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unsere Modernen nur zu oft in langathmigen Reden nicht einmal zeigen, was sie eigentlich wollen. Neben der Motivirung sei hier gleich eines andern dramatischen Vorzugs gedacht, der vortrefflichen Exposition. Wie ist z. B. in Romeo in kurzer Spanne Alles vorbereitet, wie wird der Zuschauer unterrichtet und natürlich hingeführt zu dem Liebespaare. Wie mitten hinein führt uns Shakespeare ferner in das Liebesleben von Antonius und Cleopatra.

Die tapfern, edlen Augen,

Die über Kriegsreih'n und Legionen glühten,
So wie der erzne Mars, sie heften sich

Und wenden ihrer Blicke Dienst und Andacht

Auf eine braune Stirn

so klagt Philo, der Freund des Antonius, und nun tritt der Held selbst auf, Rom ist über Cleopatra vergessen:

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mit wenigen Worten versetzt uns der Dichter in die schwüle Atmosphäre der Leidenschaft, welche ihre Vernichtung in sich selbst hat.

Nach dieser vielleicht nur scheinbaren Abschweifung wollen wir nachschauen, wodurch die Liebe bei den Shakespeare'schen Helden entsteht. Am allgemeinsten durch äußeres Wohl gefallen, wie in Romeo, in Was Ihr wollt, in Antonius und Cleopatra, in Heinrich VIII. etc. Als Gegensatz erscheint hier Helena in Ende gut, Alles gut, die ihre Liebe einem ihr unwerthen Manne in einer an Leidenschaft grenzenden Weise zuwendet; wie sie ihn gewinnt und wie sie versteht, den Unwürdigen zu sich zu erheben, rechtfertigt dramatisch und psychologisch die an sich sonderbare Wahl. Das Entstehen der Liebe hat eben kein Gesetz; der neckische Zufall spielt da oft wunderbar, am merkwürdigsten wohl in der Gestalt des Puck im Sommernachtstraum, der Titania in heißer Liebe für einen Esel entbrennen läßt, etwas, was doch wohl nur in der Feenwelt vorkommen kann. Oft verbirgt Shakespeare das tiefere Gefühl unter Scherzen, bis das erstere nur um so glänzender hervortritt, z. B. in Liebes Leid und Lust, in Viel Lärm um Nichts; bald ist es regelmäßiges Werben, ein Ringen um den Besitz des oder der

Erwählten, hier und da selbst mit einem Mangel an Weiblichkeit und mit Mitteln, die nur durch den Zweck entschuldigt werden können, wie in Maaß um Maaß und Ende gut, Alles gut; dann finden wir wieder dies Ringen in der vollendetsten Reinheit und Treue z. B. in Sylvia und Julia, in den beiden Veronesern. Bequemer macht es sich Jessica; sie geht einfach mit dem Geliebten durch und nimmt als praktische Dame noch einen Sack voll Kostbarkeiten mit, worüber Vater Shylock mehr erbost ist, als über den Verlust seiner Tochter. Eine durchaus originelle und einzig dastehende Werbung ist die des Petruchio um Katharina; sie hat auf den ersten Anblick um so mehr Verletzendes, als die Mitgift des Mädchens von vorn herein etwas zu stark betont wird.

Wißt Ihr also nun

Ein Mädchen, reich genug mein Weib zu werden,
(Das Geld muß klingen zu dem Hochzeitstanz)

Sei sie so häßlich als Florentin's Schätzchen,

Alt wie Sybille, zänkisch und erbost

Wie Sokrates Xantippe, ja noch schlimmer:
Ich kehre mich nicht dran.

Petruchio spricht hier wie ein praktischer junger Mann des 19. Jahrhunderts, und wir würden ihm jedenfalls seinen Sieg nicht gönnen, wenn wir nicht wüßten, daß er es liebt, etwas zu übertreiben, wie er denn gleich nachher etwas bilderreich spricht: Hört ich zu Zeiten nicht den Löwen brüllen?

Hört ich das Meer nicht aufgeschwellt vom Sturm
Gleich wilden Ebern wüthen, schweißbeschäumt?

