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dynamischen Zustandes zu finden. Um Wiederholungen zu vermeiden, was in Beziehung auf die Diagnose der Krankheiten (S. 39 bis 42) gesagt worden ist, und was auch hier seine An-` wendung findet.

S. 75.

Besonders beobachtungswerth ist die Reihenfolge der hervor tretenden Arzneisymptome.

Es ist nothwendig zu wissen, was Erstwirkungen, sympathische Wirkungen und Gegenwirkungen sind. Die ersteren sind gewöhnlich die constantesten; die zweiten sind es weniger, indem sie mehr von individuellen Verhältnissen abhängen. Die letzten sind cine Negation, eine Aufhebung der beiden ersteren durch das Bestreben des Organismus, in entgegengesetzter Richtung thätig zu seyn. Eine angemessene Gabe der Rhabarberwurzel bringt, als Erstwirkung, durch Reizung der Darmschleimhäute Durchfall hervor. Wenn sich Zusammenschnürung der Brust dabei einfindet, so ist diese sympathisch und nur abhängig von der, nicht in jedem Individuum sich gleich erhaltenden Sensibilität des herumschweifenden und sympathischen Nerven. Darauf folgende Hartleibigkeit ist aber Gegenwirkung, die man mit dem Namen Nachwirkung bezeichnet.

S. 76.

Gleich wichtig ist die Beobachtung der Arzneiwirkungen auf bestimmte Theile des Organismus.

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Man erwarte hier keine Kritik der alten Hypothese von einer specifischen Reizbarkeit der Organe, vermöge welcher dieselben von gewissen Potenzen auf eigenthümliche Weise afficirt werden. Ich will mich nicht darauf einlassen, das, was bis jetzt noch nicht hat erklärt werden können, durch neue Hypothesen erklären zu wollen, und halte mich nur an die Thatsache, von der man sich eine möglichst genaue empirische Kenntniss ver

schaffen muss. Aufmerksame Beobachtung ist das einzige Mittel dazu. Wir wissen, dass Campher auf das Gehirn, Brechnuss auf das Gangliensystem, Ipecacuanha auf den Magen, Jalappa auf den Darmkanal, Quecksilber auf die Drüsen, Fingerhut auf das Herz und auf das Harnsystem wirkt, u. d. gl. Mehrere Arzneimittel scheinen nicht vorzugsweise auf bestimmte Organe zu wirken, sondern allgemeiner auf ein gewisses System, wobei die nachfolgenden localen Affectionen von der, in jedem Individuum verschiedenen Stimmung der Theile abhängen, welche die allgemeine Wirkung reflectiren. Weingeist erhöht z. B. die Thätigkeit des gesammten arteriellen Systems, und wenn er Blutflüsse hervor bringt, so ist die Art des Blutflusses von dem zufälligen Verhalten des Organs abhängig, wo er sich offenbart; da hingegen Sabina sich durch die specifische Wirkung auf den Uterus auszeichnet. Da wir aber bei dem Leiden irgend eines Organs direct auf dasselbe hinwirken müssen, so ist es nothwendig, dass wir uns mit den Wirkungen der Arzneimittel auf bestimmte Theile möglichst bekannt machen. Vieles ist uns durch die bisherigen Prüfungen der Arzneimittel an Gesunden klar geworden, und Vieles haben wir noch von der Zukunft zu

erwarten.

S. 77.

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Es ist unerlässlich, die Art der dynamischen Arzneiwirkung zu erforschen.

Diess ist der schwierigste Punct, und weil er so schwierig ist, hat der Gründer der specifischen Heilmethode ganz darauf Verzicht geleistet, Nachforschungen darüber anzustellen. Unser Streben nach Rationalismus sträubt sich aber gegen einen gedankenlosen Mechanismus in der Heilkunst, bei welcher man Kräfte Kräfte verwendet, ohne sie zu kennen, und man gegen kann sich nicht dabei beruhigen, das gegenseitige Verhalten derselben ununtersucht zu lassen. Wir können nicht Alles er

klären. Sollten wir aber nicht streben, unsere Intelligenz so viel als möglich zu vervollkommnen und zu erweitern? Glücklicher Weise ist uns recht Vieles klar geworden. Wollen wir also unermüdet vorwärts schreiten, um wenigstens das zu leisten, was innerhalb der Grenzen menschlicher Erkenntniss zu leisten möglich ist!

