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KAISERLICHEN LEOPOLDINO - CAROLINISCHEN DEUTSCHEN AKADEMIE DER NATURFORSCHER

HERAUSGEGEBEN UNTER MITWIRKUNG DER SECTIONSVORSTÄNDE VON DEM PRÄSIDENTEN

Halle a. S. (Margarethenstr. Nr. 3.)

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März 1897.

Inhalt: Amtliche Mittheilungen: Verleihung der Cothenius - Medaille im Jahre 1897. Veränderungen im Personalbestande der Akademie. Beiträge zur Kasse der Akademie. Zur Erinnerung an August Streng (Fortsetzung). Sonstige Mittheilungen: Eingegangene Schriften. Max Bartels: Die XXVII. allgemeine Versammlung der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in Speyer, Dürkheim und Worms vom 3. bis 7. August 1896. Biographische Mittheilungen. Naturwissenschaftliche Wanderversammlungen.

Amtliche Mittheilungen.

Verleihung der Cothenius-Medaille im Jahre 1897.

Die Fachsection (2) für Physik und Metereologie (Vorstand: Wirklicher Geheimer Admiralitätsrath Professor Dr. Neumayer in Hamburg, Professor Dr. Oberbeck in Tübingen und Regierungsrath Professor Dr. Mach in Wien) hat beantragt, dass die ihr für das Jahr 1897 zur Verfügung gestellte Cothenius-Medaille (vgl. Leopoldina XXXIII, p. 1)

Herrn Geheimen Hofrath Professor Dr. G. Quincke in Heidelberg

zuerkannt werde. Die Akademie hat dementsprechend demselben diese Medaille heute zugesandt.

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Professor Dr. G. Quincke wurde 1834 geboren und wirkte als Professor der Physik in Berlin, Würzburg und Heidelberg, in letzter Universität nimmt er seit mehr als 20 Jahren den Lehrstuhl G. Kirchhoffs ein. Quincke hat auf fast allen Gebieten der Physik fördernd und kritisch gewirkt. Seine Arbeiten beginnen 1858 mit der Dissertation: De constantibus mercurii capillaribus"! Noch eine ganze Anzahl Publikationen über denselben Gegenstand wurden im Laufe der Zeit von Quincke bearbeitet. Schon im Jahre 1859 entdeckte er eine neue Art elektrischer Ströme: die Diaphragmenströme oder Strömungsströme, welche die Umkehrung der elektrischen Endosmose sind. Auf dem Gebiete der Optik liegen Quincke's Untersuchungen über Kummer'sche Strahlenbündel (1862), sowie eine weitere Reihe von optischen Experimental-Untersuchungen vor, welche sich auf Interferenz, Beugung, die optischen Eigenschaften der Metalle u. s. w. beziehen. Es werden darin die verschiedensten Probleme der Undulationstheorie experimentell behandelt. Wir können hier nur kurz erwähnen: die schönen Untersuchungen über Totalreflexion, Eindringen des Lichtes in Metalle, durchsichtige Gitter u. s. w. Die später erfolgenden, schon erwähnten Experimental-Untersuchungen über Elektricität beziehen sich hauptsächlich auf das Studium elektrostatischer und magnetischer Druckkräfte; sie geben neue Methoden der Bestimmung dielektrischer und magnetischer Leop. XXXIII.

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Constanten und umfangreicher Messungen derselben an. Quincke ist auch als Vorgänger der Entdecker der anomalen Dispersion anzusehen.

Ueber das grosse Material von Capillarconstanten, nicht allein für gewöhnliche Flüssigkeiten, sondern auch für feste und geschmolzene Substanzen muss noch hinzugefügt werden, dass die verschiedensten Methoden, welche zu diesen Messungen dienen können, von Quincke durchprobirt worden sind und auch unter einander verglichen wurden. Es ist ein charakteristischer Zug seiner ganzen Art physikalischer Untersuchung, der sich auch in seinen optischen und elektrischen Arbeiten wiederfindet, dass diese vergleichenden Untersuchungen angewendet werden. Wie fruchtbringend gerade diese Richtung für die physikalische Forschung sein musste, liegt auf der Hand.

