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hervorgerufen wird. Deshalb ist es so schwer, der Gewohnheit des Aderlassens auf einmal zu entsagen.

Zeichen der Vollblütigkeit sind: lebhafter Glanz der Augen, oft wiederholende Anwandlungen von Gesichtsverdunkelung mit Schwindel, besonders beim Bücken und bei einiger Erhitzung durch irgend eine Veranlassung, Vollheitsgefühl in der Brust, erschwerte Respiration, langsamer, voller Herzschlag und Arterienpuls, erhöhte Wärmeerzeugung im ganzen Körper, Gefühl von Schwere und Trägheit, öfteres Einschlafen der Glieder, Schnarchen im Schlafe mit harten Athemzügen und ängstlichen Träumen, öfteres Bluttröpfeln aus der Nase, grosse Erleichterung dieser Beschwerden nach zufälligem oder absichtlich hervorgebrachtem Blutverluste, Erleichterung durch Entziehung nahrhafter Kost, durch Wassertrinken, durch Limonade und andere kühlende Dinge, besonders aber eine gewisse Beständigkeit dieser Symptome, welche, wenn sie auch alle vorhanden sind, aber Tage lang fehlen, und plötzlich wieder hervortreten, doch keine Plethora, sondern nur einem temporären Zustand von Reizung und Congestion anzeigen. Letzterer kann plötzlich hervorgebracht werden und plötzlich wieder verschwinden. Plethora hingegen entsteht allmählig, und die Symptome derselben entwickeln sich langsamer, um stereotyp zu werden. Die Unterscheidung dieser verschiedenen Zustände ist für die Praxis. von unendlicher Wichtigkeit, und wird auf Beantwortung der Frage, ob eine Btutentziehung nothwendig sey oder nicht, den entschiedensten Einfluss haben müssen. Wir werden in der Folge darauf zurück kommen.

Der vermehrten Absonderung anderer Säfte ist so eben gedacht worden. Sie ist gewöhnlich leicht zu erkennen, zumal wenn es Excretionsstoffe sind. Die Zeichen eines Ueberflusses oder eines Mangels der Galle sind schon undeutlicher, und es ist grössere Sorgfalt erforderlich, um Ueberzeugung von der Art dieser Abnormitäten zu gewinnen. Wie nothwendig es ist,

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die veränderte Qualität der abgesonderten Stoffe nicht unbeachtet zu lassen, versteht sich wohl von selbst.

1) Galen de venaesectione.

2) Ibidem.

3) Ortus medicus p. 319.

4) Abhandl. vom menschl. Leben. Budissin, 1685. S. 163.

S. 53.

Viele Krankheitssymptome sind von der Art, dass man wohl zweifelhaft seyn muss, ob sie von Störungen des sensiblen Elements oder der Irritabilität oder der Reproduction abgeleitet werden müssen, indem die Verbindung dieser drei Lebensfactoren zur Einheit zu innig uud fest ist, als dass nicht eine grosse Zahl von Erscheinungen weniger einer isolirten, als einer gemeinschaftlichen Lebensäusserung zugeschrieben werden müssten. Ich erinnere an mehrere räumliche und zeitliche Verhältnisse, welche Aufmerksamkeit verdienen, ohne dass ich ängstlich untersuchen will, welche einzelne Erscheinung auf Rechnung einer Verstimmung dieses oder jenes Factors zu schreiben sey.

Hierher gehören erhöhte oder verminderte Lebenswärme des ganzen Körpers oder einzelner Theile, vom calor mordax bis zur Eiskälte, Veränderungen der Gesichtszüge, des Glanzes und Turgors der Augen, der Farbe des Gesichts und anderer Theile, besonders der Lippen, der Zunge, des Gaumens und Zahnfleisches, Beschaffenheit des verschiedenen Belegs der Zunge, deren Feuchtigkeit oder Dürrheit mit Rissen und Sprüngen wohl zu betrachten ist, Veränderungen der Stimme und Sprache, des Vermögens zu schlingen, Veränderungen der Geschlechtsfunctionen, bei Frauenzimmern vorzüglich in Beziehung auf die monatliche Periode, deren erstes Erscheinen und Aufhören, deren höchst verschiedene Störungen mit den mancherlei Symptomen, sodann Alles, was auf Schwangerschaft, Wochenbett und Säugungsgeschäft Bezug hat. Es würde überflüssig seyn, der

verschiedenen Formen der Hämorrhoidalkrankheit besondere Erwähnung zu thun. Hautausschläge, deren äussere Form und die Veränderung derselben in gewissen Stadien, nebst allen dabei vorkommenden Erscheinungen eines allgemeinen oder örtlichen Leidens, z. B. Jücken, Brennen u. s. w. müssen auf das Genauste beobachtet werden. Dasselbe gilt von Excoriationen, Bläschen, Knoten, Aphthen und Schorfen in der Mund- und Nasenhöhle, in den Ohren, an und in den Geschlechtstheilen, am Mastdarme u. s. w. Bei Kindern ist wiederholte und nicht zu flüchtige, eigene Beobachtung nöthig, um aus dem ganzen Benehmen derselben zu erkennen, was ihnen fehlt. übersehen ist die Dentition, obgleich derselben gemeiniglich ein viel zu grosser pathogenetischer Einfluss zugeschrieben wird. So sind auch die vielen Erscheinungen bei der Pubertätsentwickelung, überhaupt aber der Einfluss des verschiedenen Lebensalters und des Geschlechts ins Auge zu fassen.

