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Kellerwohnungen zu räumen, und der Armenbevölkerung wird durch die Behörde die kostenfreie Behandlung contagiöser Krankheitsfälle in gut eingerichteten Anstalten anheimgestellt.

Wie verhält es sich nun mit der Diphtherieerkrankung in der Stadt New York? Aus der officiellen Mortalitätstabelle der letzten 15 Jahre ergiebt sich eine Mortalität an Diphtherie von etwa 2,000 Seelen pro Jahr im Durchschnitt.

Die Morbiditätsstatistik wird ebenfalls in officieller Form gegeben, ist aber bei Weitem nicht so zuverlässig, als die eben angeführten Zahlen. Es ergiebt sich also, allen sanitätspolizeilichen Massregeln zum Trotz, für New York eine bedeutende Sterblichkeit an Diphtherie, und die genaue Ueberwachung der Krankheitsfälle würde sicherlich Zahlen aufweisen, welche die Ohnmacht municipaler Controlle einer Grossstadt zu zeigen im Stande wären. Und wie sollen solche Verhältnisse ohne andere Massregeln jemals eine Besserung erfahren? Die Gesundheitsbehörde kann nicht wohl in die persönlichen Rechte des Einzelnen derart eingreifen, um zerfetzte und schmutzige Teppiche, unsaubere Hausthiere u. s. w. aus engen Wohnungen zu verbannen, noch kann sie der arbeitenden Klasse in der Grossstadt durchweg Wohnungen mit Luft und Licht verschaffen. Vollkommen sanitäre Wohnungen sind und bleiben für arbeitende Stadtbewohner ein Ding der Unmöglichkeit, sowohl in unserem Lande, wie in den Grossstädten Europas, woselbst die municipale Ueberwachung durch die Erfahrungen von Jahrhunderten dictirt wird. Meiner Ueberzeugung nach ist die gesundheitsbehördliche Controlle der Diphtherie ebenso unmöglich, wie die der accidentellen Wundkrankheiten, und wir müssen bei Diphtherie ähnlich verfahren, wie die Chirurgen bei Wunden, welche selbst in schmutziger und inficirter Umgebung vor Infection geschützt bleiben, sobald die specifischen Massregeln gegen die Person und die specifische Körperregion gerichtet werden. Ist auch ein Occlusiv-Verfahren an dem gewöhnlichen Ort für diphtheritische Infection ein Ding der Unmöglichkeit, so lässt sich doch indirect Aehnliches erreichen, wie weiter unten ausgeführt werden soll.

Anstellung von Schulärzten.

Ich möchte nun allerdings das Thema über die Ohnmacht der municipalen Ueberwachung der Diphtherie nicht beenden, ohne eine schon öfters vorgeschlagene Reform zu befürworten, welche wesentlich dazu beitragen dürfte, diese Krankheit bedeutend einzuschränken. Es wäre dies die tägliche Inspection der Schulkinder durch Aerzte. Es ist bekannt, dass Infectionskrankheiten in der Schule vielfach übertragen werden, und dass ältere Kinder die ersten Symptome ihrer Erkrankung den Eltern geradezu verheimlichen, um nicht durch Versäumung des Unterrichts in der Klasse zurückzukommen. Diesen grossen Uebelständen wäre sofort durch eine Masseninspection der Kinder in der Frühe vor Beginn des Unterrichts oder auch beim Nachhausegehen abgeholfen. Kinder, welche mit Nasenrachenkatarrh behaftet sind,

oder mit einfacher oder diphtheritischer Angina, mit Hautausschlägen oder Ophthalmo-Blennorrhoea und dergleichen, sollten sofort nach Hause geschickt werden mit einem gedruckten Zettel, welcher den Eltern kurz und bündig mittheilt: „Ihr Kind ist krank, schicken Sie es in ärztliche Behandlung."

