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gnügt, solche Stellen in abkürzender Paraphrase, seltener in wörtlicher prosaischer Uebersetzung, mitzutheilen. Da ich überall das Wesentliche darin wiedergegeben, so wird dasjenige, worauf es mir ankommen mußte, sicherlich auch so erreicht sein.

Ein summarisches Verfahren mußte ich da einschlagen, wo, wie in der Analyse der Freundschaftspartie der Two Gentlemen of Verona, eine durchgängige Bezugnahme auf Shakespeare's geistesverwandte Sonette als die beste Illustration sich empfahl. Hätte ich da in Details mich einlassen wollen, so wären ganze Reihen der Sonette auszuschreiben gewesen. Statt dieses störenden Ballastes hielt ich es für angemessener, auf meine frühere Abhandlung über Shakespeare's Sonette zu verweisen, die im ersten Bande des Jahrbuchs und in meinen „Abhandlungen zu Shakespeare" (Elberfeld bei Friderichs 1878) sich findet. Die dort gegebene Analyse und Inhaltsanzeige genügt vollkommen, um die hier betonte innige Verwandtschaft seiner lyrischen Poetik und seiner dramatischen in jener Jugendperiode unseres Dichters darzuthun.

Das früheste Drama unseres Dichters, welches das Freundschaftsthema behandelt, ist The Two Gentlemen of Verona. Und zwar hat Shakespeare dieses Drama gleichsam geflissentlich und ganz selbständig in einer Weise gefaßt, die von der in seinen übrigen Dramen beobachteten Art merkwürdig abweicht. Wo er sonst in seinen Schauspielen ein Freundespaar auftreten läßt, nimmt dasselbe entweder einen sekundären Platz ein, oder es war ihm bereits durch den seiner dramatischen Bearbeitung vorliegenden Stoff dargeboten. Hier aber hat der Dichter eine ursprünglich einfache Liebesgeschichte aus dem spanischen Schäferroman des Juan de Montemayor, die sich lediglich zwischen einem zeitweilig treulosen Liebhaber und den beiden Gegenständen seiner wechselnden Neigung abspielt, zu einer höheren Bedeutung und einem interessanteren psychologischen Objekte erhoben, indem er diese Episode des Romans aus seiner Phantasie ausstattete und verquickte mit dem hinzugefügten Kontraste des treuen und des treulosen Freundes. So dürfen wir, abgesehen von andern innern und äußern Gründen, welche für die chronologische Bestimmung dieses Schauspiels als einer Shakespeare'schen Jugendarbeit sprechen, die Abfassung desselben in die frühere Lebensperiode des Dichters versetzen, da er in einer Reihe von Sonetten dasselbe Thema vielseitig

beleuchtete: die Konflikte nämlich, die aus der blinden und schwärmerischen Hingebung des würdigen Freundes an den unwürdigen Freund in der Rivalität um eine Geliebte entstehen. Dieselben Gesichtspunkte, die sich aus solchen freiwilligen Täuschungen und bittern Enttäuschungen in der lyrischen Gestaltung der Sonette ergeben, hat Shakespeare hier dramatisch ins Auge gefaßt. Eine Analyse der betreffenden Partieen des Dramas wird daher füglich durch die gelegentliche Verweisung auf die entsprechenden Sonette erläutert.

Das Verhältniß zwischen den beiden Freunden Valentin und Proteus im Momente der Abreise des Ersteren erscheint zunächst als das herzlichste. Nachdem Proteus vergebens versucht hat, seinen Freund zum Bleiben zu veranlassen, während ihn selbst seine Liebe zur Julia an Verona fesselt, nimmt er zärtlich Abschied von dem Scheidenden. Proteus' Charakterschwäche, die später im Drama so verhängnißvoll hervortritt, läßt uns der Dichter schon ahnen in dem monologischen Selbstbekenntniß, das er ihm in den Mund legt nach dem Weggang seines männlicheren Freundes. In ähnlicher Weise hat der Dichter auch in manchen Sonetten den demoralisirenden, erschlaffenden Einfluß der Liebe auf den Freund betont. Einen weiteren Fingerzeig zum Verständniß des haltlosen Charakters dieses Proteus bietet dann die Bereitwilligkeit, mit der er dem Beschluß seines Vaters sich fügt, ihn nach Mailand zu senden, wohin Valentin ihm vorausgegangen ist. In die Trennung von der angeblich zärtlich Geliebten findet er sich so leicht, daß wir den Betheuerungen treuesten Liebesgedenkens, mit denen er von ihr scheidet, kaum unsern Glauben beimessen können. Und die frohe Aussicht, mit seinem Valentin in Mailand wieder zusammenzusein, scheint ihm dabei nicht einmal in den Sinn zu kommen, wenigstens erwähnt er sie mit keinem Worte. Im schroffsten Gegensatze zu dieser oberflächlichen Gleichgültigkeit des Proteus steht Valentin's begeistertes Lob seines Freundes, als der Herzog ihm dessen bevorstehende Ankunft meldet. Wie er da in seiner Freundschaftsschwärmerei dem Proteus alle Vorzüge zuschreibt, die er selbst, aber eingestandener Maßen nicht Proteus, besitzt, so dichtet in manchen Sonetten auch der Dichter dem Freunde alle möglichen vortrefflichen Eigenschaften an, freilich um wiederum in andern Sonetten seine eigne Verblendung und Enttäuschung um so bitterer zu beklagen. Hätte der redliche Valentin auch nur eine Ahnung von der Flatterhaftigkeit seines Freundes, so würde er