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Dazu ist Petruchio reich: „mein Vater starb, doch blieb sein Geld mir leben". Es ist seine überströmende Jugendkraft und sein toller, dabei doch liebenswürdiger Humor, der ihn den Kampf wagen läßt, und diese Eigenschaften gewinnen ihm das Herz seiner Katharina, die im Grunde nur ein unverständiges, verzogenes Geschöpf war. Wir sehen hier die imponirende Männlichkeit die Liebe erzeugen, während Richard III. Anna durch Furcht und Entsetzen zur Liebe zwingt. Wir sind jetzt bei den bedeutenden Männern angelangt, einer Spezies, die uns bis zum Ueberdruß in unsern modernen Romanen und Dramen vorgeführt wird, und zwar meistens so, daß weder Leser noch Zuhörer über die Bedeutung des bedeutenden Mannes klar werden. Wie anders bei Shakespeare. - Als Beispiel nur Othello: Desdemona liebt. trotz Natur und Jugend, Vaterland und Stand und Allem, was ihr

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Grauen schuf zu sehn“ den Mohren von rauhem Wort und schlechtbegabt mit milder Friedensrede, den Mann, der von seinem. siebenten Jahre an nur Krieges that im Felde wie im Lager übte. Er besucht Desdemonas Vater, sie hört ihn erzählen von seinen Reisen und Kriegsfahrten: mit durstgem Ohr verschlang sie seine Rede. Und nun erzählt Othello, wie er nicht durch Tränk' und Künste, nicht durch Beschwörung und Zauberkraft, sondern durch einfache Männlichkeit Desdemonas Liebe gewonnen.

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Ihr Anlaß, daß sie mich recht herzlich bat,
Die ganze Pilgerschaft ihr zu erzählen,
Von der sie stückweis Einzelnes gehört,
Doch nicht mit rechter Folge. Ich begann;
Und oftmals hab' ich Thränen ihr entlockt,
Wenn ich ein leidvoll Abenteu'r berichtet
Aus meiner Jugend. Als ich nun geendigt,

Gab sie zum Lohn mir eine Welt von Seufzern!

Sie schwur in Wahrheit seltsam! wunderseltsam!

Und rührend wars! unendlich rührend wars!

Sie wünschte, daß sie's nicht gehört; doch wünschte sie,
Der Himmel habe sie als solchen Mann

Geschaffen, und sie dankte mir und bat mich,
Wenn je ein Freund von mir sie lieben sollt',
Ich mög' ihm die Geschicht' erzählen lehren,
Das würde sie gewinnen. Auf den Wink
Erklärt' ich mich:

Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand,

Ich liebte sie um ihres Mitleids willen.

Das ist der ganze Zauber, den ich brauchte.

Sehn wir uns noch die Hindernisse an, die der werbenden Liebe bereitet werden und durch welche die Konflikte entstehen, so bemerken wir im Allgemeinen, daß Shakespeare vermeidet, Probleme zu behandeln und sich ebenso durch ethische und sittliche Behandlung der Stoffe, wie durch Einfachheit und Natur auch hier auszeichnet. Dabei bewundern wir die Mannigfaltigkeit und wie er es versteht, denselben Grundzug in der verschiedensten Weise zu beleuchten. Meist sind es die lieben Eltern, die den Liebenden Hindernisse bereiten; bald leben sie in grimmiger Familienfeindschaft, wie die Capuletti und Montecchi, die für Familienzwistigkeiten typisch geworden sind; bald ist es ein unverständiger Vater, der gleich dem alten Laban erst seine älteste Tochter verheirathen will, ehe er der jüngeren die Einwilligung zu ihrer Ehe giebt (Bezähmte Widerspenstige), oder ein

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anderer, der, wie im Kaufmann, testamentarische Bestimmungen trifft, nach welchen nicht die Liebe der Tochter, sondern drei Kästchen, mithin der Zufall, über ihre Zukunft entscheidend ist; bald trennen Standesrücksichten die Geliebten, wie im Wintermärchen Perdita von ihrem Florizel, Imogen von ihrem Posthumus, Ophelia von Hamlet, während Hamlet der Liebe zur Ophelia entsagt, um frei von aller andern Leidenschaft unbeirrt sein Ziel verfolgen zu können; hier sind es Racenunterschiede, die der Vereinigung entgegenstehn, wie bei Desdemona und dem Mohr, Jessica und Lorenzo, dort säen böse zischelnde Zungen Unfrieden, der in Eifersucht aufgeht, wie in Viel Lärm um Nichts, oder der grosse Konflikt zwischen Liebe und Pflicht wird ausgetragen, wie in Antonius und Cleopatra. Wo wir aber hinblicken, steht Shakespeare wie ein Richter der Welten über allen Konflikten, selbst die Ausbrüche der wildesten Leidenschaft durch die poetische Gerechtigkeit verklärend.

