Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Bildung der einen Zahnreihe auf. Wenn mehrere dieser einspitzigen permanent wachsenden Zähne mit einander verschmelzen, so haben wir den immerwachsenden Molarzahn der Nager u. s. w. Es scheint häufiger vorzukommen, als man bisher annahm, dass die permanent wachsenden Zähne mehr oder weniger rudimentäre Milchzähne mit beschränktem Wachsthume haben, welche meist in fötalem Zustande resorbirt werden, so z. B. bei den Schneidezähnen vom Kaninchen. Ob dies nun aber der Fall ist, oder ob die permanent wachsenden Zähne die einzige Zahnserie vorstellen, welche an der betreffenden Stelle aus der Zahnleiste hervorgehen, das ändert an der Auffassung dieser letzteren Zähne gar nichts. Das Wesen des immerwachsenden Zahnes liegt darin, dass bei seiner Bildung die Zahnleiste vollständig aufgebraucht wird, dass der Zahn sich nicht von der Zahnleiste abschnürt und letztere als Ersatzleiste weiter wächst, sei es auch nur in Rudimenten, wie nach Bildung der zweiten oder bleibenden Zahnserie des Menschen und anderer Säuger. Bei der Bildung der immerwachsenden Zähne ist relativ die grösste Stoffersparniss erzielt worden, indem stets nur so viel Zahnsubstanz neu gebildet wird, als durch Abnutzung verloren geht. Das Ziel des möglichst geringen Stoffverbrauches bei vorzüglicher Ausbildung des Einzelzahnes, welches sich in der Zahnentwicklung der ganzen Vertebratenreihe geltend macht, ist im permanent wachsenden Zahne am vollständigsten erreicht, und darum müssen wir, ganz im Gegensatze zu den Anschauungen Baume's, den immerwachsenden Zahn auffassen als das höchstentwickelte Princip in der Ausbildung des Zahnindividuums.

Wenn wir soeben die Zahnentwicklung der Vertebraten von den Sellachiern an bis herauf zu den Säugethieren verfolgt haben, so ergiebt sich uns eine ganz zweifellose einheitliche Auffassung des Säugethiergebisses. Das Gebiss aller Säugetiere ist entstanden durch allmähliche Reduction des vielfachen Zahnwechsels der Reptilien auf zwei oder gar nur auf eine Zahnreihe bei vorzüglicher Ausbildung des Einzelzahnes, sei es in Form eines wurzellosen, permanent wachsenden oder in Gestalt eines bewurzelten Zahnes mit beschränktem Wachsthume. Daraus er

giebt sich eine klare Definition des Begriffes,,Milchzahn". Unter Milchzähnen versteht man bei diphyodonten Säugethieren die Zähne der zuerst ausgebildeten Zahnserie, mögen dieselben nun schon in fötalem Zustande resorbirt werden oder zeitlebens bestehen bleiben, wie bei den Beutelthieren. Bleibende Zähne sind die Zähne der zweiten Zahnserie, welche aus der Ersatzleiste hervorgehen. Die echten bleibenden Molarzähne können in diese Definition nicht mit einbegriffen werden. Sie bilden eine besondere Zahngattung für sich und sind entstanden durch Reduction der früheren vielfachen Zahnreihen in eine einzige. Die Molaren sind Milchzähne und bleibende Zähne zugleich. Wie ich schon früher auseinandersetzte, sind nicht in jedem Molaren gleichviel verloren gegangene Zahnreihen enthalten. Der zweite Molar enthält weniger als der erste, der dritte weniger als der zweite.

Am besten würde man übrigens nach meiner Ueberzeugung thun, wenn man die lediglich von der Bezahnung des Menschen hergeleiteten Begriffe „Milchzahn“ und „bleibender Zahn" ganz fallen liesse und dafür sagte: „,Zähne der ersten Dentition", „Zähne der zweiten Dentition" und „Molarzähne". Wenn dann ausnahmsweise noch eine weitere Zahnserie auftritt, so nennt man diese im Bereiche der Vorderzähne: „Zähne der dritten Dentition", im Bereiche der Molaren je nach der Stellung Molaren der zweiten Dentition" oder „vierte Molaren" u. s. w. Wollte ein Forscher bei dem heutigen Stande unseres Wissens das Vorkommen einer wahren dritten Dentition leugnen, so würde derselbe lediglich kein Verständniss haben für die Thatsachen der Entwicklungsgeschichte.