Halle, den 31. März 1897.

Der Präsident der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher.
Dr. K. v. Fritsch.

Veränderungen im Personalbestande der Akademie.

Gestorbene Mitglieder:

Am 5. November 1896 zu Nizza: Herr Dr. Johann Baptista Barla, Director des Naturhistorischen Museums in Nizza. Aufgenommen den 1. Mai 1854; cogn. Corda.

Am 30. December 1896 zu Wildbad: Herr Geheimer Hofrath Dr. Wilhelm Theodor von Renz, königlicher Badearzt a. D. in Wildbad. Aufgenommen den 19. December 1878.

Am 15. Januar 1897 zu Wien: Herr Alois Friedrich Rogenhofer, Custos am zoologischen Hof-Museum in Wien. Aufgenommen den 1. Januar 1879.

Am 3. März 1897 zu Hamburg: Herr Dr. Friedrich Wilhelm Klatt, Lehrer der Naturwissenschaften in Hamburg. Aufgenommen den 3. Februar 1881.

Am 7. März 1897 zu Stettin: Herr Geheimer Sanitätsrath Dr. Ernst Brand, practischer Arzt in Stettin. Aufgenommen den 2. November 1864; cogn. Sydenham VI.

Am 14. März 1897 zu Lugano: Herr Dr. Johann Gustav Adolph Kenngott, vormals Professor der Mineralogie am eidgenössischen Polytechnikum und an der Universität in Zürich. Aufgenommen den 23. April 1852; cogn. Baumer II.

Am 30. März 1897 zu Tübingen: Herr Dr. Johann von Saexinger, Professor der Gynäkologie, Director der Frauenklinik an der Universität in Tübingen. Aufgenommen den 23. December 1887.

Dr. K. v. Fritsch.

Beiträge zur Kasse der Akademie.

Rmk. Pf.

März 3. 1897. Von Hrn. Professor Dr. Jordan in Hannover Jahresbeitrag für 1897.

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Wie er, der Chemiker, sich in kurzer Zeit mit den Grundproblemen der Geologie vertraut machte, so arbeitete er sich später, als sein Amt es forderte, in die Lehren der Krystallographie ein, und nach kurzer Zeit sehen wir ihn mit schwierigen krystallographischen Untersuchungen beschäftigt. Bald darauf

Professor Dr. Schmidt in Horn bei Hamburg Jahresbeitrag für 1897 .
Professor Dr. Schering in Darmstadt desgl. für 1897

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Dr. K. v. Fritsch.

tritt die mikroskopische Gesteinsuntersuchung als gleichberechtigte Methode neben die chemische Untersuchung, als deren Meister Streng schon bekannt war; und wieder als einer der ersten macht er sich die nene Methode zu eigen und wendet sie bei seinen fortgesetzten Gesteinsuntersuchungen an. Seine letzte grössere Arbeit „Ueber den Dolerit von Londorf" ist durch die Verbindung der mikroskopisch-optischen Methode mit der chemischen geradezu mustergültig. Alle Hülfsmittel der modernen Wissenschaft sehen wir da herangezogen, um die Eigenschaften und die Zusammensetzung der vielen Mineralien, die im Dolerit vorkommen, zu ermitteln und die Entstehungsweise der Mineralien zu verfolgen. Ein besonderer Zweig der Petrographie, die mikrochemische Analyse, verdankt gerade Streng einige der besten Reaktionen und im einzelnen viele Verbesserungen, sodass diese Methode, anfänglich nur bei Gesteinsuntersuchungen angewendet, eine immer ausgedehntere Anwendung nicht nur bei der Untersuchung von Mineralien, Laboratoriums- und Hüttenprodukten, sondern auch bei physiologischen Untersuchungen findet. Mit ungeschwächter Energie wendete sich Streng im Jahre 1887 als Mitarbeiter der Grossherzogl. Hessischen geologischen Landesanstalt der geologischen Aufnahme der näheren und weiteren Umgebung der Stadt Giessen zu, und in kurzer Zeit war es ihm gelungen, die Aufeinanderfolge der Basaltströme klarzustellen und Reste ehemaliger Vulkanberge zu entdecken; leider hat er das angefangene Blatt Giessen nicht mehr vollenden können.

