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nen wesentlichen Differenzen, weil bei einer und derselben Grundstörung das Vorhandenseyn oder die Abwesenheit des Ficbers häufig ganz zufällig ist, und von der grösseren oder geringeren Reizbarkeit oder Leitungsfähigkeit der Nerven abhängt, weshalb Reactionen des Gefässsystems in Folge sympathischer Theilnehmung vorhanden seyn oder auch fehlen können.

Bei der Classification der Fieber selbst spielt nun wiederum der Typus eine Hauptrolle, und zwar allerdings nicht ganz ohne Grund, weil die Wiederkehr und Dauer der Exacerbationen und Pausen in der Regel den wesentlichen Charakter der Krankheiten bezeichnet.

Wenn wir aber die Ueberzeugung festhalten, dass Krankheit überhaupt wesentlich und ursprünglich nichts anderes ist, als eine Abnormität der Lebensthätigkeit, so muss unser vorzüglichstes Augenwerk auf die Art und Weise dieser Abnormität gerichtet seyn, und wir können nicht bezweifeln dass es keine besseren Eintheilungsgründe geben kann, als diejenigen welche von der Verschiedenheit des dynamischen Verhältnisses entnommen sind. Diese Wahrheit hat vielfältige Anerkennung gefunden, wie unter anderen die nosologischen Systeme von Cullen 4) und Hosack 5) zeigen. Welche ungeheure Missgriffe aber dabei gemacht worden sind, zeigen vorzugsweise die Systeme von Brown 6) und Rasori 7), deren oben (s. Einleitung) schon gedacht worden ist. Die Betrachtung solcher Verirrungen zeigt uns übrigens, wie leicht es ist, sich falsche Vorstellungen von den dynamischen Verhältnissen zu bilden, und wir finden die überzeugendsten Beweise dafür in den verschiedenen Systemen, wo wir eine und dieselbe Krankheit bald in dieser, bald in jener Klasse suchen müssen, je nachdem man sich die gestörte Biodynamik so oder anders gedacht hat. Der Typhus z. B. ist lange Zeit den adynamischen Fiebern zugezählt worden, bis spätere Beobachter 8) dessen eigenthümlichen, anfänglich erethischen Charakter nachgewiesen haben. Dass die

Wechselfieber blos die Bedeutung von Reactionen gegen schleichende Entzündungen im Respirationsapparate haben, dass Wechselfieber und Nervenfieber wesentlich identisch seyn sollen u. d. gl., diess gehört zu den Curiositäten, deren es freilich viele gibt.

Von den chronischen Krankheiten wird gewöhnlich behauptet, dass sie atypisch seyen. Diess hat in so ferne seine Richtigkeit, als bei denselben der typische Charakter wenigstens so undeutlich ist, dass er häufig gar nicht, häufig nur mit Mühe anfgefunden werden kann. Daher wird diese grosse Klasse von Krankheiten nach einem der anderen genannnten Principien eingetheilt, und selbst bei den acuten, typischen Krankheiten ist man genöthigt, ausser dem Zeitmaasse noch andere Charaktere zur Classification zu benutzen. So sind verschiedene nosologische Systeme construirt, und natürliche genannt worden, weil man bemüht gewesen ist, bei der Zusammenstellung der Krankheiten immer das zum Eintheilungsgrunde zu nehmen, wodurch sie sich vorzüglich auszeichnen und wodurch sie sich von anderen Formen unterscheiden. Es liegt auf der Hand, dass alle diese Systeme nur subjectiven Werth haben können, und dass eine Uebereinstimmung bei denselben nicht möglich ist, weil bald diese, bald jene objective Seite der Krankheiten für die charakteristische gehalten, bald aber das biodynamische Verhältniss, dass man sich so oder anders denkt, hervorgehoben wird, um nach seinen Differenzen die Scheidemark zwischen den Klassen Gattungen, Familien und Arten der Krankheiten zu bilden. Ich will nur an das Wechselfieber erinnern, welches von jeher unter der Klasse Fieber als eine eigene Gattung aufgeführt worden ist, bei welcher die quotidiana, tertiana, quartana u. s. w. besondere Arten darstellten. Man war durchgängig darin einverstanden, das Charakteristische und Unterscheidende blos in der Dauer der Pausen und in der regelmässigen Wiederkehr der Fieberanfälle zu suchen. Nun hat man aber Krankheitsformen kennen gelernt, welche ganz den Neurosen oder Neuralgicen

anzugehören scheinen, weil sie mit gar keinen Erscheinungen von Fieber begleitet sind, und nur mit den Wechselfiebern das gemein hahen, dass sie intermittiren, dass die Paroxismen von Hemicranie, Gesichtsschmerz, Augenschmerz u. s. w. nach regelmässigen Intervallen eintreten, gelinde anfangen, allmählig bis zu einer gewissen Heftigkeit steigen, dann wiederum abnehmen, und eine bestimmte Dauer haben. Die Schwierigkeit der Heilung solcher, ganz eigenthümlicher Krankheitsformen hat zu allerlei Versuchen geführt, wobei man unter anderen auch auf die Vermuthung gekommen ist, der regelmässig intermittirende Typus könne eine wesentliche Verwandtschaft mit den Wechselfiebern andeuten, und man hat mit den specifischen Heilmitteln derselben, mit China, Chinin und Arsenik, so glücklich experimentirt, dass nun kein Zweifel mehr über die Verwandtschaft übrig blieb. Es galt aber nun darum, diesen intermittirenden Neurosen einen Platz im nosologischen Systeme anzuweisen, ihnen einen passenden Namen zu geben, und man hat sie unter dem Namen verlarvter Wechselfieber denselben zugetheilt. Eine wahre contradictio in adjecto. Solche Verstösse gegen die Logik sind freilich nichts Neues; denn man hat auch von verlaryten Hämorrhoiden gesprochen, nämlich von Hämorrhoiden, welche keine sind, und Physiker haben sogar ein latentes Licht angenommen, ein Licht, welches keines ist, was Neumann 9) geradezu für Unsinn erklärt. Schönlein 10) ist dieser Inconsequenz ausgewichen, indem er alle genannte Formen unter dem Namen Intermittentes den Neurosen zuzählt, und sie durch die Bezeichnung eines gemeinschaftlichen Charakters mit einander vereinigt. Diese Zusammenstellung verdient ganz den Beifall, den sie nicht nur von seinen Schülern, sondern auch von Andern erhalten hat, bei denen eine logische Consequenz in Ansehen steht. Nur ist es zu bedauern, dass man den, nach erwähnten Principien construirten, natürlichen Systemen durch Beimischung unerweislicher Hypothesen schon wieder das Siegel

