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schränkungen zu machen. So weit diese aus der Wahl der Strafen selbst hervorgehen, bedarf es weiterer Ausführung nicht. Aber hinzugefügt muss werden, dass nach römischer Ordnung der bürgerlichen öffentlich vollzogenen Todesstrafe jeder Art und Form, wofern sie nicht selbst durch Geisselung vollstreckt wird, diese vorhergeht. Weitere Martern kamen als reguläre Ordnungen bei Freien nicht vor. Dem militärischen Charakter und überhaupt den rationellen Ordnungen des Principats entspricht die ausdrückliche Untersagung der älteren abweichenden Formen der Todesstrafe und die allgemeine Einführung der Enthauptung durch das Schwert ohne vorhergegangene Martern. Nur ausnahmsweise und besonders in späterer Zeit erscheint daneben der Feuertod. Die entsetzliche Form der Volksfesthinrichtung geht auf keinen Geringeren zurück als den Sieger von Pydna, Lucius Aemilius Paulus, der zuerst nach seinem Siege über den König Perseus die gefangenen Ueberläufer den Bestien vorwarf und dem sein Sohn nach der Einnahme Karthagos darin folgte. Als eigentliche Criminalstrafe aber erscheint diese Form des Todesurteils in republikanischer Zeit nicht, sondern erst unter den Kaisern. Die Verurteilung zu den Fecht- oder Jagdspielen kann nur ausnahmsweise als Todesurteil angesehen werden; in der Regel besteht sie in Verlust der Freiheit und der zwangsweisen Einstellung in ein lebensgefährliches Gewerbe, das aber nicht notwendig zum Tode führt, vielmehr unter Umständen den Wiedergewinn der Freiheit gewährt.

Das ideale Ziel der neueren Civilisation ist gleiches Recht zu schaffen für alle, und auch wer diesen Satz beugt oder bricht, bekennt ihn regelmässig mit den Lippen. Das römische Gemeinwesen ist ausgegangen von dem entgegengesetzten Grundsatz und hat in seinem Ausleben ihn immer schärfer entwickelt. So musste es kommen; denn Rom ist ein Sklavenstaat gewesen und geblieben. Die ungleiche Behandlung des unfreien Verbrechers gegenüber dem freien steht von der ältesten bis zur spätesten Zeit durch alle Phasen der Staatsgestaltung durch. Der vorher ausgeführten gewissenlosen Nachsicht gegen den verbrecherischen Bürger zur Seite geht die nicht minder schrankenlose oder höchstens durch die Rücksicht auf das Bürgereigentum beschränkte Unbarmherzigkeit gegen den un

freien Missethäter. Die Massenhinrichtungen aufständischer Sklaven bilden vielleicht das dunkelste Blatt in der Geschichte der römischen Republik und die schwere Marterung vor der Hinrichtung so wie die für die Sklaven zu aller Zeit beibehaltene Kreuzigung gehören in die gleiche Reihe. Aber dabei ist es nicht geblieben. Wie die Sklaverei der Neger die weisse Sklaverei in ihrem Gefolge gehabt hat, so hat auch die römische Entwicklung die rechtliche Ungleichheit der vornehmen und der geringen Bürger herbeigeführt. Bereits in früh republikanischer Zeit wird, wie wir sahen, bei gleichem Verbrechen dem Vermögenden eine Geldbusse auferlegt, der Unvermögende dem Beschädigten zu beliebiger Behandlung ausgeliefert. Hier indess tritt die rechtliche Zurücksetzung der Aermeren noch verhüllt auf. Sie in ausgesprochener Weise in rechtliche Form zu bringen, was auch den neueren Nachahmern nicht gelungen ist, hat die römische Folgerichtigkeit fertig gebracht und einer ihrer tüchtigsten und begabtesten Vertreter, der Kaiser Tiberius, ins Werk gesetzt. Von da an ist doppelte Buchung in die Gesetzgebung eingeführt: wo der freie Mann (honestior) verbannt oder transportirt wird, trifft den gemeinen (humilior, plebeius) regelmässig Bergwerksarbeit, nicht selten der Tod. Die alte Regel, dass Unfreie schwerer bestraft werden müssen als Freie, hat natürlich unter dieser Weiterentwicklung des Princips keinen Schaden gelitten; der Sklave pflegt gekreuzigt zu werden, wo der Freie geringen Standes in die Bergwerke verschickt wird.

