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§. 14. Als besondere Gerichte werden zugelassen:

1. die auf Staatsverträgen beruhenden Rheinschifffahrts- und Elbzollgerichte; 2. Gerichte, welchen die Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bei der Ablösung von Gerechtigkeiten oder Reallasten, bei Separationen, Konsolidationen, Verkoppelungen, gutsherrlich-bäuerlichen Auseinandersetzungen und dergleichen obliegt;

3. Gemeindegerichte, insoweit denselben die Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche obliegt, deren Gegenstand in Geld oder Geldeswerth die Summe von sechzig Mark nicht übersteigt, jedoch mit der Maßgabe, daß gegen die Entscheidung der Gemeindegerichte innerhalb einer gesetzlich zu bestimmenden Frist sowohl dem Kläger wie dem Beklagten die Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg zusteht, und daß der Gerichtsbarkeit des Gemeindegerichts, als Kläger oder Beklagter, nur Personen unterworfen werden dürfen, welche in der Gemeinde den Wohnsiß, eine Niederlassung oder im Sinne der §§. 18, 21 der Civilprozeßordnung den Aufenthalt haben;

4. Gewerbegerichte 1o).

§. 15. Die Gerichte sind Staatsgerichte.

Die Privatgerichtsbarkeit ist aufgehoben; an ihre Stelle tritt die Gerichtsbarkeit desjenigen Bundesstaates, in welchem sie ausgeübt wurde. Präsentationen für Anstellungen bei den Gerichten finden nicht statt.

Die Ausübung einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten ist ohne bürgerliche Wirkung. Dies gilt insbesondere bei Ehe- und Verlöbnißsachen.

§. 16. Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standrechte werden hiervon nicht berührt").

§. 17. Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Die Landesgesetzgebung kann jedoch die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit des Rechtswegs besonderen Behörden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen übertragen 12):

1. Die Mitglieder werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amts oder, falls sie zu dieser Zeit ein Amt nicht be

tober 1878 (Nr. 1271), §§ 58, 65 Abs. 5, 72 Abs. 3, 4 des Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1883 (Nr. 1496), §§ 1, 2 des Ges., betr. die Prisengerichtsbarkeit, v. 3. Mai 1884 (Nr. 1540), §§ 63, 87, 89 des Unfallversicherungsges., v. 6. Juli 1884 (Nr. 1552). 8) Reichsgeseßlich bestellte Sondergerichte sind:

a) Militärgerichte. Val. § 7 des Einführungsges. zum Gerichtsverfassungsgef. (S. 77) und § 39 des Reichs-Militärges. v. 2. Mai 1874 Nr. 1002 (Bd 3 S. 221).

b) Konsuln und Konsulargerichte. Vgl. das Gef. über die Konsulargerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879 (Nr. 1319).

c) Schiedsgerichte nach §§ 46 ff. des Unfallversicherungsges., v. 6. Juli 1884 (Nr. 1552). Vgl. auch § 16.

9) Vgl. § 14 des Gerichtsverfassungsges. und §§ 5 und 7 des Einführungsges. zum Gerichtsverfassungsges. (S. 77).

10) Vgl. §§ 120a, 97, 98, 100d der Gewerbeordnung (Nr. 1505).

11) Vgl. Art. 68 der Verfassung des Deutschen Reichs Nr. 628 (Bd 2 S. 329).

12) Vgl. § 17 des Einführungsges. zum Gerichtsverfassungsges. (S. 79).

fleiden, auf Lebenszeit ernannt. Eine Enthebung vom Amte kann nur unter denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts stattfinden 13).

2. Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß dem Reichsgerichte oder dem obersten Landesgerichte oder einem Oberlandesgerichte angehören. Bei Entscheidungen dürfen Mitglieder nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. Diese Anzahl muß eine ungerade sein und mindestens fünf betragen.

