Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Arbeit überhaupt. Es ist nur eine Frage der Zeit, vielleicht von ein paar Monaten bloß, wann diese Verwandlungen schließen, der reine Antisemitismus höchstens noch als ein Sport der vornehmen Ge= sellschaft dauern und der reine Sozialismus ihn verdrängen wird. Das scheint mir ohne Zweifel."

„Glauben Sie, daß man Geseze gegen die Juden machen wird?"

„Mein Gott! Ich spiele nicht gern den Propheten. Man blamiert sich leicht."

„Ich meine nur: Halten Sie Geseze gegen die Juden, besondere Geseze, die das allgemeine Recht verleşen, überhaupt für möglich?“

„Möglich! Möglich ist bei uns schließlich alles, und man darf niemals behaupten, daß etwas nicht geschehen wird. Es wäre nicht das erste Mal, daß wir heute erlebten, was gestern noch phantastisch toll und ganz unmöglich schien. Aber freilich das kann man wohl sagen: So lange die bürgerliche Ordnung von heute herrscht, sind Geseze gegen die Juden nicht möglich. Es müßte erst eine Revolution aller Dinge und das Ende des modernen Staates geschehen. So lange die Dinge geseßlich und normal verlaufen, ist es nicht möglich. Ein wilder Sturz aller Verhältnisse wäre unerläßlich. Aber ich glaube, daran denken die Antisemiten selber nicht. Es handelt sich ihnen gar nicht um solche Gesetze. Sie wollen eine feindliche Stimmung gegen die Juden schaffen das ist alles. Geseze verlangen sie nicht. Das

kommt wohl daher, daß wir den jüdischen Wucher, der in anderen Ländern solche Wünsche zeitigt, in Frankreich nicht kennen. Die Juden sind bei uns in den großen Unternehmungen, den kleinen Wucher treiben sie nicht außer in Algier, wo allerdings der Schuß gegen die entseßliche Ausbeutung immer dringender verlangt wird. Bei uns ist es anders. Hier kennen wir den Juden als Wucherer nicht. Und gerade deswegen glaube ich, daß die antisemitische Heze keine Zukunft hat, sondern nur die Geschäfte der Sozialisten führt. Das scheint mir ihre Gefahr. Und darum würde ich gegen sie immer kämpfen; darum würde ich gegen sie, selbst wenn sie, was ich in allen Punkten leugne, im Recht mit ihren Thesen gegen die Juden wäre, dennoch beharrlich und ohne Rücksicht kämpfen, weil sie mir ganz andere Dinge, als die Juden, zu gefährden scheint: alle Bedingungen des modernen Staates und die ganze Form unserer politischen Entwicklung von heute. Übrigens ist ihre erste Kraft und Heftigkeit schon wieder erschöpft. Das war vor drei, vier Jahren, daß sie wirklich einige Zeit ernstliche Sorgen erweckte. Jezt sinkt ihre Macht, ihre Geltung schon beträchtlich, und sie wird wohl bald wie ein wüster häßlicher Traum entschwunden sein."

22.

Arthur Meyer.

as Haus des Gaulois, den der schöne Arthur Meyer leitet, ist 2 Rue Drouot, ein paar Schritte vom Getöse der Boulevards, bevor man zu dem zierlichen und hellen Schlößchen des Figaro tommt. Hastiges Gedränge rings, unablässig hin und her, auf und ab, unten im Flur und über die schmale Treppe, die sich enge windet. Man hat Mühe, sich in den Strudel und Tumult der heißen, lauten, bunten Salle de Depêches zu schieben.

Diese Salle ist eine Spezialität der französischen Blätter. Sie stellen sich mit dem Leser viel intimer, als es unsere Sitte ist. Uns genügt es, ihm Meldungen und Meinungen zu liefern; Eile, Fülle und Treue der Berichte, die besten Gedanken, die wir finden, und etwa noch, wenn es glückt, eine gefällige Form mehr glauben wir ihm nicht zu schulden. Aber sie möchten überhaupt gleich alle

Geschäfte für ihn nehmen, seine Sorgen führen, jeden Wunsch erleichtern. Sie möchten Gehilfen seines Lebens werden. Sie möchten ihm alles verwalten. Er soll bei ihnen für jede Frage, in jeder Verlegenheit, auf jedes Bedürfnis immer Rat und Beistand finden. So ziehen sie ihn zu sich, in die Redaktion, woher jeder die Erledigung seiner Sachen, seiner Beschwerden holt, wohin jeder die lezten Gerüchte der Straße, die lezten Stimmungen der Menge trägt, daß sie die Geschichte der Zeit, die täglichen Ereig= nisse immer gleichsam in Person empfangen. Ein Tausch, aus dem beide gewinnen.

Sie brauchen manche Mittel, ihn zu sich zu locken. Eines ist die Salle de Depêches. So heißt ein großer Raum, nach der Straße frei, mit vielen Schaltern, wo man das Blatt abonnieren, allerhand bestellen, sich erkundigen, seine Briefe erledigen, telephonieren, telegraphieren kann, mit manchen Belustigungen, als: Theatrophon, Phonograph, Karikaturen, mit Photographien, Bildern und Skizzen, welche jede Neuheit des Tages zeigen, den lezten Verbrecher und den lezten Minister, den Prediger und die Cocotte der Mode, kluge Männer und hübsche Mädchen. Müßige bummeln da gern und wechseln spöttische Späße. Ich liebe es, auf sie zu horchen und mit ihnen zu gaffen. Da hängt van Dyck, der jezt die große Leidenschaft aller Schönen ist, der Sieger Dodds und Leroy, der närrische Kandidat der Revolutionäre für die Akadémie, der stolz seine boli

varische Uniform zwischen der verwüsteten zerfeßten Miene des Lisbonne und dem dürren, schlottrigen, Hageren Tournadre spreizt, da hängt der müde, verhärmte, traurige Daudet neben dem herrischen und brutalen Profil des Zola, da hängen die Clous der Salons und in curioser Sammlung die Kommunarden von 1871.

Aber es ist Zeit, über die Treppe zu steigen. Er hat mich für fünf bestellt. Und um sechs, zur „grünen Stunde“, erwartet mich auch schon wieder, im Café Riche, nebenan, die bleiche Sonne meiner Nächte.

Der jähe Schwall von Gästen mag auf der Treppe nicht rasten. Läufer, Boten, Reporter drängen sich; man sieht politischen und journalistischen Ruhm. Mermeix mit der hämischen kahlen irdenen Miene, die gewaltsam den mephistophelischen Schädel des Girardin äffen möchte, kommt herab und ich treffe den munteren, zierlichen und feinen Marcel Hirsch, den geliebten Benjamin der Pariser Presse, der vor zwei Jahren bei der Salzburger Feier von Mozart auch gleich alle Herzen durch seine fröhliche Anmut gewann . . .

...

Arthur Meyer ist eine seltsame komische Mischung. Erstens der Jobber, wie er in den Karikaturen steht der behagliche und breite Jobber, der weiß, daß ihm alles gelingt. Dann hat er etwas vom „Larbin“, vom herrschaftlichen Kammerdiener, der mit der Zeit die Gesten, Blicke und Alluren der

« AnteriorContinuar »