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sische Jahrhunderte lang gar keine Lyrik und selbst nach dem erfolggekrönten Aufstande der Romantiker gegen die klassischen Nachtmützen, eine fast in denselben Fesseln wie seit Malherbe sich abzappelnde Lyrik haben sollte. Jede Erlösung aus diesem Joch, musste mit Freude begrüsst werden. So dachte ich damals, als ich von Weitem den Höllenlärm vernahm, den die jungen Revolutionäre der Lyrik nach der berechtigten Art aller Revolutionäre anhuben. Aber als ich mich in den Lärm hineinbegab und die einzelnen Stimmen. zu unterscheiden suchte, da ward mir zu Mut wie dem armen Ding im Blaubart, das zum Turm hinaufruft: "Schwester Aennchen, siehst Du noch immer nichts ?"-und der zur Antwort wird: "Nein, ich sehe nur den Staub, der stäubt."

Nach wenigen Jahren wird die ganze Bewegung der Dekadenten und Symbolisten in sich zusammengesunken sein durch die Gleichgiltigkeit und die Langeweile des Publikums und der Presse, die von Anfang an nur getan haben, was sie immer mit einer neuen Mode tun. Es wird eine neueste Mode kommen, kein Mensch kann voraussagen, wie toll sie sein wird; aber so lange sich eine solche Lebensfrage wie die nach dem Vorhandensein einer echten Lyrik nach wechselnden Moden in Frankreich regelt, braucht sich der Litterarhistoriker der Gegenwart um die französische Lyrik nicht zu kümmern.

EDUARD ENGEL.

EINE NEUE ART, VON STRAHLEN.

WOL selten hat eine wissenschaftliche Entdeckung mit ähnlicher Schnelligkeit das Interesse weitester Kreise des Publikums erobert wie die jüngst gemeldete Beobachtung einer "neuen Art von Strahlen" durch den Würzburger Professor C. W. Röntgen. Seit den ersten Tagen des neuen Jahres berichten die Zeitungen zunächst über die Versuche von Röntgen selbst, dann über die zahlreichen Wiederholungen seitens der Gelehrten aller Länder, bald über Erfolge, welche der operirende Arzt der neuen Entdeckung verdankt. Der deutsche Kaiser ladet den Entdecker zum Vortrag nach Berlin, und in den Schaufenstern der Buchhandlungen erscheinen Photographien, die mit den neuen Strahlen hergestellt, durch ihre Eigenart die Blicke des Publikums fesseln. Und doch liegt selbst den Fachkreisen nichts anderes vor, als eine kurze, 10 Octavseiten umfassende Veröffentlichung Röntgens in den Sitzungsberichten der Würzburger physik.- medic. Gesellschaft, gezeichnet vom December 1895, daneben die erwähnten Photographien, deren eine, eine menschliche Hand darstellend, in welcher man sharf und deutlich den ganzen Knochenbau mit seinen Gelenken erblickt, allerdings geeignet ist, den Blick zu bannen, die Wissbegier wachzurufen, die Phantasie zu entfesseln.

Doch vergessen wir für einen Augenblick diese Ergebnisse, um an dllbekanntes anknüpfend den weiten Weg zu verfolgen, auf dem die Forschung sie erreichte.

Verbinden wir die Pole einer Elektrisirmaschine mit zwei einander in wenigen Centimetern Entfernung gegenüberstehenden isolirten Metallkugeln, so springen, während die Maschine arbeitet, hellglänzende Funken unter heftigem Knattern zwischen ihnen über; stellen wir der elektrischen

Entladung einen zweiten ähnlichen Weg zur Verfügung, so wält sie dasjenige Kugelpaar, dessen gegenseitiger Abstand der kleinere ist. Dieses Verhalten ändert sich, wenn das eine Kugelpaar wie bisher in der atmosphärischen Luft bleibt, das andere in einen luftverdünnten Raum gebracht wird. Zu diesem Zweck denken wir uns das zweite Kugelpaar in ein Glassgefäss (das elektrische Ei) luftdicht eingesetzt, und das Glasgefäss in Verbindung mit einer Luftpumpe gebracht, welche die höchsten Luftverdünnungen ermöglicht. Nehmen. wir an, das Kugelpaar in freier Luft habe eine Entfernung von 1cm von einander, dasjenige im Glasgefäss eine solche von 10cm. Bevor die Luftpumpe zu arbeiten beginnt, findet die Entladung ausschliesslich zwischen dem ersteren Paar in Form der Funken statt. Beginnt aber die Verdünnung der Luft im Glasgefäss, so ändert sich das Verhältnis; nach einiger Zeit werden die Funken unregelmässiger, und wenn sie aussetzen, beobachtet man zwischen den Kugeln im Glasgefäss eine Lichterscheinung, die anfangs auf die Verbindungslinie der Kugeln beschränkt, bei weiterer Verdünnung an seitlicher Ausdehung gewinnt und zugleich stetiger wird. Die elektrische Entladung findet jetzt einen geeigneteren Weg zwischen den weit von einanden entfernten Kugeln im luftverdünnten Raum, als zwischen den nur wenig von einander abstehenden Kugeln in der freien Luft; die Funken zwischen diesen bleiben aus. Wird die Verdünnung immer weiter getrieben, so ändert sich ständig das. Aussehen der Entladung im Glasgefäss und zeigt eine Reihe von Erscheinungen, die durch ihre zarten Formen und prächtigen Färbungen zu den schönsten der Physik gehören und deshalb häufig auch einem Laienpublikum vorgeführt werden. Hierbei tritt mit fortschreitender Verdünnung ein scharfer Unnterschied zwischen den beiden Kugeln im Glasgefäss hervor. Von der mit dem positiven Pol der Elektrisirmaschine verbundenen Kugel, welche man die Anode nennt, fluthet unmittelbar ein zartrosa gefärbtes Licht aus, fast den ganzen Querschnitt des Glasgefässes erfüllend, die andre Kugel, die Kathode genannt, zeigt sich von einer dünnen Lichthaut überzogen; an diese grenzt eine dunkle Schicht von der gleichen Form wie die Kathode selbst, in unserm Fall also

