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und Kinder wachsen mit auffallender Schnelligkeit, wenn sie eine hitzige Krankheit mit grosser Abmagerung überstanden haben. Man ist befremdet darüber gewesen, von vielen Arzneimitteln ganz entgegengesetzte Wirkungen wahrzunehmen, als man von denselben ihres allgemeinen Rufes wegen erwartet hat, ohne sich diess erklären zu können. Man hat sogar darüber gestritten, welche die eigentliche und wahre Wirkung gewisser Arzneien sey, z. B. des Camphers, dem man bald kühlende, bald erhitzende Eigenschaften zugeschrieben hat. Er hat beide; nur aber in einer verschiedenen Zeitfolge. Der erste Eindruck davon ist ein schnell kühlender; aber wie bei allen diffusiblen Mitteln folgt die entgegengesetzte Wirkung bald nach, und es entsteht Erhitzung und Schweiss. Auf ähnliche Weise, nur aber langsamer wirkt der Salpeter. Man hat von Anwendung der Digitalis bald vermehrtes Herzpochen und Unterdrückung der Harnsecretion, bald ein Verschwinden des Pulses und reichliches Uriniren beobachtet; nur aber die Aufmerksamkeit nicht genug auf die Reihenfolge der verschiedenen Wirkungen gerichtet, sonst hätte man unfehlbar jene als die primäre, diese als die secundäre erkannt.

Es ist bekannt, dass der Genuss geistiger Getränke anfänglich erwärmt und ermuntert, nachher aber Abspannuug und Schläfrigkeit zur Folge hat, weshalb es gefährlich ist, beim Aufenthalte in strenger Kälte Branntwein zu trinken; da hingegen ein Schluck kaltes Bier oder selbst Wasser erst einen unangenehmen Eindruck von Kälte, dann aber das wohlthuende Gefühl einer, von innen nach aussen strömenden, allmählig zunehmenden Wärme verursacht. Daher wird das Kaltwerden der Füsse am besten durch momentanes Eintauchen derselben in kaltes Wasser oder durch Reiben mit Schnee verhütet. Daher war es auch möglich, durch kleine Gaben des primär kühlenden Camphers oder durch kleine Gaben von Eis oder kaltem Wasser in der Cholera, wo schon Starrheit und Todtenkälte eingetreten war, wieder Lebenswärme hervorzurufen.

Aus demselben Grunde bringt nach grosser Erhitzung ein Schluck Branntwein oder eine Tasse Kaffee oder Thee eine überaus wohlthätige Abkühlung hervor.

Menschen und Thiere, welche in grosser Kälte starr geworden sind, gehen im warmen Zimmer vollends zu Grunde, werden aber durch Bedeckung mit Schnee wieder ins Leben zurück gerufen. 1) Physical. Theorie der elektro-dynamischen Vertheilung. In den Annalen der Physik und Chemie. 1833. 3. Stück.

2) In Frorieps Notizen. Mai 1823. Nro. 97.

S. 33.

Man betrachtet nicht mit Unrecht das erwähnte Vermögen des lebenden Organismus, eine, den Wirkungen schädlicher Potenzen entgegen gesetzte Thätigkeit zu entwickeln, als Naturheilkraft, durch deren Aeusserungen das egoistische Princip sich auf das Deutlichste offenbart. Es fehlt uns an einer ganz passenden Benennung dieser Kraftentwickelung. Das Wort Reaction ist zu allgemein und deshalb nicht bezeichnend genug. Denn auch die erste positive Wirkung äusserer Potenzen beruht auf Reaction des Organismus in Folge des erhaltenen Eindrucks. Bei dem Worte Nachwirkung, besonders wenn von Arzneien die Rede ist, und wenn man von Arzneinachwirkung spricht, denkt man mehr an die Arznei, als an die innere Lebenskraft, welche sich dabei als das vorherrschend Thätige, als der positive Factor geltend macht. Man hat die Worte Rückwirkung und Gegenwirkung bisher gewöhnlich als gleichbedeutend mit der Collectivbenennung Reaction genommen. Ich glaube aber, hier einen Unterschied machen zu dürfen.

Rückwirkung ist Thätigkeitsentfaltung in Folge des Einflusses einer äusseren Potenz auf den Organismus, und ist gleichbedeutend mit Erstwirkung.

Gegenwirkung ist gleichbedeutend mit Nachwirkung, und verdient diese Benennung, weil sie factisch eine der ersteren entgegengesetzte ist.

Hahnemann hat die letztere Heilwirkung genannt, was aber nur in so ferne passend ist, als von der specifischen

Methode die Rede ist, bei welcher man blos diese für den Heilzweck in Anspruch nimmt. Bei einem Verfahren nach der enanthiopathischen Methode sucht man denselben Zweck mit der Erstwirkung zu erreichen. Hier ist die Arznei der positive Factor, dort ist es die egoistische Lebenskraft, und die Nachwirkung ist sogar eine verderbliche. Ich lasse es dahin gestellt seyn, ob es zweckmässig ist, der Lebenskraft eine gewisse Spontaneität zuzuschreiben. Es kommt nichts darauf an, ob man dieselbe annehmen oder leugnen will. Wir lernen die Pulse der Natur nur durch Beobachtung kennen, und beurtheilen sie nach den Resultaten unserer Wahrnehmung. Diese stellt die Annahme einer Spontaneität in den Hintergrund, weil wir sehen dass alle Vorgänge, alle Rückwirkungen und Gegenwirkungen den Lebensgesetzen unterworfen sind, ohne grade nur immer die Erhaltung des Individuums zu bethätigen. Der Egoismus kann die Gesetze des eigenen Seyns nicht auflösen. Doch ist die besprochene Gegenwirkung gegen nachtheilige Einflüsse unbezweifelt die glänzendste gesetzliche Offenbarung des egoistischen Lebensprincips. S. 34.

