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unverändert. Nirgends motorische Paresen, aber eine grosse Unbeholfenheit und Schwerfälligkeit. Der Gang schwer, schleppend, eigenthümlich watschelnd. Die Sprache klang mir stets so, als wären ihre Sprechwerkzeuge halb eingefroren, manchmal war sie kaum verständlich. Die Stimme ist tief und rauh. Lunge und Herz und alle sonstigen Organe gesund. Temperatur niemals unter 98 F., Puls durchschnittlich 82. Klagt oft über Kopfweh. Intelligenz langsam aber gut, das Aussehen aber ist sehr stupid, die Bezeichnung „cretinoid" sehr passend. Gedächtniss beträchtlich gelitten; „gib mir nicht soviel Geld," pflegte sie zu ihrem Manne zu sagen,,,ich weiss nicht, wo ich es lasse." Sie ist stets sehr reizbar, verdriesslich. Andererseits konnte sie stundenlang auf einem Flecke apathisch da sitzen, nach einer Richtung hinstarrend; des Unleidlichen dieser Lage war sie sich bewusst, ohne es jedoch überwinden zu können. Sie fürchtet sich allein zu sein, sie glaubt oft, Ratten und Mäuse herumlaufen zu sehen, sucht oft nach ihnen. Sie hört auch allerlei Stimmen, Nachts hört sie oft die Glocke klingeln, Menschen im Hause herumgehen und hat keine Ruhe, bis ihr Mann nachgesehen hatte. Sie hat aber keine fixen und keine Verfolgungsideen. Sie ist sich bewusst, dass sie Illusionen und Hallucinationen hat, kann sich dennoch deren nicht erwehren. Sie kann kaum irgend eine Thätigkeit in ihrem Haushalte richtig besorgen - der ganze Zustand war ein unerträglicher. Zeitweise besserte er sich, aber die Besserung war nur von kurzer Dauer.

Unsere Kranke zeigte, wie ich glaube, einen vollendeten Typus des Myxoedem. Die einzigen Abweichungen bestehen in der normalen Temperatur und dem beschleunigten Pulse. In den meisten der berichteten Fälle ist die Temperatur mehr oder weniger subnormal und der Puls verlangsamt angegeben. Es kommt eben nicht auf das einzelne Symptom an, es ist die Summe der Symptome, der Gesammteindruck, der entscheidet. Wer einmal einen Fall von Myxoedem gesehen hat, der wird diese Krankheit wohl stets wiedererkennen, wenn er nur an sie denkt. Die Verwechselung kann eigentlich nur mit Nephritis geschehen, und da sind, wie ich glaube, reichlich Symptome vorhanden, die uns zur Differential-Diagnose dienen können.

Das Oedem ist ein ganz anderes; es behält keinen Fingerdruck und lässt sich nicht wegmassiren. Ich glaube auch, dass die Haut bei Nieren- und Cirkulationsoedem viel gespannter und glatter ist als bei Myxoedem, wo sie noch Fältchen zeigt und rauh und rissig ist. Dann kommt die Vertheilung des Oedems über den Körper. Bei Nieren hält sich das Oedem an den abhängigen Stellen des Körpers, das Myxoedem hingegen macht keinen solchen Unterschied, die obere Körperhälfte ist mindestens so geschwollen wie die untere, das obere Augenlied wie das untere, u. s. w. Charakteristisch für Myxoedem sind die Geschwulstmassen oberhalb der clavicula. Lange noch vor der Myxoedemzeit hat HILTON FAGGE auf das Vorkommen dieser Geschwülste bei Cretinen hingewiesen. Ferner ist die Unfähigkeit zu schwitzen ein gutes Unterscheidungs-Merkmal. Nierenkranke zum

