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Gemach mit vielen Büchern und Schriften auf Pulten und Stellen, und darüber sind strenge, feierliche Stiche, die Frömmigkeit und Schönheit geben. Der Pastor ist ernst und milde. Die dantesken, scharfen Züge durch eine stille Güte verklärt, und der weiße Bart, die weißen Locken rahmen einen hellen Schein um die sanfte, gelassene Miene.

Ich bringe meine Bitte vor und er will sie erfüllen. Er ist immer bereit, zum Frieden, zur Versöhnung zu wirken. Nur jezt im Drange der öfterlichen Pflichten kann er mich nicht hören, mir nichts sagen, und er will mir lieber einige Zeilen senden, die seine Meinung deutlich verkünden.

Er hat mir dann diesen Brief geschickt:

Berlin, den 4. April 1893.

Sehr geehrter Herr!

Auf Ihren Wunsch, meine Stellung zum Antisemitismus mit ein paar Säßen zu kennzeichnen, kann ich nur erklären, daß ich weder vom christlichen noch vom nationalen Standpunkt aus jemals Veranlassung gefunden habe, die Juden als solche zu bekämpfen, und daß ich in der Bildung einer politischen Partei mit dieser Tendenz immer nur eine Verirrung sehen kann, hinter der ich andere Ursachen argwöhne. Als Christ kenne ich nur das wirklich Gute oder Böse, als Staatsbürger nur das Gefeßliche oder Ungeseßliche. In der Behauptung, daß gewisse Formen des Bösen im sozialen Leben mit dem Judentum

als solchem zusammenhängen, kann ich bis jezt nur die unzulässige Übertragung einzelner Beobachtungen auf das Ganze erkennen, würde aber auch, wenn diese Behauptung besser begründet wäre, als sie es bis jezt ist, dafür eine historische Betrachtung verlangen, die zugleich andere Mittel der Gegenwirkung an die Hand geben würde als den Antisemitismus. Eine strenge Prüfung der im Judentum etwa vorhandenen Schäden erwarte und verlange ich vornehmlich von diesem selbst.

Dies meine prinzipielle Stellung zu der Frage in der mich meine persönlichen Erfahrungen in mancherlei Berührungen mit Juden und namentlich auch mit zahlreichen Proselyten, deren Übertritt ich immer nur nach längerem Verkehr vermittelt habe, bisher nur bestärkt haben.

Mit vorzüglicher Hochachtung

ergebenst

Schmeidler, Prediger.

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1861 geboren; 1881 ein kleiner Mime ohne Glück und Hoffnung; 1890 ein Recensent in Wochenschriften, auf den die Kenner zu merken beginnen; 1891 der gehaßte Spötter von Berlin; 1892 der einzige Journalist der Deutschen im europäischen Stile; 1893 der Freund des großen Kanzlers und der Sieger im Prozesse um die Erziehung" des Monarchen. Eine ganz hübsche Karriere. Es verlohnt sich wohl, von dem Manne, mit dem Manne zu reden und seine Wandlungen, Entwicklungen zu erzählen.

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Als ich 1890 nach Berlin kam, war es dort wunderlich. Sie stritten mit Geschrei und gierig gegen und für die „neue Kunst“, und heftige Versuche, die Lyrik, das Drama, den Roman zu erneuern, gelangen. Aber die Kritik wurde von dem jungen Schwunge vergessen, rückte nirgends vorwärts und

blieb ungestört in der Schablone, patriarchalisch bei den einen, die ohne Sinn und Grund und Zweck, immer mit dem gravitätischen „Wir“, rechte Paschas, bald gnädig ermunterten, bald strenge warnten, vermeintlich ironisch bei den andern, die ohne Achtung nur wizelten und nach dem billigen Ruhme der Amuseure geizten, oder gar magisterlich bei steckengebliebenen Privatdozenten, die unveränderlich jeden Tag das Dogma aus dem Seminar irgend eines Germanisten wiederholten. Nur in zwei Wochenschriften, der Nation mit dem Namen M. Kent, der Gegenwart mit dem Zeichen M. H., gab es Besprechungen der Bühnen, welche eine moderne Note hatten und sich von Jules Lemaître, Anatole France, Octave Mirbeau nicht zu sehr entfernten. Dieser M. Kent und M. H. war ein unbekannter Jüngling ohne Adah, der die Cliquen mied, und wer nach ihm forschte, konnte von seinem Talente Gutes hören, das nur leider störrisch sei und, weil es sich in fein Herkommen schicken wollte, seinen Weg verfehlen würde. Das waren die Anfänge Maximilian Hardens.

Gegen das Herkommen war seine Weise freilich, und wer sie an den üblichen Forderungen maß, mußte sich entsehen. Er richtete" nicht nach den verläßlichen Normen einer unwandelbaren Ästhetik, citierte keinen Aristoteles noch Lessing, als höchstens, um ohne Ehrfurcht ihn am Barte zu zupfen, den würdigen Frenzel, folgte keiner „Schule", verkündete keinen

„‚ismus“, und oft wußte der gute Publikus, der doch in Berlin intelligent sein muß, am Ende von vier Spalten gar nicht, ob es denn eigentlich gelobt oder getadelt war. Er hatte für die Werke der Künstler nicht einmal, wie Georg Brandes von sich sagt, den Eifer des Botanikers für Pflanzen, die er bestimmen und in Klassen bringen möchte. Er war ohne Heil der critique subjective et personelle ganz verfallen, die den alten Ferdinand Brunetière so kränkt. Er sprach eigentlich gar nicht von den Künstlern und ihren Werken, die er „kritisierte“, sondern sprach vielmehr gelegentlich dieser Künstler, dieser Werke immer nur von sich selbst und immer nur sich selbst wollte er in den Recensionen gestalten, wie sich ein anderer in Gedichten, Dramen, und Erzählungen gestaltet. Er behandelte das Thema, wie Goethe in der „Italienischen Reise" jenes Land und jenes Volk behandelt, die er nicht schildert, sondern als Gelegenheit braucht, als Reiz und Stoff zugleich, sich selber auszudrücken, die eigene Sehnsucht und das eigene Glück und alles Erlebnis der Nerven und Sinne. So war er recht der gute Kritiker nach der Formel des Anatole France: „Le bon critique est celui qui raconte les aventures de son âme au milieu des chefs-d'œuvre." Nur daß es gerade nicht immer chefs-d'oeuvre waren, welche die Abenteuer seiner Seele bestimmen. Aber dafür mochte er schließlich nichts können.

Die Berliner wurden von dieser lyrischen Kritik

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