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mit einander zu bringen, und in jenen die Ursache dieser zu suchen, obgleich beide gewiss meistens nur gleichzeitige Folgen des umgeänderten dynamischen Verhältnisses sind. Es ist wohl nicht zu leugnen, dass öfters wirkliche Ausscheidungen gewisser von aussen in den Organismus gebrachter, oder in Folge gestörter Reproductionsthätigkeit in demselben erzeugter, und wiederum nachtheilig zurückwirkender Stoffe vor sich gehen, was durch unzählige Beobachtungen nachgewiesen werden kann. Es ist aber nicht immer der Fall, was dadurch bewiesen werden kann, dass bei vielen Krankheiten die Umkehr zur Genesung gar nicht mit Veränderungen oder Vermehrung von Secretionen begleitet ist, sondern mit Erscheinungen, welche blos eine Perturbation des Nervensystems anzeigen, z. B. Ohnmachten, epileptische Anfälle u. d. gl.

Bei den Ausgängen der Krankheiten ist aber nicht blos die Lebenskraft als Ursache der Verschiedenheiten ins Auge zu fassen. Denn einen eben so grossen Einfluss hat

2) die Beschaffenheit der kranken Organe, gleichviel ob es primär oder secundär erkrankte Organe sind. Die edelsten sind immer auch die zerstörbarsten, und die Krankheiten derselben entscheiden sich gewöhnlich auch am schnellsten. Structurveränderungen sind von der grössten Wichtigkeit. Entzündung einer tuberculösen Lunge geht am leichtesten in Eiterung, am seltensten in Gangrän über, Zellgewebe-Entzündung in Wassersucht, Phlegmone eines Muskels in Zertheilung oder Vereiterung, und der Blasenstein ist nie eine Folge des Veitstanzes, wohl aber häufig der Gicht, weil auch diese in absondernden Gebilden ihre Wurzel hat.

Es kommen Ausgänge von Krankheiten vor, wo man zweifelhaft seyn kann, ob sie Resultate des Bestrebens nach einer polarischen Umkehrung der dynamischen Verhältnisse sind oder nicht, weil sich dabei weniger ein thätiges Gegenwirkungsvermögen, als mehr eine Negation der früheren abnormen Thätigkeit offenbart. Nach einer Entzündung, wenn sie wohl heftig und mit grosser Anschwellung verbunden war, folgt zuweilen Atrophie, vorzüglich leicht

nach Orchitis. Diese Erscheinung ist aber nicht Resultat der Tendenz des Organismus, einen, der übermässig gesteigerten Reproductivität entgegen gesetzten Zustand hervorzubringen, sondern beruht auf einer, durch allzu heftige Reizung des an sich sehr reizbaren Organs hervorgebrachten Erschöpfung und Lähmung der reproductiven Lebenskraft, wovon Untergang und Tod des Organs selbst die Folge ist. Wo bei unverletzter Structur Gefühllosigkeit und Paralyse zurück bleibt, da ist aus gleicher Ursache Tod des sensiblen und irritablen Lebens eingetreten.

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Manche Lösungen krankhafter Verhältnisse geben sich nicht deutlich genug als Gegensätze früherer Zustände zu erkennen, und scheinen gleichfalls nur Negationen zu seyn. Bei Nachlass von Schmerzen und von Convulsionen tritt Ruhe ein, also ein scheinbar negatives Verhalten. Uebrigens ist der Gegensatz dennoch vorhanden, obgleich er sich nicht objectiv zu erkennen gibt. Denn an die Stelle des inneren dynamischen Verhältnisses, welches Schmerz oder Convulsionen hervorbrachte, ist ein entgegengesetztes getreten. Statt der überwiegenden Contraction ist Expansion, statt dieser jene vorwaltend geworden. Die Gegensätze beziehen sich demnach nicht blos auf die äussere Erscheinung, sondern auf das innere dieser Erscheinung zum Grunde liegende Verhältniss, welches vom Arzte berücksichtigt werden muss, wenn er sich die Vorgänge klar machen will, die er zu leiten beabsichtigt.

Was ich über diesen Gegenstand, dessen ausführlichere Darstellung zur Pathologie gehört, sagen zu müssen geglaubt habe, führt übrigens zu der Ueberzeugung, dass Hahnemann eben so Unrecht hat, wenn er die Aeusserungen der Naturheilkraft für bemitleidenswerthe, ohnmächtige Bestrebungen hält, als viele andere Pathologen Unrecht haben, wenn sie in den Krankheitsprocessen überall nur die Offenbarungen einer spontanen Naturheilkraft erblicken wollen. Alles, was vergeht, ob es zum Heile oder zum Verderben führt, ist den Gesetzen des makrokosmischen Lebens unterworfen, die sich im individuellen klar und rein wieder abspiegeln.

Zweite Abtheilung.

Diagnose und Therapie.

§. 35.

Die Sicherheit des Heilverfahrens beruht auf richtiger Erkenntniss der Krankheit.

Wir wollen die Möglichkeit, zuweilen auch ohne diese Erkenntniss eine Heilung glücklich zu Stande zu bringen, nicht leugnen. Sie ist aber vom Zufalle abhängig, der allerdings manchmal den Ruf des erbärmlichsten, unwissendsten Quacksalbers begründet. Wie lange man aber schon davon überzeugt war, dass es Bestreben des Arztes seyn muss, unabhängig vom blinden Zufalle zu werden, zeigt die alte hippokratische Sentenz: cognito morbo facilis curatio. Man hat in Anerkennung dieser Wahrheit grossen Fleiss auf Ausbildung der Lehre von Erkenntniss der Krankheiten, Diagnostik, verwendet, und sie ist noch immer im Fortschreiten begriffen. Eine vollständige, ins Einzelne gehende Beleuchtung der, auf diesem Felde der Wissenschaft bis jetzt errungenen Kenntnisse wird hier nicht erwartet werden, und das Resultat derselben würde nur die, von vielen aufrichtigen Aerzten ausgesprochene Ueberzeugung seyn, dass die Diagnostik, obgleich im Besitze eines reichen Schatzes gesammelter fragmentarischer Kenntnisse, doch immer noch auf sehr schwachen Füssen steht, und dass sie den Standpunct höchster Vollkommenheit deshalb niemals erreichen wird, weil es eine unlösbare Aufgabe ist, die verborgenen Verhältnisse des Lebens klar zu durchschauen, und weil es wahr ist, was Haller sagt ins Innere der Natur dringt kein erschaffner Geist. Doch darf die relative Beschränkung der Möglichkeit, zu höchster Kenntniss zu gelangen, kein Grund der Paralysirung unseres Bestrebens seyn, das, was wir wissen und wissen können

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