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welche die Gestalt der Dinge veränderte. Gleichwohl hatte das Einverständniss dreier durch ihre Gewandtheit ausgezeichneter Männer, welche, im Geheimen, gleich feindlich gegen Ludwig XIV. und Frankreich gestimmt waren, einen entscheidenden Einfluss auf den neuen Geist der Coalition. Es waren der Prinz Eugen, Marlborough und der Rathspensionnär Heinsius. Der Erstere war aufs Empfindlichste von Ludwig XIV. verletzt worden; der Zweite war Eines der Häupter der Whigs in England; das Interesse seiner Partei drängte ihn zum Kriege und ein persönlicher Hass gegen Frankreich führte ihn natürlich dazu. Heinsius suchte Ersatz für eine im letzten Kriege den Holländern angethane Demüthigung. Dieses Triumvirat war die Coalition selbst; denn Eugen und Marlborough waren eben sowohl Staatsmänner als Heerführer; sie hatten das unbeschränkte Vertrauen und die Vollmachten ihrer Fürsten, deren Kriegsheere und Politik sie leiteten.

Das Glück Frankreichs erhielt sich zwei Jahre aufrecht; die Unfälle fingen gegen Ende des Feldzuges von 1704 an. Angriff und Vertheidigung hatten den Charakter eines blutigen Kampfes angenommen. Die Episoden dieses grossen Erbfolgekrieges sind allgemein bekannt, ich brauche sie hier nicht aufzuzeichnen. Der Gott der Schlachten, der Frankreich so lange günstig gewesen war, schien es plötzlich zu verlassen. Im Jahre 1705 erfuhren wir die Niederlage bei Hochstädt, welche uns zwang Deutschland zu räumen. Die Niederlage bei Ramillies, 4706, vertrieb uns aus den Niederlanden, die von Turin aus Italien. Der Krieg überschritt nun die Gränzen von Alt-Frankreich. Toulon ward belagert, Lille genommen, und wir verloren ausserdem noch die Schlacht von

Oudenarde. Die Erschöpfung Frankreichs war ausserordentlich, die Theurung kam hinzu und vergrösserte die allgemeine Noth; der Ruhm und die Grösse der Monarchie schienen zu schwinden.

Durch das Unglück Frankreichs entmüthigt, verlangte der ritterliche König den Frieden von Feinden, denen er ihn während eines halben Jahrhunderts dictirt hatte. Die Coalition, durch ihr Glück verblendet, missbrauchte den Sieg. Torcy und der Präsident Rouillé reisten (1709) nach dem Haag, und empfingen Anzeige eines Entwurfs, aus vierzig Artikeln bestehend, der die Bedingungen enthielt, welche die Verbündeten Frankreich als PRÆLIMINARIEN aufzuerlegen gedachten. Diese Vorschläge waren von Heinsius, Marlborough und dem Prinzen Eugen unterzeichnet: wenn Frankreich sie annahm, bewilligte man einen Waffenstillstand; wenn aber der Friede in zwei Monaten nicht geschlossen, sollten die Feindseligkeiten aufs Neue anfangen. In diesem Zeitraume von zwei Monaten sollte Frankreich den Erzherzog Karl als König von Spanien, Indien, Neapel und Sicilien, und, im Allgemeinen, aller unter dem Namen der spanischen Monarchie begriffenen Staaten anerkennen; der Herzog von Anjou, Philipp V., sollte unmittelbar Spanien verlassen, Sicilien räumen, u. s. w. Frankreich sollte dem Kaiser Strassburg, Breisach, Landau und den Elsass überliefern, den es von nun an im buchstäblichen Sinne des westphälischen Friedens besitzen sollte, d. h. es musste sich mit dem Präfectur-Rechte über die zehn kaiserlichen Städte begnügen. Es sollte an die vereinigten Staaten Kassel, Lille, Doornik, Condé und andere Festungen Flanderns abtreten (1).

(1) S. den Text in Dumont, loc. cit., p. 234.

Der sechste Artikel dieser berüchtigten Präliminarien

lautete wie folgt:

« Die spanische Monarchie verbleibt ungetheilt dem Hause Oesterreich, » ohne dass irgend ein Theil derselben entzogen, noch die besagte Monarchie » ganz oder theilweise mit der von Frankreich vereinigt werden kann; » weder ein und derselbe König, noch ein Prinz aus dem Hause Frankreichs, » darf auf irgend eine Art König von Spanien werden, weder durch Testa» ment, noch Vertrag, Erbschaft, Eheverträge (conventions matrimoniales), » Schenkung, Ankauf, oder andere Mittel wie sie auch heissen mögen; » auch darf weder ein Fürst der in Frankreich regiert, noch ein franzö» sischer Prinz in Spanien regieren, noch in dem ganzen Bereiche der » besagten Monarchie irgend eine befestigte Stadt, Festung oder Lände» reien, weder für sich noch seine Kinder, Brüder, Erben und Nach» kommen, weder durch Schenkungen, Ankäufe, Austausche, Ehever» träge, Erbschaften, Aufrufe, u. s. w., besitzen, hauptsächlich nicht in » den Niederlanden. »

