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Die Sonett-Periode in Shakespeare's Leben.

Von

Hermann Isaac.

Einleitung.

Ueber Werth und Verwerthung von Parallelstellen. Massey sucht in seinem großen Werke über Shakespeare's Sonette zu beweisen, daß die Abfassungszeit der an die schwarze Schöne gerichteten Sonette in den Beginn des 17. Jahrhunderts fällt, indem er folgende 7 Parallelstellen aus den späteren Dramen anführt:

1) Robbed others' beds' revenues of their rents.
And pour our treasures into foreign laps.

2) Be it lawful I love thee as thou lov'st those
Whom thine eyes woo as mine importune thee.
Be it lawful I take up what's cast away.

3) And patience, tame to sufferance, bide each check.
A most poor man, made tame to fortune's blow.

4) Commanded by the motion of thine eyes.
a) He waged me with his countenance.

b) Her gentlewomen, like the Nereides,

So many mermaids, tended her i' the eyes.

5) If eyes corrupt by over-partial looks
Be anchor'd in the bay etc.

There would1) he anchor his aspect and die
With looking on his life.

Sonn. 142.
Oth.

Sonn. 142.

Lear. Sonn. 58.

Lear. Sonn. 149. Cor.

Ant.

Sonn. 137.

Ant.

1) Massey schreibt: Then should.

6) To put fair truth upon so foul a face.

(Subjekt: die Augen des Liebenden.)

False face must hide what the false heart doth know.

7) Whence hast thou this becoming of things ill.

Vilest things become themselves in her.

Sonn. 137.

Macb.

Sonn. 150.

Ant.

Sehen wir uns diese Stellen genauer an, so zerfallen sie in solche, in denen sich eine Aehnlichkeit im Ausdruck zeigt, und in solche, denen ein gleicher Gedanke zu Grunde liegt. Nur 4) macht eine Ausnahme: was Massey sich unter waged' und 'tended her i the eyes' gedacht hat, weiß ich nicht; thatsächlich ist hier auch nicht die entfernteste Aehnlichkeit weder im Gedanken noch im Ausdruck zu entdecken. In 2) ist keine Aehnlichkeit im Gedanken; denn in der Stelle aus Lear liebt der König von Frankreich, was andere (Lear) verwerfen, nämlich Cordelia, und in dem Sonett liebt der Dichter eine Frau, die andere zu reizen sucht. Es bleibt also nur der Ausdruck be it lawful' als Kongruenz übrig. Wenn Massey dies als Parallelstelle hinstellt, so ist es verwunderlich, daß er nicht Tausende von ähnlichen Uebereinstimmungen zum Beweise herangezogen hat, z. B. alle Stellen, in denen it is lawful, it is just', 'it is well' etc. etc. vorkommt. Und wenn der übereinstimmende Gebrauch von 'tame to (3) eine Parallelstelle ist, so sind alle Citate, welche im Shakespeare-Lexikon einen Absatz bilden, Parallelstellen, so ist das ganze Werk weiter nichts als eine Sammlung von Parallelstellen. In so weitem Sinne aber pflegt man das Wort nicht aufzufassen und darf es jedenfalls dann nicht thun, wenn man mit Parallelstellen etwas zu beweisen beabsichtigt. Wenn dagegen (5) die Blicke des Liebenden sich an dem Antlitz der Geliebten so fest anklammern, wie der Anker an den Meeresboden, wenn er an ihren Augen so unauflöslich hängt, wie das Schiff an seinem Anker, so haben wir hier allerdings diejenige AusdrucksAehnlichkeit vor uns, welche wir als Parallelstelle zu bezeichnen pflegen. Ausdrucks-Parallelen sind eben nicht zwei beliebige gleiche Ausdrücke, sondern ungewöhnliche, auffallende Wendungen, die der prosaische, alltägliche Sprachgebrauch nicht kennt, die dem Autor eigenthümlich sind, sei es nun, daß sie, wie hier, auf der bildlichen Bedeutung oder auf der äußeren Form und Zusammensetzung der Worte beruhen.