Nicht zu

Von vorzüglicher Wichtigkeit ist die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Verhältnisse, unter welchen das Befinden Veränderungen erleidet, Verschlimmerungen oder Verbesserungen des Zustandes zu verschiedenen Tageszeiten, bei leerem Magen oder bei und nach dem Essen und Trinken, bei Bewegungen oder in der Ruhe, in der Wärme oder in der Kälte, in freier Luft oder im Zimmer, bei feuchter oder trockener Witterung, in oder ausserhalb des Bettes, beim Sitzen, Stehen, Gehen, Fahren, Reiten oder Liegen. Auch verdient der Wechsel krankhafter Erscheinungen mit Sorgfalt beobachtet zu werden, besonders der mehr oder weniger deutliche Typus der Fieber, ausserdem aber auch das Verschwinden gewisser Symptome beim Hervortreten anderer, z. B. der Wechsel zwischen Gicht und Hämorrhoidalbeschwerden, zwischen Durchfall und Migraine, zwischen Gliederschmerz und Asthma u. d. gl. Bei gleichzeitig vorhandenen Symptomen verschiedener krankhafter Affectionen ist es nothwendig, sich über die Priorität der einem oder der

anderen Gewissheit zu verschaffen, z. B. bei Kopfschmerz und Uebelkeit, welche beide wechselseitig von einander abhängig seyn können.

§. 54.

Man hat nicht ohne Grund vielen Werth darauf gelegt, zu untersuchen, welches wesentliche oder unwesentliche Krankheitssymptome sind. Aber es ist in der That nicht so ganz leicht, sie gehörig von einander zu unterscheiden.

Der Begriff wesentlicher Symptome bezieht sich eigentlich auf die Gattung, also auf einen gewissen Krankheitsprocess, der, bei welchem Individuum er auch Statt finden möge, immer einen gemeinschaftlichen Charakter an sich trägt, den er durch übereinstimmende Symptome zu erkennen gibt. Diese Symptome werden daher auch pathognomonische genannt.

Unwesentliche Symptome sind dagegen solche, die entweder von einer, in jedem Individuum verschiedenen Anlage zu sympathischen Affectionen abhängen, und deshalb fehlen oder auch ganz anders seyn können, oder solche, die von einer ganz zufälligen Complication und ganz unabhängig von dem, in Betrachtung genommenen Krankheitsprocesse hervortreten, in Beziehung auf die Complication aber wiederum wesentlich sind. Wenn Jemand zugleich an einem Wechselfieber und an Krätze leidet, so sind in Beziehung auf die erstgenannte Krankheit nur die typischen Fiebersymptome wesentlich, in Beziehung auf die Krätze ist es aber nur der Ausschlag nebst dem unerträglichen Hautjücken. Ich möchte nur den Symptomen einer Complication, welche bei der Behandlung eine sehr untergeordnete Rücksicht erfordert, die Bennennung zufälliger Symptome beigelegt wissen. Sympathische Affectionen sind nicht zufällig. Sie sind es zwar in Beziehung auf den Gattungscharakter im nosologischen Systeme, nicht aber in Beziehung auf das Individuum, welches ärztlich behandelt werden soll, weil eine zweck

mässige Behandlung eine individualisirende seyn soll, bei welcher grade die Eigenthümlichkeiten jeder Art genau berücksichtigt werden müssen, um die Heilindicationen zu finden.

Vollkommene Gewissheit ist nur in der Mathesis pura anzutreffen; nicht aber in der Heilkunst. Sich dieselbe zu verschaffen in so ferne es möglich ist, muss die Aufgabe des ausübenden Arztes seyn; und wenn er alle Hilfsmittel zur Erlangung dieser relativen Gewissheit gehörig benutzt hat, so hat er das Seinige gethan. Welche Vorkenntnisse, welche intellectuelle Eigenschaften, welche Gewissenhaftigkeit und unermüdliche Sorgfalt dazu erforderlich ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Der leichtsinnige, oberflächliche Beobachter wird so gewiss ein Stümper bleiben, wie der Schwachkopf, der mit seinen auswendig gelernten Kenntnissen den Doctorhut erworben hat und mit ihm zugleich die Befugniss zum Wohle oder zum Wehe der leidenden Menschheit Recepte zu schreiben.

Die meisten Fehler in der Diagnose rühren von einseitiger Benutzung der verschiedenen Hilfsmittel her. Bei gehöriger Berücksichtigung der constitutionellen Verhältnisse des zu behandelnden Individuums, bei sorgfältiger Untersuchung der äiologischen Einflüsse, bei historischer Verfolgung des Krankheitsprocesses und bei aufmerksamer Betrachtung der Symptome, vorausgesetzt, dass wir nichts versäumt haben, was uns die Bedeutung derselben erklärt, werden wir in den meisten Fällen der Erkenntniss der nächsten Ursache, des eigentlichen Heilobjects, auf die Spur kommen, und wo wir es nicht können, da wird die Gesammtheit der Symptome uns immer noch den sichersten Weg zeigen, um die therapeutische Aufgabe zu lösen.

$. 55.

Entfernung der Krankheit in ihrer Totalität ist höchster Zweck der Therapie.

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