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4) Man muss aufmerksam seyn auf die Zeichen, aus welchen eine vorragende Wirkung auf bestimmte Theile des Organismus zu erkennen ist.

5) Man muss diejenigen Symptome, die sich zwar nicht immer, aber doch öfters wiederholen, von denjenigen trennen, welche nur zuweilen erscheinen. Endlich sind

6) die Symptome, welche ein allgemeines Ergriffenseyn des Organismus verkünden, nach ihrer Bedeutung zu schätzen.

Es wird uns bei Befolgung dieser Regeln so ziemlich gelingen, die Cardinalwirkungen der verschiedenen Arzneien hervorzuheben, und die wirklichen Krankheitsprocesse, welche durch grössere Gaben derselben hervorgebracht werden, physiologisch zu erklären.

Aconit z. B. erhöht primär die Thätigkeit der Arterien und der fibrösen Gebilde, und bewirkt wegen dieser einseitigen, das venöse System nicht mit berührenden Aufregung in letzterem eine relative Passivität, von welcher Circulationsstockungen mit dem Charakter der Entzündung die Folge sind.

Belladonna bringt ähnliche Erscheinungen hervor, aber nicht zunächst, sondern durch Vermittelung des, in seinen Centralpuncten gesteigerten allgemeinen Nervenlebens mit erhöhter Expansibilität von innen nach aussen, wovon peripherische Entzündungsprocesse die Folge sind.

Zaunrübe wirkt erregend auf das peripherische Nervenund das Capillargefässystem, wodurch die Erscheinung von Symptomen erklärbar wird, welche einen, zwischen Entzündung und Nervosität schwankenden Zustand verrathen. Daher ist aber auch Zaunrübe grade in solchen Zuständen ein ganz vortreffliches Heilmittel.

Brechnuss erregt zunächst den contractiven Pol des Gangliensystems, veranlasst daher in 'den, unter dessen Herrschaft stehenden Organen Congestionen, Stockungen und Er

scheinungen örtlicher Plethora, im Cerebral- und peripherischen Nervensysteme aber eine Erhöhung der Sensibilität.

Pulsatilla bringt neben ihren specifischen Wirkungen auf den Verdauungsapparat eine Ueberempfindlichkeit des peripherischen Nervensystems mit erhöhter Venosität hervor.

Fingerhut vermindert den Herzschlag und steigert antagonistisch die Secretionsthätigkeit der Nieren. Diese wenigen Andeutungen mögen hier genügen. Wir werden, wenn wir genau beobachten, bei allen Mitteln, nur bei einigen deutlicher als bei anderen, in polarisch sich gegenüber stehenden Organen und Systemen entgegen gesetzte Wirkungen wahrnehmen, ohne jedoch die besondere, ich möchte sagen specifische Wirkung erklären zu können. Wir wissen nicht, warum Belladonna grade glatte, erysipelatöse, Aconit frieselartige, Rhus blasenartige, mit heller Lymphe gefüllte und Dulcamara eiternde und grindige Ausschläge hervorbringt, warum Aconit, Belladonna, und Brechnuss gewöhnlich auch zugleich auf die inneren Theile des Halses wirken u. s. w. Da nichts Ungesetzliches denkbar ist, so müssen wir alle diese Erscheinungen als gesetzlich annehmen, und den Grund derselben in dem eigenthümlichen primären Eindrucke suchen, vermöge dessen grade diese und keine anderen sympathischen Reactionen entstehen können. Die Erklärungen des genaueren causalen Zusammenhangs sind aber alle hinkend, und bringen uns in der Therapie doch nicht weiter. Es genügt uns, die Cardinalwirkungen der Arzneien empirisch kennen gelernt zu haben, und zu wissen, dass Jodium auf die Drüsen, Kanthariden zunächst auf das uropoetische System, Agnus castus auf die Geschlechtsorgane, Petersilie und Hanf auf die Schleimhaut der Harnröhre, Rhododendron auf die Synovialhäute und Aponeurosen, Strammonium und Gold auf die Gemüthsstimmung wirke u. s. w., und dass diese Wirkungen sich grade so und nicht anders offenbaren, als der Symptomen - Complex sie uns zeigt.

Ich lasse es dahin gestellt seyn, ob es bei der Zusammensetzung einer künftig zu erwartenden Pharmakodynamik möglich seyn wird, die Arzneimittel nach ihrem dynamischen Grundcharakter gehörig zu classificiren, wünsche aber, dass recht viel brauchbares Material zusammengetragen werden möge, um es besonders angehenden Praktikern leichter zu machen, als es mir geworden ist, aus dem Wirrwarr der ordnungslos an einander gereihten Arzneisymptome das Wesentliche heraus zu suchen, um es nach Aufstellung der Heilanzeigen in der Praxis benutzen zu können.

$. 80.