3. Das Verfahren ist geseßlich zu regeln. Die Entscheidung erfolgt in öffentlicher Sizung nach Ladung der Parteien.

4. Sofern die Zulässigkeit des Rechtswegs durch rechtskräftiges Urtheil des Gerichts feststeht, ohne daß zuvor auf die Entscheidung der besonderen Behörde angetragen war, bleibt die Entscheidung des Gerichts maßgebend. §. 18. Die inländische Gerichtsbarkeit erstreckt sich nicht auf die Chefs und Mitglieder der bei dem Deutschen Reiche beglaubigten Missionen. Sind diese Perjonen Staatsangehörige eines der Bundesstaaten, so sind sie nur insofern von der inländischen Gerichtsbarkeit befreit, als der Staat, dem sie angehören, sich der Gerichtsbarkeit über sie begeben hat.

Die Chefs und Mitglieder der bei einem Bundesstaate beglaubigten Missionen find der Gerichtsbarkeit dieses Staates nicht unterworfen. Dasselbe gilt von den Mitgliedern des Bundesraths, welche nicht von demjenigen Staate abgeordnet find, in dessen Gebiete der Bundesrath seinen Siß hat1⁄4).

§. 19. Auf die Familienglieder, das Geschäftspersonal der im §. 18 erwähnten Personen und auf solche Bedienstete derselben, welche nicht Deutsche sind, finden die vorstehenden Bestimmungen Anwendung.

§. 20. Durch die Bestimmungen der §§. 18, 19 werden die Vorschriften über den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 15) nicht berührt.

§. 21. Die im Deutschen Reiche angestellten Konsuln sind der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen, sofern nicht in Verträgen des Deutschen Reichs mit anderen Mächten Vereinbarungen über die Befreiung der Konsuln von der inländischen Gerichtsbarkeit getroffen sind 16).

Dritter Titel.
Amtsgerichte.

§. 22. Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter vor.

Ist ein Amtsgericht mit mehreren Richtern besett, so wird einem derselben von der Landesjustizverwaltung die allgemeine Dienstaufsicht übertragen. Jeder Amtsrichter erledigt die ihm obliegenden Geschäfte als Einzelrichter.

13) Vgl. §§ 128-131 (S. 54, 55).

14) Vgl. § 16 der Civilprozeßordnung (Nr. 1166), § 11 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169). 15) Vgl. § 25 der Civilprozeßordnung (Nr. 1166).

16) Die in dieser Beziehung Bestimmung treffenden Konsular-, bezw. Freundschafts- 20. Berträge sind aufgeführt in Anm. 15 des Ges., betr. die Organisation der Bundeskonsulate xc., v. 8. November 1867 Nr. 23 (Bd 1 S. 72, 73). Seitdem sind noch hinzugetreten: der Konsularvertrag mit Serbien v. 6. Januar 1883 (Nr. 1494) und die Freundschafts- 2c. Verträge mit den Bereinigten Staaten von Mexiko v. 5. Dezember 1882 (Nr. 1509) und mit Korna v. 26. November 1883 (Nr. 1572).

§. 23. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit dieselben nicht ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind17):

1. Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswerth 18) die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt;

2. ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes:

§. 24.

Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungsund anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Miether in die Miethsräume eingebrachten Sachen;

Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Gesinde, zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hinsichtlich des Dienst- und Arbeitsverhältnisses, sowie die im §. 1089) der Gewerbeordnung bezeichneten Streitigkeiten, insofern dieselben während der Dauer des Dienst-, Arbeits- oder Lehrverhältnisses entstehen;

Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern oder Auswanderungserpedienten in den Einschiffungshäfen, welche über Wirthszechen, Fuhrlohn, Ueberfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der lezteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind;

Streitigkeiten wegen Viehmängel;

Streitigkeiten wegen Wildschadens;

Ansprüche aus einem außerehelichen Beischlafe;
das Aufgebotsverfahren.