Schwitzen zu bringen gehört gewiss doch nicht zu den Unmöglichkeiten, da dies Vorhaben doch ein konstantes Desideratum in der Nierentherapie ist. Auch das stupide, cretinoide Aussehen der Myxoedematösen hat etwas Charakteristisches. Dann das Kältegefühl. Nephritiker klagen namentlich bei etwas anstrengenden Bewegungen eher über Hitze als über Kälte. Schliesslich geben noch die Urinmenge und das spezifische Gewicht einen Anhaltspunkt. Bei Myxoedem ist der Urin niemals so wenig wie bei parenchymatöser und niemals so viel wie bei interstitieller Nephritis. Wenn parenchymatöser Nephritis solche kolossale Oedeme aufzuweisen hat wie sie bei Mxyoedem vorkommen, dann ist die Urinmenge weit unter ein Liter gesunken, und das spezifische Gewicht ist dann stets über der Norm; während bei Myxoedem die Harnmenge niemals so gering wird, und dabei bleibt das spezifische Gewicht stets ein wenig unter der Norm. Bei sehr vorgeschrittenen Fällen von Myxoedem treten freilich ernste Destruktionsprozesse in den Nieren auf und dabei sollen in den letzten Lebenstagen die Myxoedem-Symptome beträchtlich abnehmen. Die Diagnose kann da vielleicht wirklich recht schwer werden. Solche Fälle sind indessen nur in sehr geringer Zahl berichtet worden und rühren alle her aus der ersten Zeit der Entwickelungsepoche der Lehre vom Myxoedem. Jetzt wird man wohl die Kranken weder diagnostisch noch therapeutisch so weit kommen lassen!

Ich bin auf die differential diagnostische Auseinandersetzung etwas näher eingegangen, weil ich in der Litteratur, die ich Zeit und Gelegenheit fand zu lesen, sie nirgends erörtert gefunden habe.

Ich habe die bemessene Zeit schon zu viel überschritten, um noch auf die Entstehungsursache oder die pathologische Anatomie des Myxoedems eingehen zu wollen. Uebrigens sind beide noch sehr unreife Kapitel. Ich will nur noch von der Behandlung meines Falles berichten.

Die Behandlung begann am 23. November 1893 und bestand in der Verabreichung per os von pulverisirter Schafs-Schilddrüse, die von Parke, Davis & Co. bezogen worden ist. Fünfzehn Gran dieses Pulvers entsprechen einem Drüsenlappen. Das Pulver wurde in Kapseln verabfolgt. Ich begann mit 5 Gran täglich für die ersten drei Tage und liess jeden vierten Tag um einen Gran mehr nehmen. Das war freilich ein sehr bescheidenes Beginnen. In manchen Berichten liest man sogar von 10 Gran drei Mal des Tages als Initial-Dose. Man muss aber eingedenk sein, dass bei der subkutanen Applikationsweise zwei Todesfälle vorgekommen sind. Und wenn auch bei der Darreichung per os, soweit ich weiss, keine lethalen Ausgänge vorgekommen sind, so sprechen doch recht viele Autoren von bedrohlichen Zufällen, die bei stärkeren Dosen vorkamen. Ich zog es daher vor, recht vorsichtig voranzugehen. Bereits nach zwei Tagen war die Patientin sicher, das sie sich besser befinde, sie konnte ihre Augen weiter öffnen. In einer Woche jedoch hat jeder die an ihr stattfindende Veränderung wahrnehmen können. Die oedematöse Schwellung

nahm überall ab, die Haut wurde runzelig und schilferte ab. Die Stimmung wurde besser, und die Patientin fing an, sich um den Haushalt zu kümmern. Auch der frühere Kopfschmerz hatte aufgehört. Die Patientin meinte bereits dann, wenn sie vorher in einem solchen Zustande gewesen wäre, sie hätte dann gewiss keinen Arzt konsultirt. Die Besserung nahm beständig zu. Aber Ende der 3. Behandlungswoche zeigten sich manche unangenehme Symptome Alle Glieder schmerzten, die Patientin fühlte sich wie zerschlagen; an

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Fig. 3. Frau N, am 17. Januar 1894, 8 Wochen nach Behandlung mit Schilddrüse. den verschiedenen Stellen der Haut waren Knoten zu fühlen, an den Armen und Beinen zeigten sich blaurothe Striche, dazu kam ein Schmerz im Hinterhaupte, der recht empfindlich war. Die Patientin machte sich aber aus alledem 'nichts. Der Kopfschmerz wurde auf Phenacetin besser, die anderen Klagen besserten sich auch zum Theil, trotzdem die Dose stets gradatim vergrössert wurde. Die Patientin war nicht im Hause zu halten, sie freute sich ihres neuen Daseins. Anfangs Januar wurden die Dosen, gegen meinen Wunsch, in etwas rascherem Tempo gesteigert. Als aber an einem Tage die Dose bis

auf 15 Gran kam, da trat ein kritischer Anfall ein.

