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5. der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen erster Instanz 139), fo= weit nicht die Zuständigkeit der Straffammer begründet ist 140), und gegen Entscheidungen der Strafkammern in der Beschwerdeinstanz1) und Berufungsinstanz.

§. 124. Die Senate der Oberlandesgerichte entscheiden in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden.

Neunter Titel.
Reichsgericht.

§. 125. Der Siz des Reichsgerichts wird durch Gesetz bestimmt 142).

§. 126. Das Reichsgericht wird mit einem Präsidenten und der erforder= lichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räthen besetzt.

§. 127. Der Präsident, die Senatspräsidenten und Räthe werden auf Vorschlag des Bundesraths von dem Kaiser ernannt.

Zum Mitgliede des Reichsgerichts kann nur ernannt werden, wer die Fähigkeit zum Richteramte in einem Bundesstaate erlangt 143) und das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat.

§. 128. Ist ein Mitglied zu einer Strafe wegen einer entehrenden Handlung oder zu einer Freiheitsstrafe von längerer als einjähriger Dauer rechtskräftig verurtheilt, so kann dasselbe durch Plenarbeschluß des Reichsgerichts seines Amts und seines Gehalts für verlustig erklärt werden.

Vor der Beschlußfassung sind das Mitglied und der Ober-Reichsanwalt 14) zu hören.

§. 129. Ist wegen eines Verbrechens oder Vergehens das Hauptverfahren 145) gegen ein Mitglied eröffnet, so kann die vorläufige Enthebung desselben von seinem Amte nach Anhörung des Ober-Reichsanwalts 144) durch Plenarbeschluß des Reichsgerichts ausgesprochen werden.

Wird gegen ein Mitglied die Untersuchungshaft verhängt, so tritt für die Dauer derselben die vorläufige Enthebung von Rechtswegen ein.

139) Vgl. §§ 346, 347 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

140) Vgl. § 72 (S. 44).

141) Nur im Falle des § 352 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

142) Nr. 1182. Geseß über den Siz des Reichsgerichts. Vom 11. April 1877.
(RGB. S. 415. Ausgegeben am 16. April 1877.)

Wir Wilhelm. von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1. Auf denjenigen Bundesstaat, in dessen Gebiet das Reichsgericht seinen Siz hat, findet §. 8 des Einführungsgesezes zum Gerichtsverfassungsgeseß keine Anwendung.

§. 2. Das Reichsgericht erhält seinen Siß in Leipzig.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen
Insiegel.
Gegeben Berlin, den 11. April 1877.

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Durch die vorläufige Enthebung wird das Recht auf den Genuß des Gehalts nicht berührt.

§. 130. Wenn ein Mitglied durch ein körperliches Gebrechen oder durch Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig wird, so tritt seine Verseßung in den Ruhestand gegen Gewährung eines Ruhegehalts ein.

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Das jährliche Ruhegehalt beträgt bis zur Vollendung des zehnten Dienstjahres 200 des Gehalts; es erhöht sich mit der Vollendung eines jeden folgenden Dienstjahres und bis zur Vollendung des fünfzigsten Dienstjahres um je 10 des Gehalts.

Bei Berechnung der Dienstzeit wird die Zeit mitgerechnet, während welcher das Mitglied sich im Dienste des Reichs oder im Staats- oder Gemeindedienste eines Bundesstaates befunden oder in einem Bundesstaate als Anwalt, Advokat, Notar, Patrimonialrichter oder als öffentlicher Lehrer des Rechts an einer deutschen Universität fungirt hat.

§. 131. Wird die Versehung eines Mitgliedes in den Ruhestand nicht beantragt, obgleich die Voraussetzungen derselben vorliegen, so hat der Präsident die Aufforderung zu erlassen, binnen einer bestimmten Frist den Antrag zu stellen. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist die Verseßung in den Ruhestand durch Plenarbeschluß des Reichsgerichts auszusprechen.

Vor der Beschlußfassung sind das Mitglied und der Ober-Reichsanwalt 144) zu hören.

§. 132. Bei dem Reichsgerichte werden Civil- und Straffenate gebildet. Die Zahl derselben bestimmt der Reichskanzler 146).

§. 133. Die Bestimmungen der §§. 61-68 finden mit der Maßgabe Anwendung, daß zu dem Präsidium die vier ältesten Mitglieder des Gerichts zuzuziehen sind.

§. 134. Die Zuziehung von Hülfsrichtern ist unzulässig 147).

§. 135.148) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist das Reichsgericht zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

146) Dies ist geschehen durch nachfolgende Verfügung (Annalen des Reichsgerichts Bd 1 S. 1): „Berlin, den 27. Sept. 1879. Auf Grund des § 132 des Gerichts- Verfassungs-Gesezes und des § 20, Abs. 2 des Einführungs Gesezes zum Gerichts-Verfassungs-Geseze vom 27. Januar 1877 (Reichsgejez-Bl. S. 77) wird hierdurch bestimmt, was folgt:

1. Bei dem Reichsgerichte werden fünf Civilsenate und drei Straffenate gebildet. II. Das Geschäftsjahr des Reichsgerichts ist das Kalender-Jahr.

