Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Bedürfnis, dem Kinde einen letzten Liebesdienst zu erweisen. "Leb' wohl, Mops! Leb' wohl, Mops!"

Zwanzig Hände griffen nach seiner kleinen, blau verfrorenen Hand und drückten sie ihm zum Abschied. Er wusste kaum, wie ihm geschah-man sah es an seinem erstaunten Gesicht.

Dann war er in die Droschke gehoben; der alte Daniel stieg nach ihm ein und setzte sich neben ihn. Klappend schloss sich die Wagenthür. Noch einmal bog er sich aus dem Fenster und nickte uns mit der blauen Wolkenschiebermütze ein Lebewohl. Rumpelnd setzte sich das Gefährt in Bewegung -wir standen und sahen ihm nach, bis der Wagen aus dem Hofe der Anstalt hinaus war. Dann gingen wir zurück. Niemand sprach ein Wort.

Er war fort und ist nicht wiedergekommen in das Pädagogium. Ich weiss nicht, ob er die Mutter noch vorgefunden hat-ich habe ihn nie wiedergesehen. Nie wiedergesehen, bis neulich in der Nacht, da war er plötzlich wieder da. Am Schwebebaum stand er, zwischen den Knien des alten Daniel; ich sah sein weisses Tüchlein, mit dem er sich das Gesicht abwischte, ich hörte sein Weinen. Möchte er nicht wiederkommen-denn wenn er wiederkommt, kann ich nicht schlafen.

ERNST VON WILDENBRUCH.

DIE GESCHICHTE DER TODESSTRAFE

IM RÖMISCHEN STAAT.

DIE BEHANDLUNG DER TODESSTRAFE in den öffentlichen Ordnungen ist ein wichtiges Moment der Kulturgeschichte, und der römische Staat ist durch das innere Moment der rücksichtslosen Folgerichtigkeit seiner Entwicklung wie durch das äussere des ihm zum Werden und zum Ausleben gelassenen beispiellos langen Zeitraums für vergleichende Erwägungen dieser Art vorzugsweise geeignet. Wenn ich es unternehme, hier einen Ueberblick über die Geschichte der Todesstrafe bei den Römern zu geben, so geschiet dies einerseits mit dem Bewusstsein, dass für die betreffenden rechtlichen Fragen unsere Ueberlieferung reichlicher und sicherer ist als für die pragmatische Geschichte, anderseits aber auch mit dem Bewusstsein, das die geschichtliche Darstellung vielleicht unter günstigen Bedingungen Glanz und Farbe haben kann, ein Ueberblick dieser Art aber darauf verzichten muss und sich an die exceptionellen Leser wendet, welche den Zeitaufwand und die Entsagung des Nachdenkens aufzubringen im Stande sind.

Die Todesstrafe beruht bei den Römern auf dem religiösen Fundament des entsühnenden Menschenopfers, und zwar des Menschenopfers vollzogen zunächst an dem kriegsgefangenen Landesfeind. Dieser Grundgedanke der staatlichen Todesstrafe tritt deutlich hervor in der ursprünglichen Form ihrer Vollstreckung. Der Verbrecher wird mit dem Beil enthauptet; das Beil aber ist bei den Römern niemals Waffe gewesen, sondern das Handwerkzeug des Schlächters, und dies sowie die Form der Hinrichtung entsprechen genau der Schlachtung des Opfertieres. Ebenso deutlich tritt diese Grundlage

der römischen Todesstrafe darin zu Tage, dass die von Gemeinde wegen vollzogene Todesstrafe zunächst den Bürger trifft, der sich durch seine Handlungen dem Landesfeinde gleichstellt, in erster Reihe den Ueberläufer, weiter aber jeden des Landesverrats schuldigen Mann. Begreiflicher Weise wird ideser schwerer behandelt als der Landesfeind selbst; wenn das Kriegsrecht die Tötung des Gefangenen nur zulässt, so fordert das Strafrecht die Hinrichtung des Verbrechers. Ausgedehnt wird die Todesstrafe weiter auf den Mörder und den Brandstifter; ein solcher gilt zwar nicht wie der Ueberläufer als Landesfeind, aber diese Verbrechen sind in erster Reihe schwere Störungen der öffentlichen Sicherheit, Verletzungen der Sammtbürgschaft eines für alle und aller für einen, auf welcher der Staat beruht; und darum trifft bereits in dem ältesten uns erkennbaren Entwicklungsstadium auch diese Missethäter das Beil.

Neben dieser im geregelten Strafprozess, das heisst, nach öffentlicher Verhandlung auf dem Markt der Stadt und nach angehörter Verteidigung auf Grund magistratischen Todesurteils eintretenden Execution steht das magistratische Recht der Selbsthilfe bei gefährlicher Störung des öffentlichen Friedens und bei Unbotmässigkeit des einzelnen Bürgers. Es ist keineswegs auf eigentliche Notwehr beschränkt, aber es ist ein Notverfahren und schliesst wie die prozessualishe Behandlung so auch die geordnete Vollstreckung des Urteils durch das Beil aus. Der Magistrat zwingt den Ungehorsamen-Coercition heisst dies bei den Römern-und lässt, wenn gelindere Mittel nicht reichen, den Widerspenstigen greifen und von dem Felsen des Capitols in den Abgrund stürzen.

Ausser dem auf wenige Fälle beschränkten capitalen Strafprozess und dem ausserordentlicher Weise eintretenden capitalen Zwangsverfahren kennt die älteste uns bekannte römische Ordnung die Todesstrafe so gut wie gar nicht. Für keines der übrigen, insbesondere für kein Eigentumsverbrechen wird dem Uebelthäter der Tod von Rechtswegen angedroht. Somit hatten die späteren Römer einige Ursache, ihren Vorfahren neben anderen minder bestreitbaren Tugenden auch diejenige der Humanität nachzurühmen.