Jm Uebrigen wird die Zuständigkeit und der Geschäftskreis der Amtsgerichte durch die Vorschriften dieses Gesetzes und der Prozeßordnungen bestimmt.

Vierter Titel.
Schöffengerichte.

§. 25. Für die Verhandlung und Entscheidung von Straffachen werden bei den Amtsgerichten Schöffengerichte gebildet).

§. 26. Die Schöffengerichte bestehen aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und zwei Schöffen.

§. 27. Die Schöffengerichte sind zuständig:

1. für alle Uebertretungen 21);

2. für diejenigen Vergehen, welche nur mit Gefängniß von höchstens drei Monaten oder Geldstrafe von höchstens sechshundert Mark, allein oder neben Haft oder in Verbindung mit einander oder in Verbindung mit

17) Vgl. § 70 Abs. 2, 3 (S. 43, 44).

18) Vgl. §§ 2-9 der Civilprozeßordnung (Nr. 1166).

19) Jett § 120a der Gewerbeordnung (Nr. 1505).

20) Vgl. § 30. Eine Hauptverhandlung ohne Schöffen ist zulässig in den Fällen § 211 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169) und § 3 Abs. 3 des Einführungsges. zur Strafprozeßordnung v. 1. Februar 1877 (Nr. 1170).

21) Vgl. § 1 Abs. 3 des Strafgeseßbuchs Nr. 1123 (Bd 3 S. 753).

Einziehung bedroht find, mit Ausnahme der im §. 320 des Strafgeseßbud)s22) und der im §. 74 dieses Gesetzes bezeichneten Vergehen; 3. für die nur auf Antrag zu verfolgenden Beleidigungen und Körperverlegungen 23), wenn die Verfolgung im Wege der Privatklage") geschieht; 4. für das Vergehen des Diebstahls im Falle des §. 242 des Strafgesetbuchs25), wenn der Werth des Gestohlenen fünfundzwanzig Mark nicht übersteigt;

5. für das Vergehen der Unterschlagung im Falle des §. 246 des Strafgesetzbuchs 26), wenn der Werth des Unterschlagenen fünfundzwanzig Mark nicht übersteigt;

6. für das Vergehen des Betruges im Falle des §. 263 des Strafgesetzbuchs27), wenn der Schaden fünfundzwanzig Mark nicht übersteigt;

7. für das Vergehen der Sachbeschädigung im Falle des §. 303 des Strafgesetzbuchs 28), wenn der Schaden fünfundzwanzig Mark nicht übersteigt; 8. für das Vergehen der Begünstigung29) und für das Vergehen der Hehlerei in den Fällen des §. 258 Nr. 1 und des §. 259 des Strafgesetzbuch 30), wenn die Handlung, auf welche sich die Begünstigung oder die Hehlerei bezieht, zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehört.

§. 28. Ist die Zuständigkeit des Schöffengerichts durch den Werth einer Sache oder den Betrag eines Schadens bedingt31) und stellt sich in der Hauptverhandlung heraus, daß der Werth oder Schaden mehr als fünfundzwanzig Mark beträgt, so hat das Gericht seine Unzuständigkeit nur dann auszusprechen, wenn aus anderen Gründen die Ausseßung der Verhandlung geboten erscheint.

§. 29. Vor die Schöffengerichte gehören auch diejenigen Strafsachen, deren Verhandlung und Entscheidung ihnen nach den Bestimmungen des fünften Titels von den Strafkammern der Landgerichte überwiesen wird32).

§. 30. Insoweit das Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt 33), üben die Schöffen während der Hauptverhandlung das Richteramt im vollen Umfange und mit gleichem Stimmrechte wie die Amtsrichter aus und nehmen auch an denjenigen, im Laufe einer Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidungen Theil, welche in keiner Beziehung zu der Urtheilsfällung stehen, und welche auch ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlassen werden können.

Die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen werden von dem Amtsrichter erlassen.