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kugelförmig (der dunkle Kathodenraum); von dem äusseren Rand desselben geht das bläuliche Kathodenglimmlicht dem von der Anode ausgehenden Licht entgegen. Wir werden im Folgenden nur noch von Anode und Kathode sprechen und bemerken, dass denselben die mannigfachsten Formen gegeben werden können, wie auch die Form des elektrischen Eis durch irgendwelche, den Versuchszwecken angepasste Form des Glassgefässes ersetzt werden kann (Geisslersche Röhren); bei den bisher besprochenen Entladungsarten geht dieselbe etwaigen Krümmungen des Glasrohres folgend zwischen Anode und Kathode vor sich. Nähert sich aber die Verdünnung der Luft der Grenze des mit unsern Mitteln erreichbaren, so treten neue Erscheinungen auf. Die geschilderten Lichtgebilde werden matter und verlieren an Ausdehnung; dagegen gehen von der Kathode Strahlen aus, in allen Richtungen senkrecht zur Oberfläche derselben, unbekümmert um die Stellung der Anode. Diese Strahlen, die Kathodenstrahlen, durchsetzen den dunklen Raum eben so gut wie die leuchtenden Teile der Entladung und erreichen ihr Ende dort, wo sie bei ihrem gradlinigen Fortgang auf die Glaswand treffen; die Glaswand reflectirt sie nicht, wird aber unter ihrer Wirkung selbstleuchtend, die gewöhnlichen Glassorten in hellgrüner Farbe (Fluorescenz); ähnliche Fluorescenzerscheinungen rufen die Kathodenstrahlen bei ihrem Auftreffen auf viele andre Körper hervor; besonders stark leuchtet unter ihrer Wirkung ein Doppelsalz des Platin und Barium, das Bariumplatincyanür. Andre Körper, z. B. die Metalle, verschlucken die Kathodenstrahlen; bringt man innerhalb des Rohres ein Metallstück in ihren Weg, so wird der auf dieses fallende Teil der Kathodenstrahlen vernichtet, und auf der dahinterliegenden fluorescirenden Glaswand hebt sich das dunkle Schattenbild des Metallstücks in scharfen Umrissen ab (Crookes'sche Röhren). Die höchst merkwürdigen Eigenschaften der Kathodenstrahlen sind besonders von Hittorf (1869 und 1879), Goldstein (1879 und 1880) und Crookes (1879) untersucht worden. Ausser von der Fluorescenzerregung haben wir schon von dem senkrechten Austritt der Kathodenstrahlen aus der Kathodenoberfläche und der gradlinigen Fortpflanzung gesprochen,

Mit Hilfe der ersteren kann man die Kathodenstrahlen concentriren; so benutzte Goldstein als Kathode ein Blech, welches die Form eines Stücks Kugeloberfläche hatte: Die Kathodenstrahlen treffen sich im Kugelmittelpunkt ; sie entwickeln bei der Concentration eine so grosse Hitze, dass man in diesem Punkt Metallstücke zum Schmelzen bringen kann. Ein von aussen dem Glasrohr genäherter Magnet lenkt die Kathodenstrahlen aus ihrer gradlinigen Bahn ab, wodurch ein Mittel gegeben ist, beliebige Punkte des Glasgefässes von ihnen treffen zu lassen. Uebrigens ist bei den Verdünnungen der Luft, bei denen die Kathodenstrahlen auftreten, der Uebergang der Entladung durch den luftverdünnten Raum wieder erheblich erschwert; um kräftige Wirkungen zu erzielen, ersetzt man deshalb die Electrisirmaschine mit Vorteil durch den Inductionsapparat. Hat man neben dem Weg durch den luftverdünnten Raum noch die früher benutzten Kugeln im Abstand von Icm. stehen lassen, so zieht die Entladung bei fortschreitender Verdünnung wieder den Uebergang zwischen diesen vor, und man muss den Abstand zwischen ihnen vergrössern, um die Entladung im luftverdünnten Raum zu erhalten; hiermit ist ein Mittel gegeben, die geeignete Verdünnung für recht wirksame Kathodenstrahlen zu controliren; selbst die feinsten Methoden zur Luftdruckmessung reichen hier nicht mehr aus.

Man hatte bis vor kurzem angenommen, dass die Kathodenstrahlen keinen festen Körper durchdringen könnten. Erst der ausgezeichnete Physiker H. Hertz, dem die Wissenschaft namentlich auf dem Gebiet der Elektricität und des Lichtes trotz seines frühen Todes so Ausserordentliches verdankt, beobachtete im Jahr 1892, dass sehr dünne Blättchen aus Aluminium die Kathodenstrahlen hindurchlassen. Auf diese Beobachtung gestützt, liess einer seiner Schüler, Lenard, die Kathodenstrahlen durch ein kleines Fensterchen von wenigen Quadratmillimetern Oeffnung, das mit dünner Aluminiumfolie bedeckt der Kathode gegenüberstand, aus der erzeugenden Röhre austreten und untersuchte ihre Eigenschaften. Er fand ein Gesetz, das für die Theorie von der allergrössten Bedeutung sein dürfte. Als er nämlich die aus dem Rohr getretenen Strahlen durch verschiedene Stoffe

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