Die übrigen Verbrechen werden. von den Römern als

Privatdelikte, das ist, nach heutigem Sprachgebrauch, als Antragsprozesse bezeichnet. Diese ruhen nicht auf dem religiösen Gedanken der Sühnung, sondern auf dem der praktischen Rache, die der Verletzte von dem Verletzer fordert, und die, nachdem die staatliche Ordnung die Hilfe des jedem einzelnen Bürger überlegenen Gemeindewesens dafür anzurufen gestattet, auch der schwächere Verletzte dem stärkeren Verletzer gegenüber durchzuführen im Stande ist. Indess der römische Bürger, wie er sein soll, ist nicht rachsüchtig und vor allen Dingen ein wirthschaftlicher Haushalter. Nur in wenigen Fällen kann nach römischer Ordnung die Rache bis zur Tötung des Verletzers vorgehen, und auch in diesen ist die Tötung, nicht wie bei den öffentlichen Verbrechen gesetzlich vorgeschrieben, sondern nur gesetzlich gestattet; es gilt dies für den Dieb, der auf frischer Tat ergriffen wird und für den falschen Zeugen, in welchen beiden Fällen allerdings das Bedürfnis der Rache am heissesten brennt. Wenn diese Verbrecher sich mit Geld nicht wider den Willen des Verletzten lösen können, so ist dagegen für die ganze Masse der übrigen Verbrechen die Lösung mittels einer Geldbusse in der Weise gesetzlich vorgeschrieben, dass der Verletzte die Annahme nicht verweigern darf. Ist der Uebelthäter nicht im Stande, die Lösung aufzubringen, so wird er nicht anders behandelt als jeder zahlungsunfähige Schuldner, das heisst er verliert nicht die bürgerliche, aber die persönliche Freiheit und sein neuer Herr kann mit ihm anfangen, was ihm beliebt, ihn einsperren und zur Zwangsarbeit verwenden, oder auch nach Ermessen ihn töten. Dies ist also die, mit billiger Rücksicht auf zahlungsfähige Verbrecher, wirtschaftlich wohl temperirte Privatrache. Für den, welcher die Kosten des Fehlschlagens tragen kann, ist der Diebstahl eine gewagte Spekulation. Der Dieb, der dazu nicht im Stande ist--und auch in Rom stahl der Arme öfter als der Wohlhabende-wird zwar nicht von Rechtswegen hingerichtet, und verständige Bestohlene werden es vorgezogen haben, ihn als Arbeiter zu verwerten; aber die bürgerliche Freiheit, welche die Hoffart des Gesetzes dem Verurteilten ungeschmälert lässt, hindert den neuen Herrn nicht, wenn er es wünscht, die aufgeschobene Rache späterhin nach Gefallen zu nehmen.

Die Handhabung dieser ältesten Rechtsordnung steht bei der Magistratur, dem monarchischen und lebenslänglichen Gemeindevorsteher der ältesten Zeit und den unter Aufgabe der Monarchie wie der Lebenslänglichkeit in der Republik an seine Stelle tretenden Beamten, das heisst bei dem König und bei den Consuln. Ein Unterschied zwischen Stadt- und Landrecht oder Kriegs- und Friedensrecht besteht nicht. Das Imperium und das Beil schalten gleichmässig in Rom und im Lager und gleichmässig über den Bürger wie über den Nichtbürger. Von der Bürgerschaft war die Handhabung des Imperium nicht abhängig. Es mag sein, dass der Magistrat, wenn er ein Todesurteil nicht zu vollziehen wünschte, zur Begnadigung nicht anders befugt war, als mit Zustimmung der Versammlung der Bürger und dass insofern und dass insofern schon damals die Uebereinstimmung des Gemeindeherrn und der Gemeinde als die über dem Gesetz stehende höchste Gewalt im Staat anerkannt war; aber die Handhabung der gesetzlichen Ordnung durch die strafrechtliche Judication und im Notfall die Coercition erfolgte ohne Mitwirkung der Bürgerschaft.

Eine wichtige Aenderung dieser Ordnungen trat ein, sei es zu Anfang der Republik, sei es in ihrer Frühzeit, durch die Anordnung, dass das im Stadtbezirk über einen römischen Bürger verhängte Todesurteil nicht anders vollstreckt werden dürfe, als wenn der Anrufung der Gemeinde auf Begnadigung stattgegeben und von dieser das magistratische Urteil bestätigt sei. Damit schied sich Stadtrecht und Kriegsrecht. Factische Scheidung der bürgerlichen und der militärischen Vergehen war damit gleichfalls gegeben; rechtlich aber hängt der Gegensatz nicht ab von der Beschaffenheit des Verbrechens, sondern von der Oertlichkeit, an der der Verbrecher vor den Magistrat gestellt wird. Ihren handgreiflichen Ausdruck fand die neue Rechtsordnung darin, dass, wo der Magistrat an sie gebunden war, in dem Abzeichen seiuer Strafgewalt, den Fasces der Lictoren, die Beile fehlten.

In dem Kriegsgebiet, das ist in Italien ausserhalb des engen Stadtbezirks und späterhin in den Provinzen, hat das Beil seine Herrschaft durch die gesammte republikanische Zeit hindurch behauptet. Auch unter dem Principat ist zwar, als charakteristisches Zeichen des damit eintretenden Militärregi

« AnteriorContinuar »