Die öffentlichen Schulen der Stadt New York werden von 300,000 Kindern besucht, der tägliche Durchschnittsbesuch beläuft sich auf 157,000. Die Inspection könnte mittelst Anstellung von 300 Aerzten bei mässigem Honorar wohl ausgeführt werden und somit würde durch die Verausgabung einer verhältnissmässig kleinen Summe Geldes ausserordentlich viel Gutes erzielt werden. Dasselbe Verfahren müsste auch für Privatschulen Geltung haben, und es dürfte sich wohl jede Familie eine kleine Erhöhung der Quartalrechnung für ärztliche Inspection der Kinder gefallen lassen.

Indem wir also die Unzulänglichkeit allgemeiner hygienischer Vorschriften behufs Einschränkung der Diphtherie anerkennen und somit auch die Unzulänglichkeit der municipalen Ueberwachung, stellen wir die Frage: Wie kann bei den vielen Chancen für diphtheritische Infection, wie sie in der Grossstadt geboten sind, der Einzelne sich und seine Angehörigen vor Infection schützen? Wir antworten: Am besten durch individuelle Prophylaxe.

Individuelle Prophylaxe.

Wie ausserordentlich karg die individuelle Prophylaxe bei Diphtherie bis auf den heutigen Tag bearbeitet worden ist, mag durch Folgendes erhalten werden:

OERTEL'S Artikel über Diphtherie in der neuesten Ausgabe von ZIEMSSEN'S Handbuch und sein grosses Werk über die Pathogenese der epidemischen Diphtherie enthalten nichts über Prophylaxe, ausser einem kurzen Hinweis auf diätetische Kräftigung der Gewebe und des Körpers. Die folgenden Lehrbücher enthalten ebenfalls nichts über Prophylaxe der Diphtherie: EUSTACE SMITH, Diseases of children. WEST, Diseases of infants and children. DAY, Diseases of children. MEIGS and PEPPER, Diseases of children. RILLIET ET BARTHEZ, Maladies des enfants. VOGEL'S Handbuch. HENOCH's und BAGINSKY'S Lehrbücher. BUCK's Reference handbook of the medical sciences. AUSTIN FLINT erwähnt Isolirung und allgemeine Desinfection. In EULENBURG'S Real-Encyclopädie heisst es, dass prophylaktische Gurgelungen mit antiseptischen Chemikalien Schaden anrichten, speciell Kali hypermanganicum, Essig, Alcohol, Kalkwasser, procentige Carbolsäure, sowie Kali chloricum.

E. SCHOTTIN sagt: „Alle Versuche, die Ausbreitung der Diphtherie durch Prophylaxe zu verhindern, sind fehlgeschlagen." G. F. WACHSMUTH in Berlin spricht von einer Abhärtung der Kinder durch kalte Abreibungen. BILLINGS in Washington sagte 1885:,,Es existiren keine zufriedenstellenden Angaben über den Werth der individuellen Pro

phylaxe gegen Infectionskrankheiten mit Ausnahme der BlatternErkrankungen."