THEODOR MOMMSEN.

ANFRAGE.

Im südlichen Syrien, nordöstlich vom Toten Meer hat sich an der Strasse von Djerasch, dem alten Gerasa, nach Amman, dem Rabbath Ammon oder Philadelphia der Alten, ein römischer Meilenstein gefunden, der unter der Masse gleichartiger und im Ganzen ziemlich gleichgültiger Denkmäler einzig dasteht. Er war zweisprachig, aber von dem lateinischen Text hat sich nur die Meilenzahl (VIII)und ein Rest des Statthalternamens erhalten; der griechische lautet also : εἷς Ζεὺς Δ ́: εἷς Ἰουλιανὸς ὁ Αὔγουστος. Das heisst-der Statthalter spricht-Ein Gott und Ein Kaiser Julianus.

Dass Kaiser Julianus ebenso den einen Gott bekannte wie Athanasius von Alexandrien und Gregor von Nazianz, wenn auch mit etwas anderen Worten, ist nicht neu, und dass ein loyaler Beamter sich glücklich preist, wie einen Gott, so einen Kaiser zu haben, nicht wunderbar. Aber gern wüsste man, welcher Name jenem Concurrenten des Christengottes von dem Publikum gegeben worden ist ; und dieser Name muss in dem abgekürzten Wort stecken, welches auf ɛiç Gɛóg folgt. Hat der bisher einzige Abschreiber dieses Meilensteines richtig gelesen, so ist der Geist gemeint, der voog; denn wenn auch nach plotinisch-julianischer Lehre dieser Geist, das Denken, nur das Zweite ist, und über ihm als Erstes das Ein und All, das Gedachte, das voŋròv steht, so verträgt sich der Gottheitsbegriff des Publikums nicht gut mit dem neutralen Geschlecht, und wird man sich wohl bei dem Nus beruhigen müssen.

Aber einem meiner Freunde, dem ich diese Inschrift vorlegte, kann ich darin nur beipflichten, dass der unpersönliche Geistbegriff in solcher Personifizierung befremdet, und dass man lieber auf dem Stein II statt N sähe; dann hätten wir "die Sonne, Helios der Griechen" und Helios würde in jeder Weise hierher passen.

Ist es erlaubt, denjenigen Deutschen, Franzosen oder Engländer, welche zunächst nach Rabbath Ammon gelangt, auf diesem Wege zu ersuchen, nachsehen zu wollen, ob N oder H, Nus oder Helios, Geist oder Sonne ? Aus dem Umgang der Herren der Erde mit einer oder mehreren der neun Musen sind allerdings durchgängig recht mässige Früchte hervorgegangen, und Kaiser Julianus, von dessen Literatentum auch dieser Stein wiederum zeugt, macht unter den gekrönten Mittelmässigkeiten der Künste und Wissenschaften keine Ausnahme. Aber das Publikum fin de siècle interessiert sich für alles Bastardartige, und die Teilnahme für Kaiser Julianus ruht zum Teil auch auf besseren Motiven. Vielleicht bestimmt diese Anfrage einen der mit oder ohne Ziel Reisenden zu einem Spaziergang nach Gerasa und Rabbath Ammon.

THEODOR MOMMSEN.

DAS MÄDCHEN VON OBERKIRCH.

EIN DRAMATISCHER ENTWURF GOETHES.