[ocr errors]

Kükenthal hat neuerdings die Behauptung aufgestellt, dass bei den Walen die zahlreichen einspitzigen Zähne theilweise entstanden sind durch Theilung ursprünglich in der ontogenetischen Entwicklung angelegter mehrspitziger Backenzähne in einspitzige einfache Zähne. Diese Ansicht erscheint mir sehr plausibel, und es würde sich auf diese Weise das Gebiss der weit seitab stehenden Cetaceen auf sehr einfache Weise erklären lassen. Das Gebiss der Wale ist also eine ganz secundäre Erscheinung und durchaus nicht etwa sehr primitiv, wie Baume, Thomas u. A. behauptet haben. Aehnliches gilt von dem Gebisse der Edentaten.

Weitere Beobachtungen über die Anwendung des Thymols an Stelle des Arsens.

Von

Ant. Jul. Hartmann, Zahnarzt in Münster i. W.

In meiner früheren Arbeit über Thymol 1) hatte ich gesagt, dass ich seit meinen ersten Versuchen mit Thymol die Arsenpasta nicht mehr angewendet hätte; noch heute kann ich dasselbe sagen, indem ich noch keinen Fall gehabt habe, der mich veranlasst hätte, zum Arsenik zurückzukehren.

Ueber das Thymol und seine eigenartige Wirkung habe ich noch Verschiedenes nachzutragen. Bereits in meiner ersten Veröffentlichung des genannten Medicamentes hatte ich kurz die Eigenschaften desselben aufgezählt. Aus diesen muss man eigentlich schon a priori schliessen, dass ausser einer leichten Aetzwirkung (natürlich nur bei Anwendung in ganz concentrirter Form) dieses Mittel eine durchaus antiseptische und heilende Wirkung auf die Pulpa ausübt.

Bei der Anwendung des Thymols nach meiner Vorschrift wird die Pulpa nicht vernichtet (cauterisirt), sondern bei nicht zu weit vorgeschrittener Entzündung geheilt. Man findet, dass der Schmerz bald nach der Application des Mittels aufhört, jedoch bleibt die Pulpa bei directer unzarter Berührung mit dem Excavator selbst nach öfterer Anwendung des Thymols empfindlich. Dies braucht uns aber nicht abzuhalten, die secretionsfreie Pulpa nach Bestreuen mit ganz feinem Thymol zu überkappen und den Zahn zu füllen. (Man hat in solchem Falle die Pulpa mit dem blassrothen Aussehen einer granulirenden Wundfläche vor sich.)

Bekanntlich kommt eine Pulpaentzündung zu Stande durch Reize physikalischer (Hitze und Kälte, mechanische Berührung)

1) Deutsche Monatsschrift, Januar-Heft 1892.

chemischer und bakteriologischer Natur bei einem in der Caries so weit vorgeschrittenen Zahne, dass dessen Pulpa diesen äusseren Einwirkungen ausgesetzt ist. Gelingt es uns, den Zahn rechtzeitig zu füllen, also fremde Einschlüsse fern zu halten, ehe eine Pulpitis eingetreten ist, so ist der Zahn und die Pulpa eo ipso gerettet.

Ist ein Zahn bereits gegen Temperaturunterschiede und chemische Einflüsse empfindlich, schmerzt er „nach dem Essen“, aber nicht spontan und anhalten, so reinige ich den Zahn sanft unter Schonung der Pulpadecke, lege ein bis zweimal Thymol in denselben und fülle, wenn der Zahn unter dem Verbande, den ich in diesem Falle meist mit Klebewachs oder dergl. bedecke, gänzlich schmerzfrei bleibt.