Die Stellen unter 1) haben weiter keine Aehnlichkeit, als daß in beiden vom Ehebruch die Rede ist; die unter 6) sprechen von

Jahrbuch XIX.

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trugvollen Gesichtern. Nun aber hätte Massey noch manches Dutzend von Stellen finden können, in denen dasselbe Thema behandelt wird. Und wenn man auch füglich alle Stellen, in denen ein Dichter etwa die Treue preist oder die Falschheit geißelt, als Parallelstellen auffassen kann, so werden diese für die Abfassungszeit seiner Dichtungen doch schon darum nichts beweisen können, weil der Dichter, wie jeder andere Mensch, solche Gedanken zu jeder Zeit seines Lebens haben konnte. Wenn man derartige landläufige Ideen als vollgültige Gedanken-Parallelismen anerkennen soll, so müssen sie wenigstens in einer übereinstimmend eigenthümlichen Einkleidung auftreten, was bei jenen Stellen nicht der Fall ist. Vor allen Dingen aber wird man nach Gedanken zu suchen haben, die dem Trivialen entgegengesetzt, für die geistige Individualität des Dichters charakteristisch sind. Wenn wir z. B. von Frauen lesen, welche die Natur mit einer so bezaubernden Grazie begabt hat, daß auch das Schlimmste, was sie thun, an ihnen schön erscheint so ist das eine psychologische Beobachtung, wie sie von den Zeitgenossen Shakespeare's wohl nur selten gemacht worden ist. Wird dann diese Beobachtung an zwei verschiedenen Stellen mit fast denselben Worten ausgesprochen, so haben wir hier (7) allerdings eine vortreffliche Parallelstelle vor uns.

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Von den 7 obigen Parallelstellen kann ich nur 2 als solche anerkennen. Aber gesetzt auch, sie wären alle sieben vollgiltig, würde damit der Beweis geführt sein, daß die Hälfte der LiebesSonette Altersgenossen von Othello, Lear, Antony and Cleopatra seien? Unmöglich. Ich kann Herrn Massey nicht 7, sondern etwa 30 Parallelstellen zu diesen Sonetten in den späteren Dramen nachweisen und zwar, wie ich mir hinzuzufügen erlaube, Stellen, die nach einem strengeren Prinzipe als dem oben bewährten auserlesen sind nichtsdestoweniger halte ich eine derartige Schlußfolgerung auch auf Grund dieser 30 Stellen für falsch. Denn diesen 30 Stellen stehen 100 aus den jugendlichen Stücken, darunter viele beweiskräftige, gegenüber. Einzelne Uebereinstimmungen des Ausdrucks und Gedankens können überhaupt nichts beweisen sie müßten denn von einer ganz besonderen, später zu bestimmenden Art sein. Weshalb sollte denn Shakespeare ein Bild, einen Gedanken, den er 1590 zum ersten Male niederschrieb, nicht 1610 wieder verwandt haben? Will man der Erinnerung des Dichters Grenzen stecken, die in diesem Falle durch

die immerfort wiederholte Aufführung früherer Dramen stets neu aufgefrischt werden mußte? oder will man leugnen, daß sich in dem Hirn eines Menschen unter dem gleichen äußeren Impulse die nämliche Vorstellung nach langer Zeit wieder erzeugen könne? Wir brauchen hier gar nicht an Lieblings-Bilder, an Lieblings-Gedanken des Dichters, die zu den verschiedensten Zeiten seiner dichterischen Produktion wiederkehren, zu erinnern. Ein Blick ins Shakespeare-Lexikon genügt, um zu zeigen, daß dieselben seltenen, auffallenden Ausdrücke in einem sehr frühen und einem selir späten Erzeugniß auftreten können. Und was GedankenParallelismen betrifft, so werden wir uns mit solchen im Verlaufe dieses Aufsatzes so anhaltend zu beschäftigen haben, daß es Raumverschwendung wäre, die Unhaltbarkeit des Massey'schen Verfahrens hier durch Beispiele zu erweisen.

