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worfenen 3 Mitglieder dieser Familie, obwohl fortwährend der Infectionsgefahr von eben diesem Patienten ausgesetzt, von der Krankheit verschont blieben. In den Familien M. und L. No. 9 und 10 der Tabelle kam im Jahre 1886 und 1887 öfters Diphtherie vor. Einmal erkrankten Mutter und Dienstmädchen der Familie No. 9, aber die beiden der Prophylaxe unterworfenen Kinder 9-10 blieben verschont, trotzdem sie nicht isolirt wurden, und hatten während der ganzen Dauer der Versuchsperiode weder einen gerötheten Rachen, noch einen länger dauernden Nasenausfluss.

Epikrise.

Wenn dieser Bericht auch nicht gerade den strengen Beweis dafür liefert, dass methodische Reinigung der Mund und Nasenhöhle mittelst antiseptischer, nicht irritirender Lösungen als Schutzmittel gegen Diphtherie wirkt, so lässt er doch mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass ein solches Vorgehen in vielen Fällen eine wirksame Prophylaxe darstellt.

Vorstehende Beobachtungsreihe wurde im Januar 1888 der New Yorker Academy of Medicine mitgetheilt und erschien im Februar 1888 im "Medical Record" im Druck. Meine Beobachtungen über die Wirksamkeit der Nasenrachentoilette sind nicht unbeachtet geblieben. Kurz nach der Publication derselben erhielt ich vom Chef des Bureaus für Infectionskrankheiten in New-York die Mittheilung, dass die Gesundheitsbehörde von nun ab die prophylaktischen Gurgelungen den Bewohnern derjenigen Häuser empfehlen werde, in welchen das Auftreten eines Falles von Diphtherie der Behörde zur Kenntniss kommen würde.

Dr. J. H. HANCE von New-York berichtete im Januar 1890 in der Section für Kinderheilkunde der New-Yorker Academy of Medicine, dass er seinen Dienst als Hausarzt am Nursery und Child's Hospital, New-York, im December 1887 antrat und zwar am Ende einer Diphtheritis-Epidemie, welche 18 Opfer gefordert hatte. Lectüre meiner ersten Mittheilung über persönliche Prophylaxe wurde er veranlasst, Verhütungsmassregeln in obiger Anstalt einzuführen. Mittelst Spray und Abwaschung mit Kali chloricum- und Borsäurelösung wurden allen Kindern der Rachen, die Mundhöhle und die Zähne mehrmals täglich gereinigt. Während seines Dienstes von 35 Monaten ist in dieser Anstalt die Diphtherie nicht wieder epidemisch aufgetreten, obgleich sporadische Fälle zur Beobachtung gelangten und im ganzen 8 Todesfälle in Folge von Diphtherie in 3 Jahren vorkamen. HANCE glaubt, dass diese auffallende Immunität in einer Anstalt, in welcher nie unter 200 Kinder verpflegt werden, zum grossen Theil der prophylaktischen Behandlung zuzuschreiben ist, und dass dieses Verfahren speciell den Laien zu empfehlen ist, weil bei systematischer Anwendung desselben eine beginnende Halserkrankung frühzeitig entdeckt und somit auch frühzeitig Isolirung und Behandlung eingeleitet wird.

In der Kinder-Abtheilung des N. Y. Post Graduate Hospital, in welcher ich seit Jahren eine leitende Thätigkeit ausübe, befinden sich im Durchschnitt 30 Kinder im Alter bis zu 5 Jahren. Die Patienten dieser Anstalt kommen direct aus inficirten Stadttheilen und Wohnungen, doch während meiner gesammten Dienstzeit ist mir kein Fall von Diphtherie in den "Babies Wards" zur Beobachtung gekommen. Diese Immunität ist meines Erachtens der Nasenrachentoilette und Ueberwachung des Nasenrachenraumes und der Mundhöhle der Kinder zuzuschreiben.

Seit Veröffentlichung der vorläufigen Mittheilungen über individuelle Prophylaxe habe ich die Toilette des Nasenrachenraumes in einer grossen Anzahl von Fällen angeordnet und mich auch ferner von ihrer Wirksamkeit überzeugt. Ich unterlasse es jedoch, eine grosse Anzahl von Fällen vorzuführen wegen der Schwierigkeit der genauen wissenschaftlichen Ueberwachung derselben.

Ueber die Wirksamkeit der Nasenrachentoilette als prophylaktischen Verfahrens gegen Diphtherie bei allen acuten Krankheiten, welche mit Hyperämie der Schleimhäute der oberen Luftwege complicirt sind, speciell bei acutem Nasenrachencatarrh, bei Masern, Scharlach und Keuchhusten, habe ich im Laufe der letzten 8 Jahre ebenfalls ausgedehnte Beobachtungen gemacht und meiner Ueberzeugung nach bei obigen Krankheiten recht oft die diphtherische Infection verhindert, indem ich schablonenmässig in jedem derartigen Falle alle zwei Stunden einen Theelöffel voll warmer Kochsalz oder Borlösung in die Nase eingiessen liess. Es ist dies ein neuer Gesichtspunkt in der Behandlung der genannten Krankheiten, auf den ich ganz specielles Gewicht lege.