Bei den krystallographischen Untersuchungen kam Streng eine Beobachtungsgabe zu statten, der auch geringfügige Erscheinungen nicht entgingen. Bewundernswerth in dieser Hinsicht ist seine Arbeit über die Krystallform und die Zwillingsbildung des Phillipsit, in der er auf Grund einer feinen, oft nur mit der Lupe an den Krystallen wahrnehmbaren Streifung nachweisen konnte, dass Phillipsit nicht rhombisch sei, wie man bis dahin glaubte, sondern monoklin sein müsse wie der nahe verwandte Harmotom. Weiter aber war es Streng möglich, aus der Streifung auch die Zwillingsverwachsung der Krystalle zu entziffern und so für den Phillipsit vom Stempel bei Marburg festzustellen, dass die Krystalle, welche die Form regulärer Rhombendodekaëder nachahmen, Drillinge sind, deren Zusammensetzungsstücke für sich wieder Doppelzwillinge sind, so dass ein solcher, kaum erbsengrosser Krystall aus zwölf Individuen aufgebaut ist. Diese complicirte Zwillingsverwachsung wusste Streng durch Modelle zu veranschaulichen und bei der jährlichen Excursion nach Nidda, wo die schönen Phillipsitkrystalle gefunden wurden, durften die Modelle nicht fehlen. Für Chabasit dagegen, der eine ähnliche Streifung zeigt, konnte Streng nachweisen, dass er, wenn auch optisch zweiachsig, so doch rhomboëdrisch sei und dass jene Streifung von Durchbruchsflächen, die Zweiachsigkeit aber durch innere Spannung hervorgerufen werde, vor allen aber lehrte Streng, dass die schwankende chemische Zusammensetzung von Chabasit durch die Annahme zu erklären sei, er enthalte zwei, für sich nicht bekannte Grundverbindungen in isomorpher Mischung und wechselndem Verhältniss in sich vereinigt. Noch viele andere Mineralien hat Streng krystallographisch untersucht und durch viele werthvolle Beiträge unsere Kenntnisse bereichert. Dabei hat er niemals ein Hehl daraus gemacht, dass ihm die mathematische Behandlung der Krystallformen Schwierigkeiten bereite, aber er wusste diese so zu überwinden, dass sich ihm kein Fehler in die Arbeit einschlich.

Mit Vorliebe wendete sich Streng immer wieder chemischen Untersuchungen zu, dem Fache, dass er unbeschränkt beherrschte.') „Es war ein Vergnügen zu sehen, wie Streng analysirte. Da ging nichts nach der Schablone, sondern jede Arbeit war zugleich mit interessanten Nebenaufgaben verbunden, sei es, dass neue Methoden probirt oder dass Verbesserungen an Apparaten eingeführt wurden. Dabei eine peinliche Reinlichkeit und Exactheit. In den Publicationen Strengs kommt das, entsprechend seiner ausserordentlichen Bescheidenheit gar nicht so zum Vorschein, nur die später veröffentlichten mikrochemischen Arbeiten lassen einiges davon erkennen." Die Bedeutung seiner Beiträge zur mikrochemischen Analyse haben wir bereits erwähnt, hier sei nur noch erwähnt, dass sein letzter Beitrag über die Bestimmung sehr kleiner Mengen von Ammoniak" erst vor kurzem von einem andern Forscher dazu verwerthet wurde, im Mageninhalt, Speichel und im Blute des Menschen die Anwesenheit von freiem Ammoniak nachzuweisen. Unermüdlich war Streng in der Durchforschung der näheren und weiteren Umgebung der Stadt Giessen, auch schon bevor er als Mitarbeiter der Grossherzoglich-Hessischen geologischen Landesanstalt hierzu veranlasst wurde. Schon im Jahre 1873 gab er mit Zöppritz zusammen eine ausführliche Beschreibung des Vulkans Aspenkippel bei Climbach und seitdem vergeht kaum ein Jahr, in dem er uns nicht mit neuen