§. 31. Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt. Dasselbe kann nur von einem Deutschen versehen werden.

2) Nr. 1123 (Bd 3 S. 809).

23) Vgl. §§ 185-187, 189, 194, 223 (nicht 223 a), 230 Abs. 1, 232 des Strafgesetzbuchs Nr. 1123 (Bd 3 S. 787, 788, 791, 793).

2) Vgl. §§ 414, 416 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

25) Nr. 1123 (Bd 3 S. 794).

26) Nr. 1123 (Bd 3 S. 795).

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33) Nur § 31 Abs. 2 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169). Vgl. jedoch auch §§ 52-56 des

Gerichtsverfassungsges. (S. 41, 42).

§. 32. Unfähig zu dem Amte eines Schöffen sind:

1. Personen, welche die Befähigung in Folge strafgerichtlicher Verurtheilung verloren haben 34);

2. Personen, gegen welche das Hauptverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens eröffnet ist35), das die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter zur Folge haben fann 36);

3. Personen, welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind3).

§. 33. Zu dem Amte eines Schöffen sollen nicht berufen werden:

1. Personen, welche zur Zeit der Aufstellung der Urlistes) das dreißigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben;

2. Personen, welche zur Zeit der Aufstellung der Urlistes) den Wohnsiß in der Gemeinde noch nicht zwei volle Jahre haben;

3. Personen, welche für sich oder ihre Familie Armenunterstüßung aus öffentlichen Mitteln empfangen oder in den drei letzten Jahren, von Aufstellung der Urliste) zurückgerechnet, empfangen haben;

4. Personen, welche wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zu dem Amte nicht geeignet sind;

5. Dienstboten.

§. 34. Zu dem Amte eines Schöffen sollen ferner nicht berufen werden: 1. Minister;

2. Mitglieder der Senate der freien Hansestädte;

3. Reichsbeamte, welche jederzeit einstweilig in den Ruhestand verseßt werden können 39);

4. Staatsbeamte, welche auf Grund der Landesgesetze jederzeit einstweilig in den Ruhestand versetzt werden können;

5. richterliche Beamte und Beamte der Staatsanwaltschaft;

6. gerichtliche und polizeiliche Vollstreckungsbeamte;

7. Religionsdiener;

8. Volksschullehrer;

9. dem aktiven") Heere oder der aktiven) Marine angehörende Militärpersonen).

Die Landesgefeße können außer den vorbezeichneten Beamten höhere Verwaltungsbeamte bezeichnen, welche zu dem Amte eines Schöffen nicht berufen werden sollen.

34) Vgl. §§ 31, 33-35, 358 des Strafgesezbuchs Nr. 1123 (Bd 3 S. 757 f., 815).

35) Vgl. § 201 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

36) Vgl. §§ 31, 32 des Strafgesegbuchs Nr. 1123 (Bd 3 S. 757).

37) Vgl. §§ 593, 621 der Civilprozeßordnung (Nr. 1166), §§ 98, 100 der Konkursordnung (Nr. 1172).

38) Vgl. §§ 36, 57 (S. 39, 42).

39) Vgl. § 25 nebst Anm. 41 des Ges., betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, v. 31. März 1873 Nr. 920 (Bd 3 S. 49).

40) Vgl. § 38 des Reichs- Militärges. v. 2. Mai 1874 Nr. 1002 (Bd 3 S. 220, 221), auch §§ 2, 8, 12, 13, 15 des Ges., betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste, v. 9. November 1867 Nr. 22 (Bd 1 S. 65 ff.).

41) Vgl. Anm. 12 zu § 10 des Strafgesetzbuchs Nr. 1123 (Bd 3 S. 754). Die Civilbeamten der Militärverwaltung (§ 38 C des Reichs-Militärges. v. 2. Mai 1874 Nr. 1002. Bd 3 S. 221) gehören nicht zu den Militärpersonen.

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