Ferner empfiehlt es sich aus naheliegenden Gründen, Kinder, welche längere Zeit mit Laryngitis oder Bronchitis behaftet sind, aus einer mit Diphtherie inficirten Nachbarschaft zu entfernen, da nur auf diese Weise die eventuelle Infection der unteren Luftwege (Croup) zu vermeiden wäre und bei der Tonsillotomie speciell liegt die Gefahr einer Antiinfection mit Coccen oder Bacillen, welche latent in der Mundhöhle verweilen, recht nahe.

Eine tabellarische Uebersicht meiner Resultate in dieser Hinsicht kann ich aus naheliegenden Gründen nicht vorführen. Dass gelegentlich auch eine passive Hyperämie der Schleimhaut bei Circulationsstörungen eine Disposition zur Diphtherie abgiebt, ist mir aus verschiedenen Beobachtungen durchaus wahrscheinlich. Ein älteres Mädchen mit Mitralstenose, welches alljährlich 2 bis 3 mal an Diphtherie litt und im Ganzen mehr als 10 mal daran erkrankt war, übte, auf meine Veranlassung hin, eine strenge Nasenrachentoilette. Sie bekam dann während 2 Jahren nicht einmal Diphtherie. Im Frühjahr 1888 musste sie wegen Herzinsufficienz und Lungenstauung zwei Monate im Bette verbleiben, wobei die prophylaktischen Maassregeln als zu beschwerlich unterlassen wurden. In der fünften Woche ihres Bettaufenthaltes bekam sie bei vorher normaler Temperatur und gutem Allgemeinbefin

den Diphtherie und war acht Tage schwer krank. Eine fernere Beobachtung ist die, dass Kinder, welche öfter an Diphtherie erkrankten, auch in der krankheitsfreien Zeit eine mehr als normal geröthete Schleimhaut des Rachens darboten. Nach längerem Gebrauch der Nasenrachentoilette wurde und blieb die Schleimhaut blasser, als zuvor.

Das individuelle Schutzverfahren, welches nach meiner persönlichen Erfahrung praktisch ausführbar ist, wäre das Folgende: Kinder, welche in Gegenden wohnen, woselbst Diphtherie endemisch ist, sollten vom neunten Monate an zweimal täglich einen Theelöffel voll lauwarmer Kochsalz- oder Borsäurelösung mittelst Löffels bei offenem Munde in der Rückenlage in die Nase eingeträufelt bekommen. Je nach Indication können andere Flüssigkeiten benutzt werden. Bei sehr jungen Kindern scheint die Nasenrachentoilette wegen der Seltenheit der diphtheritischen Infection überflüssig.

Zur systematischen Reinigung des Rachens und der Mundhöhle eignet sich der Spray oder das Gurgeln; das frühzeitige Erlernen des Gurgelns ist für Kinder von Wichtigkeit. Forcirte Einspritzungen in die Nase sind zu verwerfen. Niemals habe ich Otitis media als Folge der von mir empfohlenen Massregel des Eingiessens in die Nase bei offen gehaltenem Munde beobachtet, ich neige sogar zu der Ansicht, dass die Nasenrachentoilette bei acuten Infectionskrankheiten die Gefahr einer Otitis media vermindert.

Bei Vorhandensein von cariösen Zähnen, adenoiden Vegetationen, sehr grossen Tonsillen, ist das prophylaktische Verfahren weniger zufriedenstellend, als bei Fehlen obiger Zustände. Cariöse Milchzähne der Kinder sollen deshalb extrahirt oder gereinigt und plombirt werden, und obstruirende Hypertrophien im Nasenrachenraum müssen operativ entfernt werden.

Nachträglich sind mir noch zwei Mittheilungen über die Prophylaxe der Diphtherie zu Gesicht gekommen, welche meine Schlussfolgerungen wesentlich bekräftigen und unterstützen. Dr. JOHANSEN berichtet in der St. Petersburger Med. Wochenschrift, dass er seit Jahren in seiner Praxis die prophylaktischen Einträufelungen von schwacher Kalihypermanganicum-Lösung bei Kindern empfehle. Er lässt die Lösung Abends vor dem Schlafengehen einträufeln und ist persönlich fest davon überzeugt, dass dieses Verfahren die diphtheritische Infection zu verhindern im Stande ist. Ferner ist mir eine populäre Schrift zu Gesicht gekommen ,,Ueber die Verhütung der Diphtherie" von Dr. ZIEM in Danzig 1887, welcher behauptet, dass die Eiterung der Nasenschleimhaut zur Erkrankung des Rachens und der Mandeln die Veranlassung abgeben könne. Er sucht die Disposition zur Diphtherie in einer bestehenden Erkrankung des Nasenrachenraumes und empfiehlt als Prophylaxe der Diphtherie die operative Behandlung des Nasenrachen-Catarrhs oder die Durchspülung des Nasenrachenraumes mit unschädlichen Flüssigkeiten. Er giebt nicht an, welcher Art von Flüssigkeiten er sich bediente, sagt jedoch zum Schluss, dass er Beispiele aufführen könne, wo früher öfter aufgetretene Halsentzündungen nach