Der Gegenstand und die Politik der Coalition waren also nicht mehr dieselben, die sie 1701 waren; damals verlangte sie für den Kaiser von Oesterreich nur satisfactionem æquam et rationi convenientem, die Fortdauer der Trennung Frankreichs von Spanien, und ne regna Galliæ et Hispaniæ unquam sub idem imperium venirent; am 28. Mai 1709, im Haag, verlangte sie die ganze spanische Monarchie für Oesterreich, und die Ausschliessung aller französischen Prinzen von der Krone Spaniens, wenn selbst sie nicht durch Erbschaft, sondern durch Heirath dazu berufen würden. Der letzte Fall war eine auffallende und nicht vorhergesehene Neuerung, eine sonderbare Klügelei in der Ausschliessung. Es war diess eine Vorsichtsmassregel wie man sie noch nirgends bemerkt hatte, weder in den spanischen Heirathen der Könige von Frankreich, noch in den Testamenten der Könige von Spanien, noch in den Entsagungen der Königinnen Anna und Maria Theresa. In den letzten Acten waren die französischen

Prinzen als Erben ausgeschlossen, aber nicht als Ehemänner einer Infantinn Thronerbinn; man hatte vermeiden wollen, dass ein unmittelbar Erbfähiger der Krone Frankreichs je Ansprüche auf die Krone Spaniens machen könne, als Erbfähiger beider Königinnen; solches ist der Sinn und Buchstabe der Acten. Man hatte aber nicht in die Unfähigkeit den Fall einbegriffen, in dem ein Prinz, in einer andern Eigenschaft als der eines Erben beider Infantinnen, zur Krone gelangen könnte: den Fall, z. B., wo er eine spanische Prinzessinn heirathete, und daran dächte sich neben ihr auf den Thron zu setzen und auf sein Vaterland zu verzichten. Die Worte: Eheverträge (conventions matrimoniales) befinden sich nicht in der weitschweifigen Entsagung Maria Theresa's. Es war diess ein besonderer Fall, auf den die Klausel nicht bezogen werden konnte, wenn man sich in die Idee und den Zweck der Entsagung zurückversetzt; es war ein bedinglicher Fall, fast wie der, über welchen Karl II., in seinem Testamente, verfügt hatte, indem er den jüngsten Prinzen Frankreichs, der nicht Thronerbe war, berief einen besondern Stamm in Spanien zu gründen.

Um einen Bourbon auszuschliessen, der den Thron Spaniens, nicht in der Eigenschaft eines Erben zweier Königinnen, sondern als Ehemann einer Infantinn bestieg, musste man mehr verbieten als den Besitz mehrerer Kronen; man musste die ganze Familie, ohne einen andern Staatsgrund als den eines lächerlichen Misstrauens, und, um die Wahrheit zu sagen, aus Hass gegen das Geblüt und den Namen ausschliessen.

Man wollte zu verstehen geben dass die Ausschliessung der Familie keinen andern Zweck habe, als den die Möglichkeit der Vereinigung zweier Kronen, durch das ent

scheidendste Mittel, zu vermeiden: durch das Mittel, welches den Faden jeder möglichen Verbindung an der Wurzel abschnitt, und sogar verhinderte, an den Fall einer Vereinigung zu denken; indem man so vom spanischen Throne jeden Prinzen abwies, den der undenklichste und unverhoffteste Zufall eines Tages, mero jure, auf den Thron Frankreichs rufen könnte. Zu keiner Zeit und in keinem civilisirten Lande sind die Beziehungen der Staaten nach ausgemacht sinnlosen Gesetzen geleitet worden. Man macht Regeln für die Gegenwart und die Wahrscheinlichkeit, und nicht für eine eingebildete Möglichkeit. Die Ausschliessung der wahrscheinlichen Thronerben war gewiss eine hinlängliche Garantie; darüber hinauszugehen war Thorheit. Man verstand sie nicht so im Theilungstractate vom 25. März 1700, als man sich begnügte den König der Römer und den Dauphin von Frankreich auszuschliessen. Es war nicht so mit der älteren österreichischen Linie gemeint; so meinten es auch nicht die früheren Könige von Spanien, und namentlich Karl II., als sie für diese ungewissen Fälle eine Wahl vorschrieben.

Der wirkliche Grund der Vorschläge im Haag war nicht Klugheit, die immer gemässigt ist, sondern Hass, der häufig weder Mass noch Ziel hält und lächerlich ist.

Die früheren Entsagungen, buchstäblich angewendet, schlossen nur die regierende Linie der Bourbonen und die Linie Orleans aus. Sie konnten nicht die Linie Condé treffen. Die Note aus dem Haag griff die ganze Familie zusammen an, und beseitigte sie gänzlich, selbst in den Fällen, wo die Vereinigung der Kronen nicht vorauszusehen und unmöglich war. Es war eine Art bürgerlichen und politischen Todes, den man vergeblich in

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