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Ich möchte zwei Hauptrichtungen hervorheben, nach denen vorzugsweise der Mund und die Zähne bei der Syphilis betheiligt sind: 1) die Krankheit an und für sich greift die Schleimhäute des Mundes an; 2) die Mittel zur Heilung der Krankheit wirken auf die Mundschleimhaut und auf die Festigkeit der Zähne.

Den ersten Punkt werde ich wieder in zwei Unterabtheilungen trennen, nämlich: a) die Syphilis kann primär im Munde entstehen; b) die Syphilis lagert im constitutionellen Stadium ihre Producte im Munde ab.

Wie es einerseits anzunehmen ist, dass der Infectionsstoff der Syphilis ein Mikroorganismus ist, dessen Wesen jedoch trotz aller Bemühungen noch nicht bekannt ist, so scheint andererseits gerade die Mundhöhle ein Lieblingssitz für den Syphilispilz zu sein, wo, abgesehen von der Infection beim Coitus, die meisten Infectionen stattfinden. (Lesser, Lehrbuch der Geschlechtskrankheiten.) Das Gift tritt in die Blutbahn ein durch eine vor der Infection vorhandene oder im Momente derselben entstehende Verletzung des Epithels.

Eine primäre Affection im Munde kann sich einerseits bei Gelegenheit einer zahnärztlichen Behandlung dem Zahnarzte in unzweifelhafter Form als speckiges Geschwür mit kreisrunden Rändern präsentiren und ist dann sofort einem praktischen Arzte zu überweisen, andererseits kann sie sich in Form einer zunächst geringen Ulceration darstellen und die Verwechslung mit aphthösen Processen rechtfertigen. Hier schon wird der gewissenhafte Zahnarzt seine übrige zahnärztliche Behandlung der Eventualität einer specifischen Erscheinung anpassen und mit Händen und Instrumenten vorsichtig verfahren müssen. Falls einfache Mittel (Kal. chlor., Pinselungen mit Argent nitric., Acid mur. oder ähnl.) nicht schnell eine Heilung bei vorausgesetzter Harmlosigkeit herbeiführen, sollte die Füllung cariöser Zähne unterbleiben, bis die Ulceration sich entweder als harmlos oder als specifisch erwiesen hat. Da ferner auch specifische Primäraffectionen unter obiger localer Behandlung zunächst oft heilen, so wird erst nach genauer Ueberwachung durch den behandelnden praktischen Arzt die zahnärztliche Behandlung fortzusetzen sein. Hierbei fällt auch in die Wagschale, dass der Befund, den man sonst als ein sicheres Zeichen specifischer Affection annimmt, nämlich die Schwellung der umliegenden

Lymphdrüsen, die Unterscheidung specifischer Munderkrankungen gerade deshalb nicht erleichtert, weil durch chronische Periostitiden der Zähne die benachbarten Drüsen oft dauernd bald mehr, bald weniger fühlbar sind.

Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass durch Operationen im Munde und an den Zähnen Infectionskrankheiten, speciell Lues, leicht übertragen werden können. Die Möglichkeit einer Uebertragung ist desto grösser, je geeigneter das Feld zur Aufnahme von Schädlichkeiten ist. Wenn schon an und für sich Gravidität und Menstruation, sowie Infectionskrankheiten und Diabetes mellitus, da diese Zustände mit mehr oder weniger auftretender Auflockerung des Zahnfleisches verbunden sind, Eingriffe im Munde und an den Zähnen möglichst verbieten oder nur mit der allergrössten Vorsicht zulassen (weil die Möglichkeit einer Uebertragung der Krankheitsproducte auf andere Patienten oder die Inficirung des Operateurs vorhanden ist, und weil auch die Entstehung tuberkulöser oder anderer infectiöser Processe begünstigt wird), so scheint ganz besonders die Syphilis wegen ihrer enormen Verbreitung und wegen der besonderen Nothwendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung besondere Vorsichtsmassregeln und gesonderte Instrumente zu erfordern.

Im vorigen Jahre ist mir durch einen hiesigen Specialarzt für Hautkrankheiten folgender Fall bekannt geworden:

Eine junge, ganz gesunde Dame aus bester Familie begiebt sich einige Wochen vor der festgesetzten Hochzeit in zahnärztliche Behandlung und hat einige Zeit darauf eine deutliche syphilitische Primäraffection im Munde. Alle näheren Umstände sprachen mit grosser Wahrscheinlichkeit für eine Infection durch zahnärztliche Instrumente, nicht zum geringsten die vorhandene Virginitas und die syphilitische Affection an der Backenschleimhaut gegenüber dem zweiten Mahlzahne.