Die Frau erbrach ein paar mal, der Appetit verlor sich ganz, die Temperatur, welche vorher nur 2 Mal 100° F. erreichte, stieg auf 101° F., bei einem Pulse von 104; es stellten sich heftige Schmerzen am Hinterkopfe und an den Schläfen ein, und da war auch eine solche Muskelschwäche, dass die Frau sich kaum im Bette umdrehen konnte. Ich setzte die Schilddrüsenbehandlung aus, behielt die Patientin einige Tage im Bette, verabreichte ihr zuerst ein Bittermittel, später bekam sie ein leichtes

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Fig. 4. Frau N. am 24. Februar 1894, 3 Monate nach Beginn der Behandlung.

Eisenpräparat, das sie noch jetzt nimmt, und das ihr offenbar nützlich ist. Die Frau erholte sich nach wenigen Tagen vollkommen und war dann so wohl, wie sie sich nur wünschen konnte. Ich fing die Schild drüsenbehandlung erst dann wieder an, als die Frau nach einer Pause von 12 Tagen etwas verdächtig über Kälte klagte. Seit der Zeit kann ihr jedoch nicht mehr einige Tage nach einander eine grössere Dose verabreicht werden. Zehn Gran per Tag, 3 Tage nach einander verabreicht, brachte wiederum Muskelschwäche und Gliederschmerzen her

vor, die nach 2 Tagen Pause wieder verschwanden. Gegenwärtig nimmt sie 10 Gran jeden 4. Tag. Es ist meine Absicht, ihr in Zukunft einmal in der Woche 15 Gran in einem Tage zu geben.

Die Veränderung, die bereits bis jetzt mit der Frau vor sich gegangen ist, ist eine gewaltige zu nennen. Sie hat 45 Pfund verloren, hat einen ganz normalen Gang und normale Sprache, und sie macht von beiden ausgiebigen Gebrauch. Jetzt, wo die Zunge recht klein aussieht, merkt man, dass auch dieses Organ vorher mässig geschwollen war. Das Zahnfleisch kehrt zur Norm zurück, die Lippen sind von normaler Röthe, kein Speichel fliesst ihr mehr aus dem Munde, dafür kann sie aber jetzt die Nase mit Befriedigung putzen. Die Haut sieht beträchtlich verändert aus; sie hängt stellenweise wie ein loser Sack, ist abgeschuppt und fühlt sich geschmeidig an. Der Haarausfall sistirte erst vor Kurzem, und jetzt schiessen neue Haare überall ein, auch an den Pubes und in der Axilla. In den ersten Wochen der Behandlung wurde das Gesicht mit einem feinen hellen Flaum bedeckt, er ist längst wieder verschwunden. Die Därme funktioniren normal, die Menses treten seit Dezember ganz pünktlich ein. Auch die Geschlechtserregbarkeit, die vorher längst erloschen gewesen ist, soll sich in normaler oder sogar hypernormaler Weise wieder eingestellt haben. Der Urin ist während der Einnahme der Thyreoidea bis auf 3000 Ccm. gesteigert, wobei das specifische Gewicht sogar bis auf 1020 stieg, enthält noch immer Spuren von Eiweis; in den Pausen gehen Menge und Gewicht wieder herunter. Von Kältegefühl ist gar keine Rede mehr, die Frau geht bei Wind und Wetter aus und klagt nie mehr über Kälte. Dagegen war von Schwitzen bis jetzt noch sehr wenig zu sehen. Der Gesichtsausdruck ist total verändert, alle psychischen Störungen sind ganz verschwunden bis auf einen gewissen Grad von Reizbarkeit. Die Frau ist aber stets heiter, singt den ganzen Tag und arbeitet fleissig herum. Die Gesammtveränderung ist eine solche, dass keine ihrer früheren Bekannten sie wieder erkennen. Doch sind noch Haufen oder richtiger Häufchen von oedematösen Massen an einzelnen Stellen des Körpers vorhanden, so an den Hüften und am Nacken; doch ist zu erwarten, dass auch dieser Rest in den nächsten paar Monaten verschwinden wird. Von anderen gebesserten Myxoedematösen erzählen die Autoren, dass die Patienten nach der Behandlung recht anaemisch bleiben. Von meiner Patientin kann ich es nicht sagen; in den Pausen namentlich sieht sie sehr wohl aus. Ob die Mässigung in der Behandlung oder die Verabreichung von Eisen etwas zu diesem günstigen Resultate beigetragen haben, vermag ich natürlich nicht zu sagen.

Die Frau ist bereits um 80 Prozent gebessert und wird voraussichtlich in nächster Zukunft völlig geheilt sein, obschon sie ihr Leben lang in jeder Woche 10 bis 15 Gran von einer Thyreoidea wird nehmen müssen !

66 E. 12th St.

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