der Uuzuverlässigkeit aufgedrückt hat. Eisenmanns 11) lebhafte Einbildungskraft hat z. B. die sogenannten Cholosen von der Bildung eines eigenthümlichen, in seinen Wirkungen narkotischen Krankheitsstoffs abgeleitet, durch welchen eine wahre Blutvergiftung bewirkt werden soll. Den Pyren soll wiederum ein anderer Stoff, der als Oxycarbonhydrür oder Hydrocarbonoxyd zu betrachten ist, zum Grunde liegen, den Typhen aber eine Zusammensetzung aus Carbon, Azot, Hydrothion und Hydrophosphor, was blos dadurch wahrscheinlich gemacht werden soll, dass Beugmann in der Atmosphäre der Typhuskranken Hydrothiongas und Hydrophosphor gefunden haben will. Wenn wir so fortfahren, der Phantasie die Schwingen wachsen zu lassen, so dürfen wir erwarten, wieder auf den Standpunct zurück geführt zu werden, den Theophrast mit seinem Sal, Sulphur und Mercurius eingenommen hat.

Wenn man aber eine aufrichtige Beantwortung der Frage verlangt, ob die Construction nosologischer Systeme bis jetzt wahren Nutzen gestiftet, zur glücklichen Behandlung der Krankheiten etwas beigetragen habe? so möchte ich meines Theils diese Frage lieber mit Nein, als mit Ja beantworten. Systeme dieser Art könnten von Nutzen seyn, wenn die Eintheilung der Krankheiten in Klassen, Gattungen, Familien und Arten sich durchgängig auf gemeinschaftliche Differenzen bezüge, welche zugleich allgemeine Heilanzeigen für alle zusammengestellte Formen enthalten, so wie Browns Klasse der asthenischen Krankheiten uns an die Vorschrift erinnert, durchgängig erregende, die Lebensthätigkeit erhöhende Mittel anzuwenden, wobei wir weiter nichts vermissen, als die Wahrheit. Nicht wenige Aerzte, besonders jüngere und unerfahrne, glauben aber, Krankheiten welche im Systeme beisammen stehen, müssten auch auf gleiche Weise behandelt werden, weil sie wegen gewisser Aehnlichkeiten zusammen gereiht worden sind. Hieraus ist aber offenbar viel Böses entstanden, und Hahnemann ist dadurch zu der

Behauptung veranlasst worden, dass es rathsam sey, sogar die gewöhnlichen Namen der Krankheiten abzuschaffen, jede concrete Krankheit als eine besondere Art zu betrachten, und wenigstens, wenn von irgend einem Falle die Rede ist, immer zu sagen: eine Art von Wechselfieber, eine Art von Ruhr, von Nervenfieber, von Kardialgie, von Wassersucht u. s. w., um zugleich die Ueberzeugung auszudrücken, dass die Behandlung sich nicht auf die Klasse, die Gattung oder die Familie, sondern auf die besondere Art beziehen müsse. Hufeland sagt, man könne eine Krankheit sehr gut, aber den Kranken schlecht behandeln. Diess klingt paradox. Aber es liegt eine grosse Wahrheit in diesem Ausspruche, nämlich die Wahrheit, dass das schulgerechteste Verfahren eines Arztes, wenn es gegen den Gattungscharakter der Krankheit und nicht gegen die individuelle Art gerichtet ist, nichts taugt. Diese Ueberzeugung haben auch mehrere andere erfahrne Praktiker ausgesprochen, und Romberg12) sagt gerade zu, dass der Namenszwang immer noch zum grossen Nachtheile seine Herrschaft geltend macht. Die Sucht, zu generalisiren, hat enormen Schaden gestiftet. Für eine grosse Zahl von Kinderkrankheiten, die man vormals mit dem Namen Krämpfe oder Wassersucht bezeichnete, ist jetzt das Wort Hirnentzündung Collectivnahme geworden, und diese Benennung führt sogleich zur Wahl einer antiphlogistischen Behandlung, zu Blutegeln, kalten Umschlägen und Calomel und vielmals zum Tode, welcher durch ein anderes Verfahren abgewendet werden könnte.

Die vielmals gemachte Bemerkung, dass die gelehrtesten Aerzte oft die schlechtesten Praktiker sind, scheint einen Widerspruch in sich selbst zu enthalten, weil man nicht genug wissen kann, um die Heilkunst mit Glück auszuüben. Aber auf viele Gelehrte ist das anwendbar, was in Göthe's Faust gesagt wird:

was man nicht weiss, das eben brauchte man,
und was man weiss, kann man nicht brauchen.

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