf einer Extremität zu stehen, und zwar auf der Extremität derjenigen Körperseite auf welcher keine Durchschneidung des Kanals gemacht wurde. 10. Die Manège-Bewegungen werden nur in den Fällen beobachtet, wo die Kopf- und Augenbewegungen energisch gewesen sind. Nicht selten überwindet das Thier diesen Trieb zu Manège-Bewegungen, macht einen oder zwei Kreise nach der entgegengesetzten Seite und verbleibt darauf vollkommen in Ruhe.

11. Bei einer langsamen passiven Drehung einer Taube oder eines Kaninchens in der Fläche des durchschnittenen Kanales, macht deren Kopf normale compensirende Bewegungen d. h. er bleibt entweder zurück, oder bewegt sich stossweise in der Richtung der Drehung.

12. Nach einer raschen passiven Drehung, beim Anhalten, werden nur in dem Falle gewisse Kopfbewegungen erhalten, wenn das Thier nach der Seite des durchschnittenen Kanals bewegt wurde.

13. Wenn man gleich nach der Durchschneidung eines Kanales den entsprechenden Kanal der andern Seite durchschneidet, so entstehen Bewegungen, die den beiden durchschnittenen Kanälen entsprechen; doch werden die von dem letztdurchschnittenen Kanale abhängenden Erscheinungen vorherrschen.

14. Das Kühlen der Halbcirkelkanäle durch Eis ruft Spuren derjenigen Bewegungen hervor, welche gleich nach der Durchschneidung des häutigen Kanals eintreten. Die beschriebene Beobachtungsreihe gewährt uns die Möglichkeit, folgende Sätze aufzustellen.

1. Die mechanische Reizung der Halbcirkelkanäle ist mit der Reizung (Erregung) des Ampullen nerven gleichbedeutend; die Durch

schneidung der Kanäle hat einen unthätigen Zustand desselben Nerven d. h. dessen Lähmung zur Folge.

2. Die Störungen in den Kopfbewegungen und in Bewegungen der Extremitäten haben einen gemeinschaftlichen Charakter: die Unverhältnissmässigkeit in der Kraft und in der Ausdehnung; weshalb der Grund dieser Störungen in der Schwächung oder im Verluste des Muskelgefühles zu suchen ist.

3. Diese Störungen hängen nicht vom Kopfschwindel ab, was dadurch bestätigt wird, dass nur auf der Seite der Durchschneidung des Kanales die Extremität geschwächt wird, dass das Thier fähig ist, lange Zeit auf der einen gesunden Extremität zu stehen, und dadurch dass die Manège-Bewegungen unterbrochen werden können, nachdem das Thier einen oder zwei Kreise im entgegengesetzten Sinne gemacht hat.

4. Sicher ist es dagegen, dass diese Bewegungsstörungen die Empfindung des Kopfschwindels hervorzurufen, da in Folge der raschen Kopf- und Augenbewegungen das Thier die Möglichkeit verliert, seine Stellung im Raume wahrzunehmen.

5. Die Durchschneidung des Bogenganges ist nur bei raschen passiven Drehungen wirksam, indem die den Kopf drehenden Muskeln auf der Seite des durchschnittenen Kanals als unthätig sich erweisen. Darin liegt ein Beweis, dass die Halbzirkelkanäle für die regelmässige Muskelthätigkeit nothwendig sind.

6. Anatomische Thatsachen widersprechen der Annahme von Endolymph-Strömungen, wie dieses von Breuer und Brown behauptet wird, und ebenso den Antrieben zur Gegendrehung, wie es Mach annimmt; ausserdem widerlegt das in 2. und 3. so eben Erwähnte die Möglichkeit eines unmittelbaren Entstehens des Kopfschwindels sogleich nach der Durchschneidung des Kanales. Folglich müssen alle diese Theorien als den Beobachtungen widersprechend angesehen werden.

7. Das Erscheinen der Bewegungsstörungen des Kopfes und der Extremitäten gleich nach der Durchschneidung der Halbcirkelkanäle, führt auf den Gedanken hin, dass die Kanäle für die Regelmässigkeit, Verhältnissmässigkeit der Bewegungen unumgänglich sind; und da wir voraussetzen, dass diese Störungen in dem Verluste des Muskelgefühles bestehen, so müssen wir annehmen, dass mit der Beschädigung des Bogenganges das Muskelgefühl verloren wird.