Es ist nicht genug zu wissen, dass ein Arzneimittel auf dieses oder jenes System oder Organ wirkt. Wir wollen auch untersuchen, welche dynamischen Veränderungen es in demselben hervorbringt. Dazu hilft uns der Verstand, mit welchem wir das Gegebene, nämlich den Inbegriff der wahrgenommenen Symptome, in der Vorstellung festhalten, und die Vernunft, mit welcher wir uns die Idee der gesetzlichen Nothwendigkeit zu bilden suchen. So erhalten wir durch die Verknüpfung des Realen mit dem Idealen Vernunfterkenntniss. Durch sie sind wir zur Idee der Sensibilität, Irritabilität und Reproduction hingeleitet worden. Diese drei Dimensionen, in welchen die unerforschliche Lebenskraft sich offenbart, sind freilich nicht mit Händen zu greifen, nicht durch den Puls und das Stethoskop und nicht durch das Messer des Anatomen zur sinnlichen Anschauung hinzustellen, wie ein herauspräparirter Markschwamm; aber die Idee derselben ist eine so nothwendige, wie die Idee des Gesetzes der Schwere und der Fliehkraft, mit der wir das Sonnensystem construiren. Wir haben die leiblich verwirklichten Sphären dieser drei Factoren des Lebens empirisch kennen gelernt, und es ist gewiss kein leerer Traum, wenn wir die Offenbarungen der Lebensthätigkeit als wurzelnd in diesen drei verschiedenen, zur Einheit verbundenen Sphären betrachten. Es ist eben wegen dieser Verknüpfung zur Einheit nicht möglich, alle Functionen als isolirt von diesem oder jenem Systeme ausgehend, in die Vorstellung aufzunehmen. Indessen sind viele derselben so ausgezeichnete Offenbarungen des Lebens in einer der angegebenen Richtungen, dass wir nicht umhin können,

diesen Richtungen vorzügliche Aufmerksamkeit zu schenken, ohne jedoch das gemeinschaftliche Walten, derselben in der Verschmelzung zur Einheit zu übersehen. So wie wir nun die Functionen der Sensibilität, der Irritabilität und der Reproduction physiologisch vereinzelt betrachten, so richten wir auch unsere Aufmerksamkeit auf Störungen die sich vorzugsweise in diesen verschiedenen Dimensionen kund geben. Daraus folgt, dass wir nicht unterlassen dürfen, die Potenzen, welche in diesen Dimensionen auffallende Veränderungen hervorbringen, nach ihren dynamischen Qualitäten zu beurtheilen. Da die Arzneimittel gleichfalls zu diesen Potenzen gehören, so ist es nothwendig, die Wirkungen derselben auf die verschiedenen Sphären zu unterscheiden. Wir verbinden aber damit zugleich die Vorstellung der empirisch erkannten Wirkungen derselben auf bestimmte Organe, und unterscheiden so genau als möglich die dynamische Umstimmung, die sie in jedem derselben zunächst oder in Folge räumlichen Fortschreitens oder in Folge sympathischer Affectionen hervorbringen. Mit diesen Hilfsmitteln sind wir in den Besitz einer Pharmakodynamik gekommen. Es ist nicht zu leugnen, dass wir auf diesem Felde der Wissenschaft noch sehr weit zurück sind. Wir müssen diess um so mehr mit Bedauern eingestehen, weil es grade der Boden ist, in welchem die Praxis wurzeln soll, um heilbringende Früchte zu tragen. Indessen werden wir bald weiter kommen, wenn wir den vorgezeichneten Weg verfolgen, und die Arzneiprüfungen an Gesunden mit Unbefangenheit und Sorgfalt fortsetzen. Für die specifische Heilkunst sind diese Prüfungen ganz unerlässlich nothwendig. Aber auch die gesammte Doctrin, die Intelligenz aller Schulen hat davon eine reiche Aerndte zu erwarten.

S. 78.

Eine wirkliche Pharmakodynamik, nämlich eine Zusammenstellung der bekannten specifischen Arzneimittel mit Angabe ihrer

Kräfte besitzen wir nicht. Wäre diese grosse Lücke erst ausgefüllt, so würde die specifische Heilmethode unfehlbar mehr seyn, als eine Methode. Sie würde, ganz abgesehen von ihrem praktischen Werthe, mit jedem anderen, wissenschaftlich construirten Systeme um den Rang streiten, und die Anhänger des strengen Dogmatismus würden es nicht mehr für Sünde halten, einen Kranken specifisch zu heilen.

Wir haben bis jetzt nur fragmentarische Andeutungen der dynamischen Wirkungssphären einzelner. Arzneimittel, und der, nach Rationalität strebende Arzt hat die schwere Aufgabe zu lösen, das Chaos der Symptomenbeschreibungen zu entwirren, das Wesentliche, Constante vom Zufälligen zu trennen, und durch Combination und Reflexion zur Vorstellung der dynamischen Wirkungsart eines jeden Arzneimittels zu gelangen. Diess wird uns möglich, in so ferne es überhaupt in dem beschränkten Kreise unseres Wissens möglich ist, wenn wir systematisch consequent nach gewissen Regeln verfahren, deren Andeutung vielleicht nicht undankbar aufgenommen werden dürfte.

Man muss,

§. 79.

um zu einer Gewissheit zu gelangen

1) die sämmtlichen Symptome, welche nach Darreichung einer Arznei behufs der Prüfung an Gesunden bemerkbar geworden sind, neben einander stellen, und diejenigen, welche sich überall wiederholt haben, als die constanten besonders notiren.

2) Man muss die Reihenfolge der Erscheinungen bei jeder besonderen Prüfung geschichtlich verfolgen, und durch Vergleichung auszumitteln suchen, welche constante Symptome immer in einer und derselben Reihenfolge hervor treten.

3) Man muss vorzüglich diese mit dem Auge des Physiologen betrachten, und untersuchen, ob sich in denselben vorzugsweise Abnormitäten der Sensibilität oder der Irritabilität oder der Reproduction zu erkennen geben.

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