(III. VI. enthalten jest nicht mehr intereffirende Bestimmungen über die Geschäftsvertheilung und die Bestim= mung der Mitglieder der Senate sowie der regelmäßigen Vertreter für den Zeitraum des ersten Geschäftsjahrs vom 1. Cltober bis 31. Dezember 1879.)

VII. Ueber die Einrichtung von Hülfssenaten bei dem Reichsgericht und über die Zutheilung von Mitgliedern des Reichsgerichts an die Hülfssenate ergeht besondere Verfügung.

Der Reichskanzler.
In Vertretung:

(gez.) Friedberg."

147) Vgl. aber § 16 des Einführungsges. zum Gerichtsverfassungsgef. (S. 79).

148) In den §§ 135, 136 ist die Zuständigkeit des Reichsgerichts nicht erschöpfend geregelt. Für das Gebiet der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit enthalten § 36 der Civilprozeßordnung (Nr. 1166), § 9 des Einführungsges. zur Civilprozeßordnung v. 30. Januar 1877 (Nr. 1167),

§§ 4, 9, 12-15, 19, 27, 170 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169), § 160 des Gerichtsverfasfungsges. noch besondere Fälle der Zuständigkeit. Ferner ist das Reichsgericht zuständig nach §§ 128, 129, 131, 141 des Gerichtsverfassungsges., §§ 3 Abs. 2, 11 Nr. 2, 14, 15, 17 Abs. 1 des Einführungsges. zum Gerichtsverfassungsges. (S. 77 ff.), §§ 18, 36, 43, 50 des Ges. über die Konsulargerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879 (Nr. 1319) und endlich nach den nachfolgenden zwei besonderen Gesezen:

Nr. 1305. Gefeß, betreffend den Uebergang von

Geschäften auf das Reichsgericht. Vom 16. Juni 1879. (RGB. S. 157. Ausgegeben am 20. Juni 1879.) Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1. In den Vorschriften

des §. 12 des Geseßes, betreffend die Gründung und Verwaltung des Reichs-Invaliden-
fonds, vom 23. Mai 1873 (Reichs- Geseßbl. S. 117)*),

des §. 32 des Patentgesezes vom 25. Mai 1877 (Reichs-Gesezbl. S. 501)**),
der §§. 87 Absaß 3, 91 Absaß 1 des Gesezes, betreffend die Rechtsverhältnisse der
Reichsbeamten, vom 31. März 1873 (Reichs-Geseßbl. S. 61)***) in Verbindung
mit Artikel 1 des Gesezes für Elsaß-Lothringen, betreffend die Rechtsverhältnisse
der Beamten und Lehrer, vom 23. Dezember 1873 (Gefeßbl. für Elsaß-Lothringen
. 479)

tritt an die Stelle des Reichs-Oberhandelsgerichts das Reichsgericht.

Ingleichen gehen die zufolge des Gesezes vom 14. Juni 1871 (Reichs-Geseßbl. S. 315) †) dem Reichs- Overhandelsgericht über die richterlichen Beamten in Elsaß - Lothringen zustehenden Aufsichts- und Disziplinarbefugnisse auf das Reichsgericht über.

§. 2. Für den Ansaß der Gerichtskosten und für die Vergütung der Thätigkeit der Rechtsanwälte in den von dem Reichsgerichte nach den bisherigen Prozeßgefeßen zu erledigenden Sachen find die Vorschriften maßgebend, nach welchen die Gebühren und Auslagen zu berechnen sein würden, wenn die Sache an den obersten Landesgerichtshof gelangt wäre. Die Gerichtskosten fließen zur Reichskasse.

§. 3. Dieses Gesez tritt gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgeseß in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Gegeben Berlin, den 16. Juni 1879.

Infiegel.

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**) Nr. 1193.

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***) Nr. 920 (Bd 3 S. 61, 62).

†) Nr. 679 (Bd 2 S. 481 f.).

*) Nr. 928 (Bd 3 S. 91). Nr. 1409. Gefeß, betreffend die Zuständigkeit des Reichsgerichts für Streit. fragen zwischen dem Senat und der Bürgerschaft der freien und Hansestadt Hamburg. Vom 14. März 1881. (RGB. S. 37. Ausgegeben am 24. März 1881.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Das Reichsgericht entscheidet in den vereinigten Civilsenaten die ihm durch Artikel 71 Ziffer 1 und Artikel 76 der Verfassung der freien und Hansestadt Hamburg vom 13. Oktober 1879 (Gefeß Samml. der freien und Hansestadt Hamburg 1879 S. 353) zugewiesenen Streitfragen zwischen dem Senat und der Bürgerschaft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Infiegel. Gegeben Berlin, den 14. März 1881.

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Vgl. endlich auch noch §§ 3 und 14 der Geschäftsordnung des Reichsgerichts v. 8. April 1880 (Anlage I. zu Nr. 1163 S. 67, 69).

1. der Revision 149) gegen die Endurtheile der Oberlandesgerichte; 2. der Beschwerde 150) gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte.