Im Allgemeinen wird die Möglichkeit der Uebertragung von Lues durch im Munde gebrauchte Instrumente, Gummipfropfen, Zahnbürsten u. s. w. noch wenig gewürdigt, obgleich gerade der Zahnarzt damit zu rechnen hat. Durch die einfachste Zahnfleischverletzung im Munde von Syphilitikern bringt er vielleicht das syphilitische Gift zur Wirkung. Auch kann der an und für sich nicht infectiöse Speichel durch Beimengung der Bestandtheile syphilitischer Producte (der Plaques) dem nachfolgenden Zahnkranken verhängnissvoll

werden, besonders bei nicht intacter Schleimhaut, obgleich noch nicht bewiesen ist, dass nicht auch bei unverletztem Epithel das syphilitische Virus haften kann.

Miller (Mikroorganismen der Mundhöhle) erwähnt zwei sehr drastische Fälle von Syphilis - Epidemien, aus denen deutlich hervorgeht, dass der Speichel Syphilitischer sowohl direct wie indirect das Virus übertragen kann. In dem einen Falle handelt es sich um das Einführen der Zungenspitze zwischen die Augenlider, welches Verfahren in dem russischen Gouvernement Wiatka, infolge eines dort unter den Bauern herrschenden Aberglaubens, zur Beseitigung von Augenleiden angewandt wird, in dem anderen um das Tättowiren mehrerer Knaben durch einen Syphilitiker, der den dazu benutzten Stift stets mit seinem Speichel angefeuchtet hatte.

In ähnlicher Weise kamen in früheren Zeiten durch das damals in grossem Massstabe betriebene Schröpfen oft in grossen Endemien auftretende Syphilisinfectionen vor durch Benetzung der Schröpfköpfe mit dem Speichel des Schröpfenden (Lesser). Nach dem Sitzungsberichte der Pariser Akademie der Medicin vom 29. October 1889 berichtete Lanceraux über zwei Fälle der Uebertragung von Lues durch unsaubere Instrumente. Ich lasse den Bericht, der besonders wichtig ist durch den mitgetheilten . Fall über Infection bei Gelegenheit der Katheterisation der Tuba Eustachii, hier folgen. (Med. Neuigkeiten 1889.)

Der erste Fall betrifft einen 53jährigen Mann, von dem Lanceraux wegen eines papulopustulösen Hautausschlages consultirt worden war, welcher die ganze Körperoberfläche bedeckte und seinen Ausgangspunkt von der behaarten Kopfhaut genommen hatte. Es handelte sich in diesem Falle um secundäre Syphilis, und zwar um Akne syphilitica. Was die Aetiologie des Falles anlangt, so war von Seiten der Gattin die Ansteckung ausgeschlossen, denn diese bot an ihrem Körper nicht das geringste Symptom von Lues. Andererseits boten auch die Genitalien des Patienten selbst, beziehungsweise die Inguinaldrüsen, nicht die geringste Andeutung von überstandener primärer Syphilis. Dagegen fand man unterhalb der rechten Hälfte des Unterkiefers eine grosse harte Drüse und in deren Umgebung eine Anzahl kleinerer, gleichfalls jedoch stark geschwollener, harter Lymphdrüsen. Links war die Gegend unterhalb des Unterkiefers vollkommen frei. In dieser einseitigen torpiden Adenitis glaubt Verf. die primäre Infiltration annehmen zu sollen. War diese Annahme richtig, so musste man nach einer Infectionsursache im Gebiete der betreffenden Drüsengruppe suchen. Die Anamnese ergab

nun, dass eine Woche vorher, am 13. September, der Patient eine Katheterisation der linken Tuba Eustachii hatte aushalten müssen. Bei einer zweiten, Anfang November ausgeführten Katheterisation hatte sich aus dem Katheter eine geringe Menge dickflüssigen, blutig gefärbten Eiters entleert. Dieser stammte nach der Annahme des Verfassers aus der Primärsklerose, welche in der Gegend der Tuba Eustachii ihren Sitz hatte und gelegentlich der ersten Katheterisation dem Patienten mit dem wahrscheinlich inficirten Katheter inoculirt worden war. Die Aufeinanderfolge der einzelnen Symptome stimmt ausserdem völlig mit der Zeit überein, in der sich derartige Erscheinungen nach dem Auftreten der Initialsklerose zu zeigen pflegen. Der zweite Fall betrifft eine 36jährige Frau, welcher zur Vorbereitung einer Prothese im October 1888 eine Reihe von schadhaften Zähnen ausgezogen werden musste. Bald darauf empfand die Patientin einen drückenden Schmerz in den oberen Partien des Zahnfleisches, an welchem sich bald eine harte Anschwellung in der Gegend der Mittellinie bildete; eine Anschwellung der an der Oberkiefergegend gelegenen Drüsen schloss sich an. Anfang Januar erschien plötzlich auf der gesammten Körperoberfläche ein papulöses Exanthem von schmutziger kupferrother Färbung, das in höchst bezeichnender Weise die Symptome einer specifischen Hauteruption zeigte. Eine genauere Untersuchung ergab weiterhin Schwellung der Nacken- und Leistendrüsen. Auch in diesem Falle führen nicht nur die zeitliche Aufeinanderfolge der Symptome, sondern auch der anatomische Charakter und das klinische Bild zu der Ueberzeugung, dass es sich hier gleichfalls um eine luetische Infection gehandelt habe, deren Quelle nothgedrungen in der von dem Zahnarzte wahrscheinlich mit inficirten Instrumenten ausgeführten Zahnoperation zu suchen ist. Uebrigens hat auch die Behandlung in diesem Falle ein positives Resultat ergeben. Eine combinirte Quecksilber- und Jodkali-Kur beseitigte sehr bald die sämmtlichen vom Verfasser beobachteten Symptome.