AUF der deutschen Bühne hat das Mädchen von Orléans hohe Triumphe gefeiert, und dem Kenner des älteren Repertoirs ist in den Niederungen wohl auch ein Mädchen von Marienburg begegnet; ein Mädchen von Oberkirch jedoch tritt nun zum ersten Mal aus lang umschattendem Archivgewahrsam vor die Welt, als eine vom Dichter nur in leichten Umrissen angedeutete Gestalt, die den Forscher lockt, sie festzuhalten, um ihr das dämmerhafte Schicksal abzufragen, aber solchem Verhör sich entwindet, ohne eine volle Kunde zu hinterlassen. Was, vor etwa hundert Jahren bedacht, flüchtig skizzirt und in der ausführenden Exposition rasch abgebrochen, jüngst im 18. Bande der Weimarischen Goethe-Ausgabe erschienen ist, giebt einen höchst interessanten Zuwachs zu jener langen Reihe Goethischer Schriften, die der französischen Revolution und ihren deutschen Spiegelungen gelten. Im Vorhof der gewaltigen Bewegung steht der "Grosscophta" Cagliostro: seine Schwindeleien, gipfelnd in dem famosen Halsbandprocesse, konnten nicht, nach dem ursprünglichen Plan, einer komischen Oper dienen, sondern thun als geistreiches, scharfes, bängliches Schauspiel unter leichter Verhüllung der Tatsachen und Personen einen Abgrund von Torheit, Frivolität und Lastern auf, und "diese Zeit hat fürchterliche Zeichen." Dann hat Goethe dem Ausbruch der Revolution und ihren grossen Acten von seinem stillen Weimar aus, im unseligen Heereszug der Alliirten und wieder daheim mit stetem, unverhohlenem Grimm zugeschaut und erst spät bekannt, diesem Hass gegen alle Revolutionen seien die wohltätigen Folgen der französischen noch

nicht erkennbar gewesen, in Deutschland aber habe man künstlich erzeugen wollen was in Frankreich als grosse Notwendigkeit erscheine. Er hatte keinen Umschlag von Liebe und Hass, Bewunderung und Abscheu, Preis und Schelte durchzumachen wie andere deutsche Dichter, verfolgte den Gang der Ereignisse aber auch nicht mit der kühlen Klugheit des Politikers Wieland, der in denkwürdigen prophetischen Worten zuerst die Bahn des Consul Bonaparte zum Thron hinan vorauszeichnete. Drei Tendenzen bestimmen Goethes völlige Verurteilung der Revolution: seine in der langen Windstille erwachsene Ansicht von der rechten Ordnung, den unverbrüchlichen Aufgaben und Leistungen der Stände, die nun eine sich nicht allmählich entwickelnde, sondern jäh umstülpende Gleichmacherei durcheinander rütteln wollte; sein trotz eigener tüchtiger staatsmännischer Arbeit den Staat and das Vaterland miskennendes Weltbürgertum, das die Deutschen aufforderte, den vergeblichen Hoffnungen auf nationale Ausbildung zu entsagen und sich dafür lieber zu freien Menschen nach dem Ideal der classischen Humanität und æsthetischen Erziehung zu bilden; endlich die tiefe, schon einzelnen Geistesaristokraten des Reformationszeitalters keineswegs fremde Besorgnis, der tumultuarische Braus und Kehraus werde unsere besten Kräfte in Kunst und Wissenschaft schädigen, ja zerstören. Scheut doch sein Quietismus die Vergleichung nicht:

Was das Luthertum war, ist jetzt das Franztum in diesen
Letzten Tagen, es drängt ruhige Bildung zurück ;

und ruhige Bildung blieb das Palladium, das EpimenidesGoethe während der langen Kriegsläufte im Stillen rein empfindend bewahren wollte. Sein Standpunkt fordert nicht Lob noch Tadel, er muss begriffen werden. Unmittelbar hat Goethe sich am deutlichsten ausgesprochen, als er im Venezianischen Buche des Unmuts einige Plänkler entsandte und dann in den Xenien einen Schwarm leichter Truppen den roten Mützen, den Freiheitsaposteln, den Aristokraten in Lumpen, den Sansculotten mit Epauletten und Stern über den Hals schickte, jeder deutschen Sympathie und Propaganda wehrte, seine massvollen Ansichten über die Pflichten der Hohen und Niedern epigrammatisch ausprägte, gelassen den braven Bürger als Pfeiler des Staates bezeichnete,

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