Bei folgenden Autoren finde ich allgemeine Hinweise über den Werth lokaler prophylaktischer Massregeln: MAX GUBE (Leipzig) sagt in einer Monographie: „Eine gesunde Nasenschleimhaut ist ein Hinderniss für die diphtheritische Infection." RIGAUER (Leipzig) sagt: ,,Bei Nasopharyngealkatarrh der Kinder ist der vorhandene Schleim ein guter Nährboden für das diphtheritische Gift, welches dann durch epitheliale Läsionen in den Körper eindringt". F. STECHER (München) schreibt: „Ein gesunder Rachen ist von derselben Bedeutung für die Diphtherie, als ein gesunder Magen für die Cholera." Er empfiehlt Isolirung; Desinfection und das Tragen einer Salicylwattemaske. Staub und Rauch sollen vermieden werden und deshalb auch Teppiche in den Wohnräumen. Kinder sollen durch kalte Waschungen abgehärtet werden und sollen gurgeln, sobald der Hals geröthet erscheint. C. GERHARDT sagt: „Ich hege die Ueberzeugung, dass die Prophylaxe der Diphtherie in der Familie und die öftere Reinigung der Nase und des Rachens mehr Gutes leisten werden, als jede Behandlung". J. LEWIS SMITH empfiehlt in seinem Lehrbuch Isolation und Desinfection der Wohnung und der Kleider. Den Kindern soll öfters der Rachen inspicirt werden; falls derselbe entzündet erscheint, sei eine Einspritzung indicirt. H. FRANCOTTE schreibt: „Es giebt kein wirksames Prophylacticum der Diphtherie ausser frischer Luft und Abhärtung der Kinder, doch können Gurgelungen mit antiseptischen Flüssig. keiten dadurch Gutes stiften, dass sie Fäulnissprodukte wegschwemmen"- COZZOLINO spricht von prophylaktischen Impfungen bei Diphtherie. Allen voran in der Prophylaxe ist A. JACOBI. Von fundamentaler Bedeutung für das Studium der Infectionsprocesse des Nasenrachenraumes ist die schon vor 30 Jahren aufgestellte Behauptung JACOBI's von der Unmöglichkeit der genauen klinischen Auseinanderhaltung zwischen Diphtherie der Mandeln und folliculärer Amygdalitis. Die praktischen Consequenzen dieser Auffassung wurden im Jahre 1886 nochmals in der Controverse zwischen A. JACOBI und B. FRÄNKEL von ersterem genau definirt. JACOBI sagt in seiner Monographie über Diphtherie: „Es giebt Individuen und Familien, welche zur diphtheritischen Infection geneigt sind. - Verhüten ist leichter als curiren. Der Mund und Pharynx eines Kindes sollte stets in Ordnung sein. Bei Pharyngitis und Amygdalitis ist Kali chloricum prophylaktisch indicirt. Die sogenannte lacunäre oder punktförmige Amygdalitis ist verdächtig, gefährlich und contagiös. - Diese Form der Diphtherie trifft man auf der Strasse, in Geschäftshäusern, in der Schule, in der Küche, im Kinderzimmer, in Eisenbahncoupés, mit dieser Form der Diphtherie behaftet küssen die Eltern ihre Kinder u. s. w.

Eigene Versuche.

Im Jahre 1885 unternahm ich eine experimentelle Studie dieses Gegenstandes unter folgenden Prämissen: Da die Infection von aussen

kommt, da eine defecte Schleimhaut die Infection begünstigt, da der Lieblingsort der Localisation der Diphtherie die Schleimhaut des Nasenrachenraumes ist, so muss ein Verfahren, welches die Nasenrachenschleimhaut reinigt und gesund erhält, einen Schutz gegen eine derartige Infection gewähren.

Als Versuchsobjecte wählte ich Kinder und Erwachsene, welche zur Diphtherie disponirten und welche sämmtlich mindestens zwei- bis dreimal wegen diphtheritischer Erkrankung in meiner Behandlung gewesen waren. Es wurde ferner darauf gesehen, nur solche Patienten zu zählen, welche jahrelang eine und dieselbe Behausung innegehabt hatten. Bei den Versuchspatienten wurden Granulationen im Nasenrachenraum wo vorhanden entfernt und hypertrophische Tonsillen theilweise abgetragen, auch wurden durch einen competenten Zahnarzt die Zähne in Ordnung gebracht und während zwei Jahren in Ordnung gehalten, da ich mir vorstellte, dass das Diphtherie-Gift nicht allein im Nasenrachenraum, sondern auch in der Mundhöhle (cariösen Zähnen) latent lagert, um dann bei gelegentlicher Hyperaemie der Schleimhaut eine Autoinfection zu bewirken.

Diese Muthmassung meinerseits (1885) ist inzwischen durch bacteriologische Forschung vollauf bestätigt worden.