Krisen sind gesetzliche Lebensprocesse.

So wie der Gang des Lebens im Universum allgemeinen Gesetzen unterworfen ist, so auch im Individuum und namentlich auch in den verschiedenen Zuständen von Krankheit, deren Verlauf und deren Ausgang davon abhängig ist. Von spontanen Bestrebungen gewisser Krankheiten, sich so oder anders zu kritisiren, kann daher keine Rede seyn. Die abstract gedachte Krankheit hat gar kein Bestreben, und die Ursachen der verschiedenen Ausgänge liegen im Organismus selbst. Diese sind

1) Zustand der Lebenskraft entweder in der Gesammtheit oder in einzelnen Systemen und Gebilden. Alle glückliche, zur Wiederherstellung der Gesundheit führende Entscheidungen, die man Krisen nennt, sind Acte der Gegenwirkung gegen die, von dem feindlichen Princip hervorgebrachten Störungen der

normalen Thätigkeit. Ist nun die Lebenskraft entweder im Allgemeinen zu schwach, oder liegt die vita propria der am meisten angegriffenen Gebilde danieder, so können die, zur Herstellung des Gleichgewichts erforderlichen Gegenwirkungen nicht Statt finden. Die äussere, krankmachende Potenz bleibt der vorherrschende Factor, und die Krankheit zieht sich entweder in die Länge, wird chronisch, wie z. B. einfache remittirende Fieber in Zehrfieber, acute Gicht, Rheumatismen, Wassersuchten in chronische übergehen, oder das leidende Organ geht zu Grunde, und wenn es ein edles ist, mit ihm das Individuum selbst. Die gewöhnlichsten unglücklichen Ausgänge einer Pneumonie sind Lungenlähmung und Lungengangrän. Bei ersterer hat sich blos das Nervenleben in heftigen Reactionen unwiederherstellbar erschöpft; bei letzterer ist diese Erschöpfung auch auf die vegetative Sphäre übergegangen. Wegen ungleichmässiger Vertheilung der Lebenskraft, allzustarker Leitungsfähigkeit einzelner Nerven und allzugrosser Reizbarkeit werden zuweilen einzelne Organe sympathisch übermässig afficirt, uud verhalten sich dann eben so, wie die ursprunglich leidenden. Auch sie können dem Sturme unterliegen, und wenn es edle sind, den Untergang des ganzen Individuums nach sich ziehen. Sind es unedle, so nimmt der Zerstörungsprocess derselben nicht selten die Bedeutung einer Ableitung an, und man sagt dann, die Heilkraft der Natur habe durch Aufopferung eines Theils die Rettung bewirkt, welche übrigens nur zufällig ist, wenn die Verhältnisse der Sensibilität und der Sympathie eben von der Art sind, dass grade solche Processe vor sich gehen müssen. In anderen Fällen reagiren nach denselben Gesetzen der Sympathie gesunde Organe gegen kranke, wodurch gar oft eine heilbringende Ausgleichung der bestehenden Differenzen zu Stande kommt. So entstehen Metastasen und Metaschematismen, welche heil- und unheilbringend seyn können. Am günstigsten ist der Ausgang, wenn bei unverletzter Lebenskraft in den primär oder secundär angegriffenen

Organen eigenmächtige und hinreichend starke Gegenwirkungen eintreten, welche eine polarische Umkehrung des vorigen Verhältnisses anzeigen. Auf Trockenheit der Haut folgt Schweiss, auf Verstopfung Durchfall, auf Dysurie vermehrter Urinabgang, auf rasende Delirien Ruhe und Schlaf. Die Umkehrung erfolgt wohl nie zugleich im ganzen Organismus, sondern in derselben Reihenfolge, in welcher die Krankheit von einem Organ auf das andere übergegangen ist, wenn nicht wegen tieferer Verletzung der vita propria einzelner Gebilde die Reihenfolge unterbrochen wird, und gewisse Zwischenglieder deshalb länger in dem Zustande einer dynamischen Störung verharren. Solche unvollkommene Gegenwirkungen werden Halbkrisen genannt, und die ersten Bestrebungen des Eigenlebens, die Primärwirkungen nachtheiliger Potenzen zum Stillstand zu bringen, wo aber die beiden gegenüberstehenden Mächte noch mit einander um das Uebergegewicht kämpfen, und wo in Folge dieser Spannung dynamische Oscillationen eintreten, sind Vorkrisen. Schnelle Umkehrung der dynamischen Pole sind wahre Krisen. Langsamere Ausgleichungen ohne bemerkbare Zeichen der Oscillation werden Lysen genannt. Falsche Krisen sind aber die Anstrengungen sympathisch afficirter Organe, sich in das dynamische Gleichgewicht zu setzen, während die Lebenskraft der kränksten Gebilde noch zu sehr danieder liegt, um sich auf gleiche Weise erheben zu können.

Sehr oft sind absondernde Organe entweder die zuerst angegriffenen, oder sie sind wegen sympathischer Beziehung mit in den Kreis des Krankheitsprocesses gezogen. War die Function derselben gestört oder unterbrochen, so muss bei der polarischen Umkehrung, bei der Gegenwirkung nothwendig erhöhte Absonderungsthätigkeit eintreten, und diese muss sich real in reichlicheren Producten derselben offenbaren. Diese Erscheinung hat sehr viele falsche Deutungen veranlasst. Denn man war von jeher geneigt, die vermehrten Secretionen und die gleichzeitige Umkehr des Kranken zur Besserung in eine ideale Causalverbindung

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