In den Rahmen der hier beigebrachten Casuistik gehört auch die Uebertragung der Syphilis bei Glasbläsern, die gewöhnlich zu dreien an einer Pfeife arbeiten, welche, damit das Glas nicht abkühlt, schnell von Mund zu Mund wandern müssen; es sind auf diese Weise, besonders früher, grosse Syphilisendemien zum Ausbruch gekommen (Lesser). Schliesslich möchte ich noch darauf hinweisen, dass sich im Jahrgange 1890 des von Dr. E. Richter redigirten,,Journals für Zahnheilkunde" ein sehr beachtenswerther Artikel, aus dem Englischen übersetzt, befindet, über ,,die Gefahren der Syphilis in der zahnärztlichen Praxis", worin mehrfache Beispiele für Infection von Patienten sowohl, wie von Aerzten und Zahnärzten, bei Gelegenheit einer zahnärztlichen Behandlung berichtet sind.

Ich komme nunmehr zu dem zweiten Punkte, welcher die Wichtigkeit des zahnärztlichen Verständnisses von der Syphilis kennzeichnet: die Syphilis lagert im constitutionellen Stadium ihre Producte im Munde ab.

Unendlich häufig und oft sehr hartnäckig sind unter den secundären Affectionen die syphilitischen Schleimhautpapeln (Plaques opalines), deren Lieblingssitz die Lippen, Mundwinkel und die Ränder der Zunge sind; nächstdem findet man sie häufig auf der Schleimhaut der Wangen, des Zahnfleisches, des harten und weichen Gaumens. Hierher gehört auch die Erkrankung der Schleimhaut an der Uebergangsstelle zwischen Ober- und Unterkiefer hinter den letzten Mahlzähnen des Unterkiefers, obgleich nach von Sigmund hier meistens Lockerung, Abschürfung und diphtherische Beläge, sowie Schrunden sehr schmerzhafter Natur, weit häufiger durch Quecksilbergebrauch als durch Syphilis bedingt, vorkommen. Eine schwere Complication bietet in beiden letztgenannten Fällen der Durchbruch des unteren Weisheitszahnes, welcher bei jugendlichen Syphilitikern fast stets zu mehr oder weniger ausgedehnten Zerstörungen Veranlassung giebt, weil in dem Alter von ca. 16-25 Jahren das Zahnfleisch in der Gegend der Weisheitszähne schon an und für sich zu Entzündungen geneigt ist. Hier ist der Einsicht des Zahnarztes oft ein grosses Feld geboten; durch correctes Vorgehen kann er viel nützen, durch Unachtsamkeit oder Unwissenheit viel schaden. gestattet, einen Fall aus meiner Praxis vorzuführen.

Es sei mir

Herr B., ein gesunder, kräftiger Mann von 45 Jahren, ko mmt Anfang Juni vor. Jahres zum Füllen etwa cariöser Zähne zu mir. Bei der Untersuchung des Mundes finde ich, ausser einigen cariösen Stellen an den Zähnen, auf der Zunge und dem Zahnfleische mehrere kreisrunde, linsengrosse, etwas erhabene und leicht geröthete Flecke. Sofort hielt ich mich für berechtigt, den Patienten auf früher überstandene Lues zu examiniren; Herr B. erklärte, vor fünf Jahren syphilitisch inficirt gewesen zu sein. Mit aller Vorsicht wurden die cariösen Zähne gefüllt und der Patient zur Behandlung seiner Syphilis an seinen Hausarzt gewiesen. Da Herr B. drei Monate vor seiner Hochzeit stand, so war er mir für die Anregung zu der auf Mitveranlassung eines Specialarztes nachher vorgenommenen Schmierkur doppelt dankbar.

Sehr naheliegend ist bei der Diagnose der syphilitischen Schleimhautplaques die Verwechslung mit Aphthen und Herpes; doch sind diese Affectionen gleich beim Beginne schmerzhaft,

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