KURTH fand den Streptococcus pyogenes in 8 Prozent aller Fälle bei der Untersuchung einer grösseren Reihe,,gesunder" Mundhöhlen. E. DOERENBERGER in München fand den Streptococcus in der Mundhöhle vieler gesunder Individuen und empfiehlt Ichthyol als Prophylacticum und die Bacteriologen der hiesigen Gesundheits-Behörde Drs. BIGGS und PARKE berichteten vor Kurzem über das Vorfinden von Diphtherie-Bacillen in der Mundhöhle von Personen, welche z. Z. gesund aber vor Wochen an Diphtherie gelitten hatten. In 245 aus 405 Fällen konnte der Diphtherie-Bacillus drei Tage nach Schwund der Membran nicht mehr nachgewiesen werden.

In 103 Fällen zeigte sich der Bacillus noch nach sieben Tagen, in 34 Fällen nach 12 Tagen, in 16 Fällen nach 15 Tagen, in 4 Fällen nach 3 Wochen und in 3 Fällen nach 5 Wochen, nachdem alle localen Erscheinungen im Halse gewichen waren. Solche,,Patienten" befanden sich bei gutem Wohlsein trotzdem sie das Contagium einer schweren Krankheit beherbergten und solche Personen sind für ihre Umgebung eine Infectionsquelle.

Das prophylaktische Verfahren bestand nun einfach in einer Toilette des Nasenrachenraumes, welche täglich dreimal mittelst schwacher antiseptischer Flüssigkeiten durch Gurgeln und Insufflation ausgeführt wurde. Folgende Flüssigkeiten wurden benutzt: 3 Prozent. Kalichloricum-Lösung,

verdünnte Labarraque'sche Lösung 1-20,

4 Prozent. Borsäure-Lösung,

2 Prozent. Kochsalz-Lösung.

2 Prozent. Alaun-Lösung

und gelegentlich bei Erwachsenen eine hellrothe Kali hypermangani

cum-Lösung. Diese Flüssigkeiten wurden gegurgelt und in die Nase aufgezogen und zwar nach dem Frühstück- und Mittagessen und speciell vor dem Schlafengehen.

Bei Kindern, welche zum Gurgeln zu jung waren, wurde die Flüssigkeit mittelst Pipette oder Löffel bei offen gehaltenem Munde in die Nase gegossen, nicht gespritzt. Ausserdem wurde bei zwei 9 Monate alten Kindern, welche noch niemals erkrankt waren, aber in einer Behausung lebten, in welcher häufig und fast zu allen Jahreszeiten Er

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krankungen an Diphtherie zur Beobachtung kamen, Salzwasser früh und Abends in die Nase gegossen. Diese Maassregel wurde zuerst bei einer grossen Anzahl von Leuten eingeleitet, doch aus den verschiedensten Gründen nicht von allen ausgeführt. Bei 10 Personen jedoch ist die Nasenrachentoilette zwei Jahre lang unter meiner Beobachtung mit Eifer und Interesse geübt worden, und auf diesen 10 Fällen basiren in erster Linie meine Schlüsse.

Resultate.

Von allen der vorstehenden Behandlung unterworfenen Individuen erlitt während des ganzen Zeitraumes vom 1. October 1885 bis 1. December 1887 kein einziges einen Anfall von Diphtherie. Die Patienten 1, 3, 4, 6, 8 hatten mehrmals Anfälle von acuter Pharyngitis und Amygdalitis mit dunkelrother Färbung der Schleimhaut des Rachens, mässiger Anschwellung der Mandeln und geringer Temperaturerhöhung. Ein Mitglied der Familie K., zu welcher die Fälle 1, 2, 3 der Tabelle gehören, und welches sich der prophylaktischen Behandlung nicht unterwarf, wurde während des Monats Februar 1887 von Diphtherie befallen, während die der prophylaktischen Behandlung unter

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