Die Idee Massey's, die Abfassungszeit der Sonette durch Parallelstellen in den andern Dichtungen festzustellen, ist nichtsdestoweniger eine vollkommen richtige; ja, es giebt sogar keinen anderen Weg, der uns auf diesem dunklen Gebiete über vage Vermuthungen hinausführte. Er hätte sich nur die Mühe nehmen sollen, diese Idee mit möglichster Gründlichkeit auszuführen, d. h. den ganzen Shakespeare nach Parallelstellen sorgfältig zu durchsuchen, und sich vor allen Dingen über Werth und Bedeutung derselben klar zu werden.

Es giebt Parallelstellen von sehr geringer sowie von sehr großer Beweiskraft, dazwischen einige Mittelstufen; der Grad der Aehnlichkeit, der Umfang solcher Stellen machen naturgemäß einen Unterschied. Einzelne Ausdrücke, auch wenn sie sehr auffallend und selten sind, haben wenig Gewicht. Die Wiederholung bildlicher Wendungen und jener kurzen, blitzähnlich erleuchtenden Sentenzen, die für unseren Dichter charakteristisch, also nicht trivial sind, ist bemerkenswerther. Noch bedeutungsvoller ist das wiederholte Auftreten ausgeführter Vergleichungen, womöglich mit wörtlichen Anklängen. Am Beweiskräftigsten ist das Wiedererscheinen ganzer Gedankenreihen, womöglich ebenfalls mit wörtlichen Anklängen; ich meine nicht ausschließlich philosophische Entwickelungen, wie sie z. B. das 66. Sonett mit dem Monolog 'To be or not to be' gemein hat, sondern jene längeren auffallendsten Wiederholungen, wie sie den Dichtern jener Zeit gestattet waren, ohne einen Vorwurf gegen die Fruchtbarkeit ihres Genius zu begründen. Eine Reihe von gleichen Ausdrücken hat an nnd für

sich keine selbständige Beweiskraft; sie können nur zur Verstärkung gewichtigerer Mittel dienen. Die Zahl der gemeinsamen Bilder und Gedanken müßte zwischen einer Sonett-Reihe und einem Drama sehr beträchtlich sein, wenn sie etwas beweisen sollten; auch sie haben im Allgemeinen nur auxiliäre Kraft. Das gewichtigste Material für Altersbestimmungen sind zweifellos jene längeren, z. Th. wörtlichen Wiederholungen, da es kaum möglich ist anzunehmen, daß dieselbe Gedankenreihe zweimal, in weit auseinander liegenden Zeiten den Geist des Dichters in gleich lebhafter Weise beschäftigt haben sollte; da ferner wörtliche Anklänge beweisen, daß die eine Stelle ihm noch frisch im Gedächtniß war, als er die andere niederschrieb. Das merkwürdigste und ausführlichste Beispiel einer solchen Uebereinstimmung werden wir sogleich bei der ersten Sonett-Reihe kennen lernen; ein anderes fast ebenso auffallendes mag hier angeführt werden.

Das 127. Sonett, das in einer charakteristischen Weise eine brünette Schönheit preist, findet sich an einer Stelle von Love's Labour's Lost inhaltlich und mit wörtlichen Anklängen wiederholt.

Zu Son. 127.

S. 1. In the old age black was not counted fair, Einleitung.

Or if it were, it bore not beauty's name;

S. 3. But now is black beauty's successive heir,
And beauty slander'd with a bastard shame.

L. L. 262. Her favour turns the fashion of the day.

S. 5. For since each hand hath put on nature's power,

Fairing the foul with art's false borrow'd face,
Sweet beauty hath no name, no holy bower,
But is profan'd, if not lives in disgrace.

L. L. 263. For native blood is counted painting now.
S. 9. Therefore my mistress' [hairs] are raven black,
Her eyes so suited; and they mourners seem
At such, who, not born fair, no beauty lack.
Slandering creation with a false esteem:

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L. L. 258. O, if in black my lady's brows be deck'd,
It mourns that painting and usurping hair
Should ravish doters with a false aspect.

S. 13. Yet so they mourn, becoming of their woe,
That every tongue says, beauty should look so.

L. L. 251.

beauty doth beauty lack,

If that she learn not of her eye to look.

261. And therefore is she born to make black fair.

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