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1) Die folgenden Mittheilungen verdanke ich Herrn Professor Dr. A. Nies zu Mainz, einem der ersten Schüler von Streng.

Fundorten von Mineralien bekannt gemacht und unsere Kenntnisse derselben durch krystallographische und chemische Untersuchungen vermehrt hätte. Eine besondere Freude war es dann für ihn, seinen Schülern oder den Fachgenossen von der Nachbar-Universität die neuen Funde zu zeigen und sie an die Fundstellen zu führen. Auch weitere Kreise wusste er für die Geologie zu interessiren und durch seinen lebendigen Vortrag zu fesseln. Die Mitglieder der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Damen und Herren, Studirende aus Giessen und Marburg, die Fachgenossen von Darmstadt und Marburg folgten am 22. Mai 1892 seiner Einladung, um unter seiner Führung die von ihm neu entdeckten basaltischen Kraterbildungen nördlich und nordöstlich von Giessen kennen zu lernen, in voller geistiger und körperlicher Frische war er immer wieder bereit, zu zeigen und zu erklären.

Durch die Umgebung von Giessen wurde Streng dazu geführt, sich mit den vulkanischen Erscheinungen mehr und mehr vertraut zu machen, und er erreichte dies durch wiederholte Reisen in die classischen Gebiete des Vulkanismus. Zum erstenmal unternimmt er im Jahre 1874, wie er selbst sagt, eine Studienreise nach Italien, das Jahr 1883 führt ihn nach Sicilien und die Liparischen Inseln, im Jahre 1889 besucht er die Gegend von Predazzo, den Monzoni und die Euganeen und im Jahre 1891 endlich betheiligte er sich an dem internationalen Geologencongress zu Washington und an den sich anschliessenden Excursionen nach dem durch seine Geysire berühmten Yellowstone Nationalpark und dem Great Salt Lake. Die Eindrücke dieser letzten Reise waren so tief, dass er sich in seiner Krankheit gern noch der Erlebnisse erinnerte, als alles andere seinem Gedächtniss bereits entschwunden war.