Ist aber einmal die Pulpa erkrankt, so handelt es sich darum, die Entzündung zu beseitigen. Bisher erreichten wir dies, indem wir mit Arsenpasta das erkrankte Gewebe durch Aetzen zerstörten. Ich habe öfters, besonders bei nervösen Damen, die Beobachtung gemacht, dass die Pulpa auch gegen Arsenik sich neutral verhält, so dass ich glaubte, schlechte Präparate zu haben und die Paste in den verschiedensten Apotheken anfertigen liess, aber das Resultat blieb dasselbe, bet gewissen Patienten "half" Arsenik einfach nicht, trotz oft wiederholter Einlage.

Zerstören der Pulpa ist nun kein Heilen. Von vielen Seiten ist ja seit langer Zeit der Versuch gemacht worden, die conservative Behandlung auch bei der Pulpitis anzwenden, ohne dass bisher eine dieser Methoden sich dauernden Erfolg errungen hätte. Ich habe aber nicht geringe Hoffnung, dass sich die Anwendung von Thymol Bahn bricht und glaube dies in Folgendem begrunden zu können.

Haben wir es mit einer Entzündung zu thun, so suchen wir vor allen Dingen deren Ursachen zu beseitigen und sie selbst durch Anlegung eines geeigneten antiseptischen Verbandes zu bekämpfen. Dies gelingt in der äusseren Chirurgie auch vortrefflich. Im Munde liegen aber die Verhältnisse anders, und diesen müssen wir Rechnung tragen!

An antiseptischen Mitteln ist ja kein Mangel, aber zur Anwendung im Munde sind viele nicht geeignet, und es ist auch die Anlegung eines antiseptischen Verbandes an dieser Stelle eine eigene Sache.

An einen antiseptischen Verband stellen wir die Anforderung, dass er, abgesehen von der activen antiseptischen Wirkung, auch die Wunde vor äusseren Schädlichkeiten schützt, dabei aber die Fähigkeit hat, Secrete und Gase aufzusaugen. Einen solchen Verband für den Mund zu construiren, hat seine besondern Schwierigkeiten.

Ist z. B. ein Verband bei einem von Pulpitis ergriffenen Zahn angelegt, so dauert es nicht lange, und er ist vom Speichel und mit allem, was dieser gelöst oder ungelöst mit sich führt, durchtränkt. Das antiseptische Mittel wird durch den stets neu nachdringenden Speichel bald so sehr verdünnt, dass es wirkungslos wird. Alsbald tritt wieder Gährung und Fäulniss ein, und die Vortheile, welche wir uns von dem antiseptischen Watteverschluss versprachen, sind illusorisch. Verschliessen wir den schmerzhaften Zahn gleich anfangs mit einer festen Masse, mit Wachs oder Guttapercha, so erträgt er dies gewöhnlich nicht.

Unter allen den vielen bekannten antiseptischen Mitteln, soweit sie überhaupt im Munde anwendbar sind, scheint mir keins zur Behandlung der Pulpitis geeigneter zu sein, als das Thymol. Dies ist ein eben so starkes, als langsam lösliches, ungiftiges Antisepticum. Mit seiner Hülfe kann man einen Zahn wirklich auf gewisse Zeit antiseptisch verbinden.

Hebe ich die Bedingungen, unter denen eine Entzündung zu Stande kommt, auf, so heilt diese unter gewöhnlichen Umständen. Gelingt es uns also, ein Mittel in einer solchen Concentration auf die kranke Pulpa zu bringen, das wirklich Eiterkokken vernichtet, Gährungs- und Säurebildung auf eine gewisse Zeit hemmt oder gar aufhebt, so muss die Pulpitis mit Erfolg zu bekämpfen sein. Nach übereinstimmender Ansicht verschiedener Autoren hat aber Thymol die soeben angedeutete Wirkung.

Bringe ich also eine genügende Menge reinen Thymols auf die Pulpa, so hält die schützende und heilende Wirkung so lange an, bis es vollständig gelöst ist, in letzter Linie so lange, bis die durch den stets neu herzutretenden Speichel verursachte Verdünnung im Wattebäuschchen weit unter 1:2 bis 3000 ist! Es ergiebt sich also mit Nothwendigkeit, dass man bei der Anwendung des Thymols so verfahren muss, dass die Einlage bei Pulpitis stets erneut wird, ehe das vorhandene Thymol vollständig gelöst ist.

« AnteriorContinuar »