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14.

Wilhelm Foerster.

Man rühmt den Geheimen Regierungsrat

Foerster, den Direktor der Berliner Sternwarte, als einen der größten Astronomen und rühmt seine ‚Studien zur Astrometrie“. Mich interessiert er als der Führer der „Ethischen Gesellschaft“ in Berlin, die täglich neue Jünger und Bekenner gewinnt. Es wäre hier zu wiederholen, was ich neulich bei Egidy erzählte. Er hat mir dieses Bekenntnis geschickt:

„Die antisemitischen Hezereien und Übertreibungen sündigen hauptsächlich durch die Unterschiedslosigkeit, mit welcher sie den Unschuldigen zugleich mit dem Schuldigen beschimpfen und bedrücken.

Heilung von dieser Erkrankung des Urteils der Menge ist aber nicht in verdammenden Worten zu suchen, sondern in einer Gesundung der immer unerträglicher gewordenen Zustände des Erwerbslebens und der Geldwirtschaft. Für diese Zustände sind

die Juden keineswegs allein verantwortlich, aber in den germanischen und slavischen Ländern haben sie einen sehr erheblichen Anteil an den dadurch entstehenden Nöten und Leiden.

Der Willens- und Geisteskraft der vielen edeldenkenden Juden liegt daher in erster Stelle die Verpflichtung ob, an der vernünftigen Umgestaltung unserer wirtschaftlichen Zustände kräftig mitzuarbeiten.

Es ist erfreulich, zu sehen, wie viele dies begriffen haben und mit Hingebung am Werke sind. Berlin, 9. Mai 1893.

W. Foerster."

15.

Alfred Naquet.

Ich habe die französische Reihe meiner Inter

views mit Alfred Naquet begonnen, weil ich vor allem mich selber, um die anderen dann desto wissentlicher, geschickter zu erforschen, rasch über den Stand der Frage in Frankreich unterrichten wollte, wie sie auf jeder Seite erscheint, für die Freunde und für die Gegner. Das konnte deutlicher, gründlicher und ge= rechter keiner, als der kleine Jude und große Führer der Boulangisten, welche vor allen anderen Parteien die antisemitischen Schlager in die Menge trieben. Er durfte mir nicht mit den Phrasen der guten Liberalen kommen, welche die Bewegung, die ihnen nicht paßt, einfach leugnen möchten, und durfte doch auch, ohne heikle Fragen von mir zu gewärtigen, die Hehe nicht billigen, sondern er mußte mir ehrlich die Meinung des Volkes berichten, die herrscht. Ein

bißchen war es wohl auch meine alte neugierige Neigung des Psychologen für den sehr bizarren Denker, der immer mit dem rabulistischesten Verstande die zartesten Sachen des Gefühles verteidigt hat. Und es regte sich schließlich das dramatische Gemüt, weil jeder Autor den Vater des „Divorce“ mit Dank verehren muß, der dem Vaudeville so viele neue Wendungen und Formen erschlossen hat...

Er hat mich sehr zeitlich bestellt, weil er heute Paris verläßt, um eine Weile den Süden zu suchen. Schmucke Bonnen mit den weißen Häubchen gehen nach dem Markte. In den Läden wird gescheuert. Mädchen trotten trällernd heim, Nelken im Rosenmund und noch wie eine süße Erinnerung der Nacht, wie einen lezten Kuß um die müden Lippen. So wandere ich, über die Oper weg, gen Batignolles, wo die vielen Straßen der fremden Städte sind, die Rue de Berlin, de Londres, d'Amsterdam, d'Athènes.

Rue de Moscou, 44. Ganz oben im fünften Stocke des hageren schweigsamen Hauses. Ich werde in ein schmales, helles, stilles Gemach geführt: sein Bildnis von Alphonse Hirsch, welches die seltsame Mischung von Schmerz und Verstand in den gepeinigten Zügen zeigt, viele Bücher und schwere Lehnstühle, Polster, Chaiselonguen rings, die dem Zimmer eine leise Kränklichkeit geben, wie von einem, der für sich sinnen und einsam von Leiden ausruhen möchte.

Er ist klein, verwachsen und gebeugt. Die Härte des jähen und gewaltsamen Profiles, unter den glatten, weißen Haaren, hinter dem krausen weißen Barte, wird durch die Beweglichkeit der zuckenden Fältchen. gemildert, welche der leiseste Wechsel von Gedanken immer gleich wieder verändert. Er spricht geläufig, flare, sichere, druckfertige Säge.

Die Frage hat für uns nicht die Bedeutung wie bei Ihnen. Aus zwei Gründen! einmal, weil die Zahl der Juden eine bei weitem geringere ist - im ganzen etwa nur 70000; dann auch, weil man sie viel früher emancipiert hat die portugiesischen, zu welchen ich gehöre, noch vor, die elfässischen und deutschen während der Revolution, also alle bereits vor hundert Jahren. So ist ihre Assimilierung natürlich heute schon viel weiter gediehen, als bei Ihnen wo doch die Emanzipation erst 1848 erfolgte. Dennoch bleibt auch bei uns immer noch ein atavistischer Haß im Gemüte des Volkes, den jezt eine kluge und rücksichtslose Partei für ihre Zwecke zu nüßen sucht die Partei der Jesuiten. Ich meine damit keineswegs die katholische Partei überhaupt: denn man muß jezt genau die Politik der Jesuiten von der des Papstes scheiden, der ja sehr aufgeklärt, gemäßigt und duldsam scheint, mit modernen Anschauungen. Aber die Jesuiten, die unversöhnlichen Feinde unserer revolutionären Entwicklung, hoffen, indem sie den Haß gegen die Juden schüren, sich der Menge wieder zu bemächtigen, über die sie anders nichts mehr ver

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