Dass Streng als Lehrer gleich ausgezeichnet war wie als Forscher, beweisen die Arbeiten, welche seine Schüler unter seiner Leitung geliefert haben; die gestellten Aufgaben waren niemals leicht, die Praktikanten mussten in gleicher Weise mit den chemischen, wie den krystallographischen und optischen Untersuchungsmethoden vertraut sein; dass sie dies waren und dass sie auch selbstständig zu arbeiten lernten, beweist der Inhalt ihrer Abhandlungen. Es gehört schon ein grosses Maass von Erfahrung und Geschicklichkeit dazu, Krystalle wie die von Strengit zu messen, oder Krystalle, wie die der zweifachen Uranyldoppelsalze krystallographisch und physikalisch zu untersuchen. So können sich die Arbeiten, welche aus dem mineralogischen Institut zu Giessen unter Streng's Leitung hervorgegangen sind, den besten an die Seite stellen, welche andere grosse und viel reicher ausgestattete Institute geliefert haben. Auf seine Vorlesungen pflegte sich Streng sehr sorgfältig vorzubereiten, immer bemüht, seine Schüler mit den neuesten Fortschritten der Wissenschaft bekannt zu machen. Als der erste an der Universität begann er sein Tagewerk, indem er im Sommer, bis in die letzten Jahre hinein, schon um 6 Uhr morgens Vorlesung hielt. In ungezwungsten Verkehr trat Streng mit seinen Schülern auf den Excursionen, die er musterhaft zu führen verstand, wenn er auch manchmal, als guter Fussgänger, grosse Ansprüche an die Ausdauer der Theilnehmer stellte. Zu fröhlichem Gesang anregend, schritt er rüstig voraus, gegen Sonnengluth wie gegen Regenschauer gleich unempfindlich. Am Ziele angekommen, wusste er alle zum Beobachten anzuregen, bemerkenswerthe Profile wurden aufgenommen und auf den mehrtägigen Excursionen, die abwechselnd in die Eifel, in das Siebengebirge, die Rhön oder den Odenwald, früher auch in den Harz, unternommen wurden, musste über alles Beobachtete und Erlebte genau Protokoll geführt werden, keine trockne Aufzählung, sondern eine mit echt studentischem Humor gewürzte Schilderung. Ueber die schönen Mineralien, die da gefunden wurden, konnte keiner mehr Freude äussern als er, und seine Begeisterung spornte die Theilnehmer zu eifrigem Sammeln an. Wer je das Glück gehabt hat, mit Streng eine solche Excursion unternommen zu haben, wird die schönen, an Belehrung reichen Tage nicht vergessen. Seine Schüler aber haben ihm später, als sie im Leben standen, ihre Dankbarkeit und Verehrung bewahrt, und als sein Körper in das Grab gebettet war, haben sie einen Kranz für die letzte Excursion, von der er nicht wiederkehren soll, am Grabe niedergelegt.

Um den vollen Umfang von der erfolgreichen Wirksamkeit Streng's schätzen zu können, muss man wissen, in welchem Zustand sich das sogen. mineralogische Institut befand, als Streng im Jahre 1867 als Nachfolger von Knop nach Giessen kam.1) Ein Theil der Sammlungen befand sich in dem Gebäude der alten Klinik und wurde dort bei den im Sommersemester gelesenen Collegien über Gesteinslehre und

1) Auch die folgenden Mittheilungen über den früheren Zustand des mineralogischen Instituts verdanke ich Herrn Professor A. Nies.

Geologie benutzt, ein anderer kleinerer Theil war in einem Zimmer der alten Aula, jetzigen Bibliothek, untergebracht und hier wurde im Winter Mineralogie gelesen. Das ganze Inventar an Instrumenten bestand aus einem alten Wollaston'schen Reflexionsgoniometer ohne Fernrohr und Signal und einem Anlegegoniometer. Da sein Vorgänger niemals ein Fanatiker der Ordnung gewesen war und namentlich die Etiquetten nicht liebte, musste Streng die ersten Jahre auf Reinigung, Ordnung und Neuetiquettirung der Sammlung verwenden, wobei er, ohne Assistent und ohne Diener, auf die freiwillige Hülfe seiner Schüler angewiesen war. Erst nach längerer Zeit erhielt Streng die Erlaubniss, in den unteren Räumen des Hauses, das er bewohnte, die getrennten Sammlungen zu vereinigen und sich Arbeitsräume zu schaffen. Ein Zimmer wurde Hörsaal, die Küche chemisches Laboratorium etc. und so blieb es, bis dem mineralogischen Institut in der neu erbauten Aula grössere, wenn auch immer noch sehr beschränkte und unzureichende Räume angewiesen wurden. Die jetzige Mineraliensammlung hat Streng geschaffen und das mineralogische Institut hat er begründet.