Bei der werbenden Liebe dürfen wir die Liebhaber nicht vergessen, die kein Glück in der Liebe haben. Shakespeare schildert sie mit wenigen Ausnahmen so, daß wir uns über ihren Mißerfolg nur freuen können. In Cymbeline sehn wir Cloten roh, Jachimo heuchlerisch sich um Imogen bewerben. Beide thun es in einer Weise, die eine so geringe Kenntniß des weiblichen Herzens verräth, daß ihnen auch bei einer weniger reinen und edlen Natur als Imogen die Zurückweisung sicher gewesen wäre. In den lustigen Weibern wird der werbende Ritter Falstaff in einen Waschkorb gepackt, mit der Wäsche in den Bach geschüttet, geneckt und gehänselt. Statt des geträumten Liebesglückes erhält er übrigens wohlverdiente Prügel. In Othello wird Rodrigo, der Desdemona liebt, „der Narr und der Seckel" Iagos, indem dieser ihm seine Unterstützung in der Liebeswerbung um des Mohren Gattin verspricht. „Du sollst sie besitzen, darum schaff' dir Geld" ist das Versprechen und der Rath, mit dem er alle Einwendungen Rodrigos, sogar seine allerdings wohl nicht sehr ernsthaft gemeinten Selbstmordgedanken, aus der Welt schafft. Die Leidenschaft verblendet Rodrigo so, daß er dem Schurken vollständig traut; eine kurze Ueberredung genügt, um ihn sagen zu lassen:

Ich denke jetzt anders. Ich will alle meine Güter verkaufen und Jago, der recht gut weiß, daß er sich mit dem Gimpel keine weitere Mühe zu geben hat, wiederholt nur seinen Refrain:

Nur zu! thu nur Geld genug in deinen Beutel.

Aehnlich, nur etwas harmloser wird in Was Ihr wollt Junker Christoph ausgebeutet. Die Liebe des närrischen Junkers zu Olivia benutzt deren Vetter Junker Tobias; er gewinnt dadurch einen Zechkumpan und einen allezeit bereiten Zahler. Junker Christoph ist übrigens so recht ein Liebhaber, der nicht ernst zu nehmen ist; er ist häßlich, dumm, eingebildet und hat eine Vorliebe für Trinkgelage und schlechte Gesellschaft, aber er bildet einen prächtigen Kontrast zu dem aus Liebe melancholischen Herzog, der ja auch nicht erhört wird, sich aber dafür in einer andern Liebe zu trösten weiß. Als dritter im Bunde ist noch der Haushofmeister Malvolio zu erwähnen, der sich einreden läßt, seine Herrin wäre sterblich in ihn verliebt und nun, um ihrem vermeintlichen Geschmacke zu entsprechen, sich närrisch kleidet und mit von ihr unverstandenen Redensarten sie ängstigt, bis er sich dann überzeugen muß, daß er ebensowenig Olivias Geschmack ist wie seine gelben Strümpfe und die kreuzweise gebundenen Kniegürtel es sind.

Für den Beobachter hat die werbende Liebe ein größeres Interesse als die eheliche. Wir werden uns daher jetzt kürzer fassen können, obgleich wie Shakespeare die eheliche Liebe schildert zu mannigfachen Betrachtungen anregt. Welche verschiedene Charaktere führt er uns da vor, von der tändelnden Lady Percy, die ihrem Heinrich den kleinen Finger zu brechen droht, im Augenblick, da er zum entscheidenden Kampf auszieht, bis zu jenem dämonischen Weibe Lady Macbeth, die den geliebten Mann als König sehen will und um des willen jede weiche Regung, jede Frauennatur verleugnet; und wie anders fühlt diese im Vergleich zu Coriolans Gattin, die süß schweigende Virgilia; welch ein Unterschied zwischen einer Imogen, Desdemona, Hermione und der wilden Tamora in Titus Andronicus. die einen die Liebe verherrlichend, die andern sie befleckend.

Die Zahl der ungetreuen Frauen bei Shakespeare ist gering; sehen wir von Tamora ab, die mit der gährenden und ungeklärten Kraft des jugendlichen Dichters, aber doch mit wunderbar poetischer Bedeutung geschildert ist, so finden wir in Cymbeline als Gegensatz zu Imogen die verbrecherische Königin, die, um ihren Sohn aus erster Ehe zur Herrschaft zu bringen, das Leben ihres Gemahls bedroht; in Hamlet jene Königin Gertrud, deren Mitschuld an dem Tod ihres Mannes mehr vermuthet wird, als ausgesprochen ist, die aber jedenfalls durch ihre schnelle Wiederver

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