Wenn wir die Primärwirkungen, welche Arzneien bei Gesunden hervorbringen, gehörig kennen, so sind wir befugt, auf die specifische Heilwirkung derselben zu schliessen, nämlich auf die Gegenwirkung des Organismus, welcher das Bestreben hat, die künstlich hervorgebrachte Abnormität in seinem Inneren durch einen dynamischen Gegensatz wieder aufzuheben. Viele Verehrer der specifischen Heilkunst werden mit mir die Erfahrung gemacht haben, dass concrete Krankheitsfälle, von deren glücklicher Behandlung mit specifischen Mitteln gar keine Erfahrungen vorliegen, doch vollständig und schnell geheilt worden sind, wenn das Mittel gewählt worden, dessen der Krankheit entsprechende Primärwirkungen uns bekannt waren. Hahnemann hatte nie einen Cholerakranken behandelt; dennoch aber sich durch Vergleichung der nosographischen Mittheilungen mit den Symptomen des Camphers bewogen gefunden, denselben als Heilmittel in Vorschlag zu bringen, und die Nützlichkeit bei der, gerade den Camphersymptomen entsprechenden Form von Cholera hat sich vielfältig bestätigt. Hufeland*) hat gefragt, ob man die Cholera nicht mit Arsenik homöopathisch heilen könne? --Ihm waren blos die Primärwirkungen dieses Mittels bekannt, und er benutzte sie zu dieser Frage. Die Antwort ist bejahend

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ausgefallen; denn viele Cholerakranke verdanken dem Arsenik die Erhaltung ihres Lebens.

Gelungene Heilversuche sind die Beweise für die Richtigkeit unserer Calculation, und kein Arzt wird unterlassen, die Resultate eigener und fremder Erfahrungen zur Vermehrung der Kenntnisse von den Arzneiwirkungen sorgfältig zu benutzen.

*) In dessen Journal der pr. Heilk. 1830. 11. Stück.

S. 81.

Aufgabe der Therapie ist gänzliche Entfernung der Krankheit.

Diese Aufgabe ist allerdings nicht immer zu lösen, und der Hindernisse sind mehrere, nämlich

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1) Organische Verbildung, von welcher leidensvolle Sensationen oder Unregelmässigkeit gewisser Verrichtungen abhängen. Kopfschmerz von einer Exostose in der Schädelhöhle, Epilepsie von einem Hirntuberkel, Blutstockung von einem Herzpolypen, Kardialgie, und Erbrechen von einem ausgebildeten Krebs am Magenmunde sind unheilbare Uebel, an denen die Kunst sich vergebens versucht.

2) Erschöpfung der Lebenskraft entweder in Folge des hohen Alters oder übermässiger Anstrengungen, oder durch profuse Ausleerungen oder durch überaus heftige Schmerzen entstanden.

3) Relative Schwäche der Lebenskraft, welche der stürmischen Einwirkung der krankmachenden Potenz keinen Widerstand zu leisten vermag. Hierher gehören die Fälle, wo perniciöser Typhus, Pest und Cholera schon in einer halben Stunde tödten, die Vergiftungsfälle durch Schlangenbisse, u. d. gl.

4) Unabwendbar fortdauernde Einwirkung schädlicher Potenzen, welche am Ende die Lebenskraft überwältigen, z. B. Gram wegen unglücklicher Liebe, Heimweh eines Verbannten, unruhiges Gewissen, oder nicht zu ändernder Aufenhalt in einem, dem leidenden Individuum nachtheiligen Klima u. s. w. Wo aber

falsche störende Verhältnisse nicht Statt finden, da muss man die Krankheit in ihrem ganzen Umfange auszurotten suchen, und es ist nicht hinreichend, nur gegen einzelne, besonders hervorstechende, besonders lästige Symptome zu operiren, oder blos gegen den, in die Vorstellung aufgenommenen Gattungscharakter, sondern jede Krankheit muss als Art betrachtet werden, welche in ihrer eigenthümlichen Totalität zum Verschwinden gebracht werden muss.

Es ist durchaus ungegründet, was man der specifischen Heilmethode vorgeworfen hat, sie entferne blos die Symptome, nicht aber die Krankheit. Wenn dies möglich wäre, so müssten beide unabhängig von einander bestehen können. Symptome sind aber die gesetzlich nothwendigen Abspiegelungen eines înnormalen Lebenszustandes, und können weder ohne denselben vorhanden seyn, noch auf andere Weise zum Verschwinden gebracht werden, als mit und durch dessen Aufhebung oder Zurückführung zu einem normalen Verhältnisse. Wenn keine Symptome mehr vorhanden sind, so ist auch die Krankheit ausgelöscht. Tadelnswerth ist aber die alte, noch nicht ausgerottete Maxime, zweierlei Heilindicationen zugleich aufzustellen, und neben dem Kampfe mit der nächsten Ursache auch noch gegen gewisse Symptome ins Feld zu ziehen. Symptome sind Strahlen, welche die nächste Ursache versendet, und welche zugleich mit dieser verschwinden müssen. Nur wenn diese nicht richtig erkannt, oder nicht gehörig angegriffen wird, behaupten sich die äusseren Erscheinungen, gegen welche aber sehr selten mit günstigem Erfolge, häufiger zum grössten Nachtheile des Gesammtorganismus operirt wird, besonders dann, wenn es mit Mitteln geschieht, welche dem allgemeinen dynamischen Zustande nicht entsprechen. Ich will nur daran erinnern, wie viel Unheil mit dem Opium angerichtet wird, mit welchem man symptomatische Durchfälle und Krämpfe oder Schmerzen stillen will, und wo

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