Neben seiner anstrengenden wissenschaftlichen Thätigkeit fand Streng immer noch Zeit, den mannichfachen Anforderungen, die sein Beruf an ihn stellte, gerecht zu werden. Durch das Vertrauen seines Landesherrn wurde er zum ersten Male schon im Jahre 1873, dann später in den Jahren 1888, 1890 und 1893 je auf drei Jahre als Stellvertreter des Kanzlers zum Mitglied der Ersten Kammer der Hessischen Stände berufen, zweimal, in den Jahren 1871/72 und 1878/79 bekleidete er das Amt eines Rektors der Landesuniversität, in den Jahren 1878-1886 war er ständiges Mitglied der akademischen AdministrationsCommission und gleichzeitig versah er von 1878-1894 das Amt eines Stipendiaten-Ephorus.

An Anerkennung für diese vielseitige wissenschaftliche und praktische Thätigkeit hat es Streng nicht gefehlt. Am 24. April 1880 wurde ihm das Ritterkreuz I. Classe des Verdienstordens Philipps des Grossmüthigen, und am 14. November 1894 das Comthurkreuz II. Classe des Philippsordens verliehen. Am 12. September 1887 erfolgte die Ernennung zum Geheimen Hofrath. Eine Berufung, die im Juli 1881 von Marburg aus an ihn erging, lehnte er ab. Ein neues Mineral von der Eisengrube „Eleonore" am Dünsberg bei Giessen, das A. Nies im mineralogischen Institut untersucht hatte, belegte er nach seinem verehrten Lehrer mit dem Namen Strengit.

In seiner Familie hat Streng viel Freude gefunden, aber auch manches schwere Leid zu tragen gehabt. Streng war zweimal verheirathet; seine erste Frau verlor er im Jahre 1866 nach 13 jähriger, durch die Geburt von drei Knaben beglückter Ehe. In Giessen vermählte er sich im Jahre 1868 mit Elisabeth, geb. Mettenheimer und fand an ihr eine treue Mutter seiner Kinder und eine liebevolle Gattin, die immer darauf bedacht war, die Sorgen, die ihn von der Arbeit hätten abhalten können, zu verscheuchen. Das einzige Kind, das ihnen geschenkt war, wurde ihnen im blühendsten Alter wieder genommen, ein Opfer der Diphteritis. Noch in voller Frische konnte das Fest der silbernen Hochzeit gefeiert werden, aber bald darauf machten sich die ersten Anzeichen der unheimlichen Krankheit bemerkbar, die den sonst so lebhaften Geist lähmte und langsam aber unaufhaltsam verdunkelte. Und noch im Anfang der Krankheit hatte er den Schmerz, einen seiner Söhne, der kurz vorher hoffnungsvoll in die Ferne gezogen war, an einer heimtückischen Krankheit zu verlieren. Der schwerste Entschluss musste gefasst werden, die Trennung von dem lieb gewonnenen Amte. In einer Vorlesung, Anfang des Sommersemesters 1894, verliess ihn plötzlich das Gedächniss und da ahnte er das Schreckliche, was ihm bevorstand. Auf sein Ansuchen wurde er am 14. November 1894 unter Verleihung des Comthurkreuzes II. Classe des Philippsordens und unter besonderer Anerkennung der ausgezeichneten Dienste, die er der Universität und dem Staate geleistet hatte, in den Ruhestand versetzt. Die Krankheit schritt unaufhaltsam weiter, und der Tod war für ihn eine Erlösung. Von seiner Frau in aufopfernder Liebe gepflegt, starb er am 7. Januar.

„Er ist bei grosser persönlicher Liebenswürdigkeit und Ehrenhaftigkeit von höchst frischem und wissenschaftlich anregendem Wesen und von unermüdlichem Eifer in seinen amtlichen und wissenschaftlichen Arbeiten." Mit diesen Worten hat im Jahre 1867 Bunsen den Charakter von Streng gezeichnet und wir finden darin das Bild des edlen Mannes, wie wir es im Gedächtniss haben und bewahren wollen. Reinhard Brauns.

(Schriftenverzeichniss folgt.)

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