8. Betrachtet man sowohl die anatomische Einrichtung der Halbcirkelkanäle, als die Vertheilung der Halsmuskeln, so erscheint die Voraussetzung möglich, dass die den Kopf drehenden Muskeln bei ihrer Verkürzung gewisse schwankende Bewegungen den Halbcirkelkanälen und folglich auch den Ampullen-Nerven mittheilen. Diese letzteren übergeben den centralen Gehirnmassen die Empfindung der stattgefundenen Muskelverkürzung und verstärken dadurch das Muskelgefühl, welches an und für sich bei einer jeden Muskelverkürzung vorhanden ist.

9. Die pendelartigen Kopfbewegungen muss man aller Wahrscheinlichkeit nach als Versuche betrachten, den Kopf in einer gewissen Lage festzustellen, was längere Zeit misslingt, weil der Kopf jedesmal einen unverhältnissmässig grossen Bogen beschreibt, und deshalb jedes Mal über die Stelle hinausgeht, auf welcher ihn das Thier anhalten möchte.

Die Unanfechtbarkeit der Sätze unter 7, 8, und 9 will ich nicht besonders bestreiten, indem ich dieselben als nur mögliche Voraussetzungen erkläre. Die ersten 6 Sätze (1-6) dagegen scheinen mir vollkommen beweiskräftig zu sein und die darin ausgesprochenen Schlüsse lassen sich aus den Thatsachen selbst ziehen.

Schliesslich will ich mir nur die Bemerkung erlauben, dass, ganz abgesehen von der Deutung der von mir gewonnenen neuen Thatsachen, dieselben an und für sich nicht ohne Bedeutung für die weitere Aufklärung der verwickelten Frage über die Funktion der Bogengänge des Ohrlabyrinths sein dürften.

Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Adjunct-Professor Ustimovitch für seine Rathschläge bei meiner Arbeit meinen aufrichtigen Dank abzustatten.

(Aus dem physiologischen Laboratorium in Bonn.)

Ueber den Einfluss der Curarevergiftung auf den thierischen Stoffwechsel.

Von

N. Zuntz.

In der von mir gemeinschaftlich mit A. Roehrig ausgeführten Untersuchung über die Wärmeregulation 1) wiesen wir nach, dass Vergiftung mit Curare die Oxydationsprocesse im Thierkörper in ganz enormen Maasse herabsetzt. Da nun bekannt ist, dass diese Vergiftung, wenn die Athmung künstlich unterhalten wird, bei mässigen Gaben des Giftes, wie wir sie benutzten, den Kreislauf nicht erheblich alterirt, glaubten wir schliessen zu dürfen, dass die wesentlichste der uns bekannten Wirkungen des Curare, nämlich die Aufhebung des Einflusses der motorischen Nerven auf die Muskeln, Ursache dieser Abnahme der Oxydationsprocesse sei. Wir wurden so zu dem wichtigen Schlusse geführt, dass ein viel grösserer Bruchtheil des thierischen Stoffwechsels, als man bisher angenommen hatte, durch Erregungen der motorischen Nerven bedingt sei, welche Erregungen auch im scheinbar ruhenden Muskel in schwachem Maasse andauern und die Grösse von dessen Stoffwechsel bedingen.

Ich verkenne nicht, dass sich gegen diese Schlussfolgerungen Einwände erheben lassen und habe deshalb schon vor langer Zeit directe Versuche über den Stoffwechsel der Muskeln bei intacten und durchschnittenen Nerven begonnen. Da deren Vollendung jedoch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen wird, will ich vorläufig einen wichtigen Einwand, den unsere früheren Versuche offen liessen, beseitigen.

Bei Besprechung der Fehlergrenzen unserer Bestimmungen des respiratorischen Gaswechsels 2) hatten wir dieselben zwar für den Sauerstoff richtig berechnet, für die Kohlensäure aber sind sie wesentlich

1) Dieses Archiv Bd. IV p. 57 ff.

2) 1. cit. p. 64.

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