schwerlich die von ihm verehrte Silvia bitten, ihre Gunst auch dem Proteus in demselben Maaße wie ihm selber zuzuwenden eine Arglosigkeit seinerseits, die er denn bald genug zu bereuen hat, wie in den Sonetten der Dichter ebenso unvorsichtig war, den Freund bei der Geliebten zu introduciren und so den ersten Anlaß zu der beiderseitigen Treulosigkeit gegen ihn zu geben. Noch schlimmer als in den Sonetten ist es aber im Drama, wenn Valentin den Proteus zum Vertrauten seiner heimlichen Liebschaft mit der Silvia macht und ihn zu deren Förderung um seinen Rath und Beistand bittet, ohne zu ahnen, daß schon beim ersten Anblick der Silvia, Proteus selbst sich in sie verliebt hat. In der That spricht der im nachfolgenden Monologe mit gleichem Cynismus diesen Neigungswechsel wie das Erkalten seiner Freundschaft für Valentin als etwas Selbstverständliches aus. Das Resultat seines doppelten sittlichen Treubruchs äußert er dann unverholen in dem Schlußwort seines Monologs: wenn er seine von Julia zu Silvia abschweifende Liebe bezähmen könne, so wolle er es thun; wenn aber nicht, so wolle er alle seine List anwenden, der Silvia habhaft zu werden.

In einem folgenden Monologe sucht Proteus den dreifachen Treubruch, den er begehen will, gegen Julia, gegen Silvia und gegen Valentin, mit der schönen Moral vor sich zu rechtfertigen, er stehe sich selbst doch näher, als sein Freund. So entschließt er sich denn kurz und gut, dem Vater der Silvia den ihm von Valentin im Vertrauen mitgetheilten Entführungsplan zu verrathen, um durch die Verbannung Valentin's sich selber freieren Spielraum für seine Bemühungen um Silvia zu verschaffen. In der Scene, in der er dieses hinterlistige Vorhaben ausführt, zeigt er sich denn als vollendeten Heuchler: nur sein Pflichtgefühl, sagt er, und seine Dankbarkeit gegen den Herzog, der seine Tochter einem anderen Freier, dem Thurio, bestimmt habe, zwinge ihn, das Gesetz der Freundschaft zu brechen, die ihn mit Valentin verknüpfte. Sein böser Anschlag gelingt ihm nur zu gut. Der ergrimmte Herzog schickt den Valentin in die Verbannung, und Proteus spielt nun dem betrogenen Freunde gegenüber den bedauernden Tröster und Rathgeber und erbietet sich zum Beförderer des Briefwechsels zwischen den beiden Liebenden, wie auch in den Sonetten gelegentlich der Dichter selbst zum Vermittler zwischen dem treulosen Freunde und der treulosen Geliebten sich hergeben muß.

Der verbannte Valentin geräth auf seiner Reise von Mailand nach Verona in die Gesellschaft anderer wegen verschiedener Hän

del Verbannter, die ein, nur etwas verfeinertes, Räuberleben führen und nun ihn als einen Mann von höherer Bildung zu ihrem Hauptmann erwählen. Er nimmt diese zweifelhafte Würde unter der Bedingung an, daß sie keinen unschuldigen Weibern und armen Reisenden Gewalt anthun.

