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DER

UTRECHTER VERTRAG.

Die Geschichte der neueren Diplomatie bietet seit dem westphälischen Friedensschlusse keine Unterhandlung dar, welche die des utrechter Friedens an Wichtigkeit überträfe. Der Vertrag vom 11. April 1713 hatte nicht bloss den Zweck bei Gelegenheit der spanischen Erbfolge die Interessen einiger souveränen Häuser zu schlichten; es sollte auch dadurch unter den europäischen Mächten ein heilsames Gleichgewicht hergestellt werden. Er bestimmt das Recht, welches das Interesse für die allgemeine Sicherheit der Staaten verleihen kann, und setzt demselben seine Gränzen. Dadurch, indem er nämlich dieses heilige Recht mit der nationellen Unabhängigkeit in Bezug auf Ausübung der Landesherrlichkeit nach innen in Einklang bringt, ergänzt er den pyrenäischen Vertrag und legt dem neueren Völkerrechte die festen Grundlagen.

Das Steigen der englischen Macht, das Sinken der holländischen, Preussens Aufschwung, die Ausbreitung der russischen Herrschaft, die Theilung Polens, Schwedens Verringerung, die Emancipation der grossen Colonien Amerika's und das Entstehen der Repräsentativ-Staaten,

haben seitdem die Elemente des Gleichgewichtes verrückt; allein die Grundlagen sind dieselben geblieben. Und es ist unstreitig, dass das öffentliche Recht des südlichen Europa's fortwährend auf der durch den utrechter Vertrag gelegten Basis beruht.

Während eines mehr denn fünf und zwanzigjährigen Friedens gewann der politische Geist Europa's Zeit sich zu befestigen und zu entwickeln. Die alte, seit den Feudalkriegen zwischen England und Frankreich gehegte Feindschaft schien erloschen. Bis zum Ausbruche des österreichischen Erbfolgekrieges hielten beide Grossmächte, eng verbündet, das Schiedsrichteramt über die Ruhe Europa's. Zu gemeinsamer Politik, zu gemeinsamen Interessen gesellte sich das näher umschlingende Band geistigen Austausches, und der freie Verkehr englischer und französischer Ideen beförderte Literatur und Wissenschaft.

Die Tories waren es, welche, trotz der Opposition der wighschen Partei, den utrechter Frieden zu Stande gebracht hatten. Diese hätten, allen wahren Interessen Englands zuwider, den Krieg mit Frankreich gern fortgesetzt. Lange noch nach dem Friedensschlusse sahen sich die Haupturheber des Vertrages, die das heutige Europa den Wohlthätern der Menschheit beizählt, yon den Angriffen des Parteihasses verfolgt. Doch wurde in Vollziehung dieses grossen diplomatischen Actes stets mit Aufrichtigkeit zu Werke gegangen.

Meine Absicht ist, den Gegenstand der zu Utrecht abgeschlossenen öffentlichen Pacten, so weit dieser die politischen Interessen Frankreichs und Spaniens berührt, auseinander zu setzen. Ich werde den wahren Sinn der Verträge nachweisen, und somit jedem Anlass zu Irrun

gen hierüber zuvorkommen. Namentlich soll untersucht werden, ob bei einer neuerdings stattgefundnen Unterhandlung die Verbindlichkeit jener Uebereinkünfte eine wirkliche oder mögliche Verletzung erlitten. Um aber bei einer solchen Untersuchung mit vollkommner Einsicht und Genauigkeit zu verfahren, wird es nothwendig sein zuförderst auf jene Ereignisse, welche dem utrechter Friedensschlusse vorangegangen, einen Ueberblick zu werfen, um den Geist und die Bedeutung der Unterhandlungen richtig erfassen zu können. Wir müssen ferner in die Absicht der Contrahenten eindringen, um zur richtigen Auslegung der Originalien zu gelangen. Endlich werden wir in der Vollziehung der diplomatischen Acten und in den mit Zustimmung der betheiligten Nationen vollbrachten Thatsachen den wahren, richtigen Sinn des Vertrages zu suchen haben.

I. VOM SPANISCHEN THRONFOLGERECHTE.

Während der Periode der Gothenkönige bis zum Einfall der Araber war Spanien ein Wahlreich.

Nach der arabischen Eroberung erhielt sich, wie bekannt, der gothische oder christliche Stamm in Asturien. Die königliche Würde verblieb wählbar, jedoch auf die männliche Linie einer Heldenfamilie beschränkt. Diese Beschränkung, durch welche die Krone das Eigenthum einer Familie ward, erhielt sich drei Jahrhunderte lang. Man ging weiter. Durch eine Verwirrung der Begriffe, welche aus dem bei den spanischen Christen Geltung habenden westgothischen oder römischen Grundgesetze entsprang, nach welchem das Weib, dem Manne gleich,

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bei der Gütertheilung berechtigt war, kam man dahin das gemeine bürgerliche Erbfolgerecht auf die Uebertragung der Krone oder der Staatsgewalt anzuwenden; im Gegensatze zu dem im fränkischen Reiche geltenden salischen Gesetze, welches die Frauen von der Theilung des Allodialbesitzes ausgeschlossen hatte. Die Anwendung des Privatrechtes auf das Staatsrecht führte mithin in beiden Ländern zu entgegengesetzten Ergebnissen. Eine Spanien eigenthümliche Ursache, zu den allgemeinen sich gesellend, welche, ausgenommen in der französischen Königswürde, die weibliche Lehenfolge überall einführten, brachte Wirkungen hervor, deren Entwickelung durch die geographische Lage der Halbinsel noch begünstigt wurde, und das Herkommen der weiblichen Erbfolge setzte sich, gleichwie in der bürgerlichen Ordnung, so auch auf dem Throne fest.

Dieses Thronfolgegesetz blieb länger denn zwei Jahrhunderte hindurch im Zustande eines Gewohnheitsrechtes, bis es ungefähr um 1260 von König Alfons dem Weisen in sein berühmtes Buch: Las siete Partidas, aufgenommen wurde. Nachdem er die Rechte des erstgebornen Sohnes festgesetzt und begründet, fährt der König folgendermassen fort (1):

« Wenn gleich, der alten Sitte gemäss, die Väter gewöhnlich Sorge >> getragen haben ihre nachgebornen Kinder zu betheiligen, so ist hin» wider, in Berücksichtigung des allgemeinen Besten, und in Betracht » dass die Theilung der Thronfolge des Reiches Untergang nach sich ziehe, » nach den Worten unsres Herrn Jesu Christi, der da spricht: Jedes » Reich das in sich uneins ist wird zu Grunde gehen; von weisen und >> erfahrnen Männern für recht erachtet worden, dass die höchste Gewalt >> im Königreiche, nach dem Tode des Vaters, auf den ältesten Sohn » allein übergehe. Eine solche Sitte ist von jeher in allen Ländern der

(1) S. Anhang, N. 1.

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