§. 136.148) In Strafsachen ist das Reichsgericht zuständig:

1. für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letter Instanz in den Fällen des Hochverraths und des Landesverraths 151), insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet sind;

2. für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Revision 152) gegen Urtheile der Strafkammern in erster Instanz, insoweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist 153), und gegen Urtheile der Schwurgerichte.

In Straffachen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher in die Reichskasse fließender Abgaben und Gefälle ist das Reichsgericht auch für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen Urtheile der Straffammern in der Berufungsinstanz zuständig, sofern 154) die Entscheidung des Reichsgerichts von der Staatsanwaltschaft bei der Einsendung der Akten an das Revisionsgericht beantragt wird.

§. 137. Will ein Civilsenat in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung eines anderen Civilsenats oder der vereinigten Civilsenate abweichen, so hat derselbe die Verhandlung und Entscheidung der Sache vor die vereinigten Civilsenate zu verweisen.

Die Verweisung erfolgt an die vereinigten Straffenate, wenn ein Straffenat in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung eines anderen Straffenats oder der vereinigten Straffenate abweichen will.

§. 138. Der erste Straffenat des Reichsgerichts hat bei den im §. 136 Nr. 1 bezeichneten Verbrechen diejenigen Geschäfte zu erledigen, welche im §. 72 Abs. 1 der Strafkammer des Landgerichts zugewiesen sind 155).

Das Hauptverfahren findet vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate statt.

§. 139. Zur Fassung von Plenarentscheidungen 156) und von Entscheidungen der vereinigten Civil- oder Strafsenate, sowie der beiden vereinigten Straffenate ist die Theilnahme von mindestens zwei Drittheilen aller Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden erforderlich.

Die Zahl der Mitglieder, welche eine entscheidende Stimme führen, muß eine ungerade sein. Ist die Zahl der anwesenden Mitglieder eine gerade, so hat derjenige Rath, welcher zuleßt ernannt ist, und bei gleichem Dienstalter derjenige, welcher der Geburt nach der jüngere ist, oder, wenn dieser Berichterstatter ist, der nächst ältere kein Stimmrecht.

149) Vgl. §§ 507 ff. der Civilprozeßordnung (Nr. 1166).

150) Vgl. §§ 530 ff. der Civilprozeßordnung (Nr. 1166).

151) Vgl. §§ 80-93 des Strafgeseßbuchs Nr. 1123 (Bd 3 S. 767 ff.).

152) Vgl. §§ 374 ff. der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

153) Vgl. § 123 Nr. 3 (S. 53).

154) Andernfalls vgl. § 123 Nr. 2 (S. 53).

155) Hinsichtlich der Bestellung eines Untersuchungsrichters vgl. § 184 der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

156) Das Plenum entscheidet nur in den Fällen der §§ 128, 129, 131, 141. Vgl. außer dem § 3 der Geschäftsordnung des Reichsgerichts (Anlage I. S. 67).

§. 140. Die Senate des Reichsgerichts entscheiden in der Besetzung von fieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden.

§. 141. Der Geschäftsgang wird durch eine Geschäftsordnung geregelt, welche das Plenum auszuarbeiten und dem Bundesrath zur Bestätigung vorzulegen hat 157).

Zehnter Titel.
Staatsanwaltschaft.

§. 142. Bei jedem Gerichte soll eine Staatsanwaltschast bestehen.

§. 143. Das Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt:

1. bei dem Reichsgerichte durch einen Ober- Reichsanwalt und durch einen oder mehrere Reichsanwälte;

2. bei den Oberlandesgerichten, den Landgerichten und den Schwurgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte;

3. bei den Amtsgerichten und den Schöffengerichten durch einen oder mehrere Amtsanwälte 158).

Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage 159) in denjenigen Straffachen, welche zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Schöffengerichte gehören.

§. 144. Die örtliche Zuständigkeit der Beamten der Staatsanwaltschaft wird durch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, für welches sie bestellt sind.

Ein unzuständiger Beamter der Staatsanwaltschaft hat sich denjenigen innerhalb seines Bezirks vorzunehmenden Amtshandlungen zu unterziehen, in Ansehung welcher Gefahr im Verzuge obwaltet.

Können die Beamten der Staatsanwaltschaft verschiedener Bundesstaaten 160) sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der ihnen gemeinsam vorgesetzte Beamte der Staatsanwaltschaft und in Ermangelung eines solchen der Ober-Reichsanwalt.

§. 145. Besteht die Staatsanwaltschaft eines Gerichts aus mehreren Beamten, so handeln die dem ersten Beamten beigeordneten Personen als dessen Vertreter; sie sind, wenn sie für ihn auftreten, zu allen Amtsverrichtungen desselben ohne den Nachweis eines besonderen Auftrags berechtigt.

§. 146. Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit Wahrnehmung derselben einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.

Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten und den Schöffengerichten versehen.

157) Vgl. die Anlage I. (S. 67).

158) Vgl. jedoch § 146.

159) Vgl. §§ 156 ff. der Strafprozeßordnung (Nr. 1169).

160) Differenzen zwischen den Beamten desselben Bundesstaats finden nach § 148 ihre Er. ledigung.

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