regelmässiger, Tag für Tag wiederholter Ausspülung und Säuberung der Nasenhöhle vollständig ausgeblieben waren.

Résumé.

1. Die Verhütung der diphtheritischen Infection lässt sich durch gewisse prophylaktische Massregeln praktisch durchführen.

2. Um dieses zu erreichen, ist die tägliche Inspection der Schulkinder erforderlich und ausführbar.

3. Bei der Unzulänglichkeit der municipalen Ueberwachung tritt die individuelle Local-Prophylaxe in den Vordergrund.

4. Eine gute und wirksame Prophylaxe besteht in einer regelmässigen, Tag für Tag fortgesetzten Nasenrachentoilette mittelst schwacher antiseptischer Lösungen. (Mechanische Antisepsis.)

5. Katarrhalische und hyperplastische Processe des Nasenrachenraums, sowie cariöse Zähne begünstigen die diphteritische Infection und erfordern energische Behandlung.

6. Die Nasenrachentoilette ist indicirt

1. bei gesunden Kindern nach dem 9. Monat, speciell bei Kindern, die der diphtheritischen Infection ausgesetzt sind, und

2. in jedem Fall von Nasenrachenkatarrh, Keuchhusten, Scharlach und Masern und vor und nach der Tonsillotomie.

185 2d Avenue.

II.

Ein Wort über Appendicitis acutissima!

Meine Herren!

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Von

Dr. F. LANGE.

Eine kleine Abhandlung über Perityphlitis aus dem Jahre 1891 (März-Nummer der New Yorker Med. Monatsschrift) schliesse ich mit den Worten: ‚Hätten wir nur ein Mittel, die diffusen, septischen Fälle so früh zu differenziren, dass wir rechtzeitig dagegen einschreiten könnten, so würden wir der Krankheit in allen ihren Intensitätsgraden siegesgewiss entgegentreten können." Wenn wir dessen eingedenk bleiben, dass es sich in diesen extremen Fällen um Vergiftungszustände handelt, bei denen proportional der gesteigerten Aufnahme des Giftes die Gefahr für das Leben wächst, so wird es, theoretisch gedacht, einen Zeitpunkt geben, in welchem eine Operation die Lebensgefahr beseitigen kann, wenn sie die weitere Einverleibung des Giftes verhindert, und der operative Angriff an sich keine unmittelbar deletären Folgen hat. Es ist der Zweck der folgenden Demonstra. tionen und der sich daraus ergebenden Consequenzen, Ihnen die ganze Wichtigkeit der Wahrnehmung dieses richtigen Zeitpunktes darzulegen. Vielleicht werden Sie, gleich mir, die Ueberzeugung gewinnen, dass genaue und gewissenhafte Beobachtung und rechtzeitiges energisches Einschreiten uns doch oft in die Lage setzen kann, mit Erfolg diesen schweren Formen zu begegnen.

Fall I. Am 1. Februar erkrankte der bis dahin gesunde und kräftige 17-jährige Sohn unseres Collegen J. ASCH mit Leibschmerzen in der Magengegend. Es bestand Brechreiz mit Würgebewegungen aber ohne eigentliches Erbrechen. Puls und Temperatur waren bis zum Abend normal. Man nahm eine einfache Indigestion als Ursache an.

Nachts um 4 Uhr Schüttelfrost, dabei Temperatur in recto 101,2, Puls 140. Nach einer Morphininjection Abfall des Pulses auf 100, wogegen die Temperatur auf 102 stieg. Gegen 9 Uhr früh abermals leichterer Schüttelfrost. Temperatur 103. Um 11 Uhr Vormittags, also 8 Stunden nach der ernsteren Erkrankung, sah ich den Patienten. Er hatte bei einer Temperatur von 103 einen Puls von 120. Die Gegend des Appendix und nach dem Rande des kleinen Beckens hin war sehr mässig druckempfindlich. Subjective Klagen sehr gering. Abdomen nicht aufgetrieben. Der Fall sah mir bedenklich aus und ich

Anmerkung. Nach einem mit Demonstrationen einschlägiger Präparate verbundenen Vortrage in der Sitzung der Deutschen Medicinischen Gesellschaft vom 5ten Februar 1894.

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