Proteus ist, wie er selbst in seinem nächsten Monologe bekennt, durch seine vielfache Treulosigkeit bei seinen Bemühungen um die Gunst der Silvia nicht gefördert worden. Vielmehr muß er sich von ihr seine Falschheiten gegen Julia und gegen Valentin bitter vorwerfen lassen. Bei dem Ständchen, das er der seine Schlechtigkeit durchschauenden, spröden Geliebten darbringen läßt, wird er von Julia, die ihm in Männerkleidung nach Mailand gefolgt ist, belauscht und nimmt sie dann unerkannt später als Pagen in seinen Dienst, um sie als solchen u. A. auch zur Silvia zu senden. Letztere, um sich den lästigen Bewerbungen ihrer beiden Freier Proteus und Thurio zu entziehen, begiebt sich auf die Flucht und geräth in die Hände der Genossen Valentin's, aus denen der ihre Flucht verfolgende Proteus sie befreit. Die letzte Scene, vom Dichter, wie das bei seinen Schlußscenen häufiger der Fall ist, flüchtiger skizzirt, führt dann die Lösung aller Wirren in einer Weise herbei, die dem Dichter und dem Publikum, für das er schrieb, immerhin befriedigend erscheinen mochte. Valentin ist in seinem Versteck Zeuge der ungestümen Werbungen des Proteus um die von ihm befreite Silvia und tritt, da ihm endlich die Augen aufgehen über den Unwerth seines falschen Freundes, dazwischen in dem Augenblicke, da Proteus mit dem Ausruf: „Wer beachtet einen Freund, wo es sich um Liebe handelt?" der Silvia Gewalt anthun will. Valentin's energische Strafrede bezeugt, eine wie schwere Wunde seinem Herzen der vermeintliche, so zärtlich von ihm geliebte Freund geschlagen hat. Ein Ton der tiefsten Wehmuth wird in dieser Anklage und Klage laut neben dem der gerechtesten Entrüstung. Und wie in den Sonetten auch der Dichter die Untreue des Freundes öfter beklagt als verdammt, wie er da noch immer für den reuigen Freund einen Platz in seinem Herzen offenhält, so scheint der Dramatiker es auch hier ganz in der Ordnung zu finden, daß Valentin auf ein einfaches kurzes Reuebekenntniß des Proteus und auf dessen Bitte um Vergebung, sich für zufriedengestellt und den Freund wiederum für redlich erklärt. Etwas zu weit für die gewöhnliche Auffassung scheint er allerdings in seiner Großmuth zu gehen, wenn er dem Proteus nicht nur

verzeiht und seine alte Freundschaft wieder schenkt, sondern auch überdies das, was ihm selber von Silvia angehöre, dem Proteus überweist. Die Kommentatoren haben denn auch an diesem für uns befremdlichen Passus vielfachen Anstoß genommen und vielfache Textänderungen vorgeschlagen oder auch die Stelle für interpolirt oder defekt ausgegeben. Aber der Kontext zwingt uns, die ursprüngliche Version unangefochten zu lassen, denn die Ohnmacht, in welche unmittelbar nach dieser auffälligen Erklärung Valentin's Julia fällt, die als vermeintlicher Page des Proteus zugegen ist, erklärt sich einfach nur aus ihrer Ueberzeugung, daß ihr Proteus für sie verloren wäre, wenn er das großmüthige Anerbieten Valentin's annehmen sollte. Endlich darf daran erinnert werden, wie eine ähnliche Verzichtleistung auf die Geliebte zu Gunsten des treulosen Freundes auch in den Sonetten gleichsam als ein Akt des Heroismus in der Freundschaft dargestellt wird. Daß übrigens Proteus den allzu großmüthigen Freund mit seiner Resignation nicht beim Worte zu nehmen hatte, dafür sorgte einerseits die Anwesenheit der Silvia, die auf solchen Tausch schwerlich eingegangen wäre, andererseits die sich in ihrer wahren Gestalt enthüllende Julia, zu der Proteus dann aber so leicht zurückkehrt, wie er früher sie leicht verlassen hatte. Die einzige Buße, welche ihm von Valentin auferlegt wird, soll ja darin bestehen, daß er den Bericht seiner wechselnden Liebschaften mit anhören muß. Auch in den Sonetten werden ähnliche leichte Bußen dem Freunde auferlegt, nachdem der Dichter, von dessen Reuethränen gerührt, ihm Alles, was er an ihm gesündigt, verziehen hat.

Das zweite Drama, das unser Dichter zur Verherrlichung der Freundschaft verfaßt hat, The Merchant of Venice, gehört wie einer späteren Entstehungszeit so auch einem anderen Ideenkreise an, als das eben betrachtete. Nicht um eine blinde und deshalb schmählich getäuschte Hingebung des Freundes an den Freund handelt es sich hier, sondern um eine Freundschaft auf der soliden Basis gegenseitiger Achtung, die dann auch ihren Lohn in der siegreich bestandenen schwersten Prüfung erhält. Wenn in The Two Gentlemen of Verona Shakespeare, wie wir sahen, seinen Stoff, wie bei den Sonetten gleichen Inhalts, aus seiner eignen Phantasie geschöpft und mit dem andern Stoffe, den ihm die Diana des Juan de Montemayor darbot, zu einem Ganzen verknüpft. hat, so fand er für seinen Merchant of Venice das Freundespaar bereits in seiner Quelle, dem Pecorone des Giovanni Fiorentino,

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