Imágenes de páginas
PDF
EPUB

9) XVII. Bd. 4 Stück. S. 716.

10) A practical Treatise on Midwifery, by Robert Collius. Lond. 1836. 11) Med. Annalen III. Bd. 1. Heft. 1837.

[ocr errors]

S. 87.

Die grosse Lehrmeisterin Natur zeigt uns selbst den Weg, den wir einschlagen müssen, um Krankheiten ohne Anwendung grausamer und an sich gefährlicher Mittel glücklich zu heilen. Es kommt nur darauf an, dass wir gut beobachten, und die Winke derselben richtig verstehen. Besonders lehrreich sind die Vorgänge beim Zusammentreffen verschiedener Krankheiten bei einem und demselben Individuum.

Unähnliche Krankheiten können unter gewissen Verhältnissen neben einander bestehen, und zwar am leichtesten, wenn sie sich sehr unähnlich sind, wenn sie in verschiedenen Provinzen des Organismus ihren Sitz haben, und wenn zwischen den ergriffenen Organen keine grosse Sympathie und deshalb auch kein bedeutender Antagonismus Statt findet. Krätzige können die Wassersucht bekommen, können von der Syphilis angesteckt werden, und Hysterische und Epileptische können von jeder Entzündungskrankheit befallen werden. Vielmals sind aber Complicationen nur scheinbar, wenn nämlich die angeblich später hinzugetretene Krankheit blos eine Fortsetzung, eine weitere räumliche Verbreitung oder eine dynamische Umwandlung der ersteren ist. So geht Encephalitis oder Meningitis in Gehirnwassersucht über, Leberentzündung in Ascites, Nervenfieber in Schlagfluss, und Entzündungskrankheiten nehmen in Folge der beliebten Blutverschwendungen häufig einen nervösen Charakter an. Man hört wohl oft sagen: dieser Kranke wäre zu retten gewesen, wenn nur nicht ein Nervenfieber oder ein Schlagfluss hinzu gekommen wäre, und man geht so weit, von drei und ́vier verschiedenen Krankheiten zu sprechen, welche nach und nach hinzugetreten seyn sollen, obgleich sie doch weiter nichts

sind, als Verbreitungen eines und desselben abnormen Lebensprocesses, woran die Kunst leider nur zu oft den grössten Antheil hat.

Vielmals können aber unähnliche Krankheiten nicht neben einander empor kommen, wenn nämlich die Affection gegen dieselben Puncte oder gegen Systeme oder Organe gerichtet ist, welche in naher sympathischer Beziehung zu einander stehen. Daher schützt eine Krankheit oft gegen eine andere. Skorbut sichert gegen die levantische Pest 1). Pittschaft 2) berichtet aus Azabas Reisebeschreibung, dass in Paraguay die Bisse giftiger Schlangen für Venerische nicht tödtlich seyen, und fügt die Bemerkung hinzu, dass Tripperkranke nicht leicht vom Typhus angesteckt werden. Aehnliche Beobachtungen sind zu bekannt, als dass es von Nutzen seyn könnte, noch mehrere derselben hier anzuführen. Ich verweise auf Klose 3) der die dabei Statt findenden Vorgänge schr schön durch die Gesetze des Antagonismus erklärt, zuweilen traten aber auch unähnliche Krankheiten zu einer schon vorhandenen, und suspendiren nur die ältere für die Zeit ihrer eigenen Dauer, ohne sie jedoch ganz aufzuheben. Im Jahre 1779 verschwanden die Blattern

in den Orten, wo die damals herrschende Influenza ausbrach, kamen aber wieder, wenn diese aufgehört hatte 4). Glehn 5) beobachtete ein Individuum, welches gleichzeitig von Pocken und Scharlach befallen wurde. Es zeigte sich heftiges Fieber welches typhös zu werden drohte. werden drohte. Da erschien Scharlach, welcher aber am nächsten Tage verschwand, und nun kamen Pocken zum Vorschein. Man hat wahrgenommen, dass Epilepsie durch Kopfgrind 6), aber auch durch Goldaderfluss 7), Krätze durch Skorbut 8), Gicht durch Hämorrhoiden 9) suspendirt worden, anderer zahlreicher ähnlicher Beobachtungen nicht zu gedenken. Man behauptet, dass die schwächere Krankheit stets von der stärkeren verdrängt wird. Diess muss wohl zugegeben werden.

Aber es ist nicht möglich, die vorwaltende Stärke

einer Krankheit nach dem Gattungscharakter derselben zu schätzen. Hier ist Alles individuell, was man schon daraus sehen kann, dass gewisse Formen sich mehrmals ablösen. Wenn eine derselben die absolnt stärkere wäre, würde sie der anderen nicht Platz machen können. Es ist aber eben so wenig möglich, in concreten Fällen den Grund anzugeben, warum unähnliche Krankheiten einmal neben einander bestehen, bei andereu Individuum aber sich verdrängen und suspendiren, was im Allgemeinen nur dadurch zu erklären ist, dass zuweilen einzelne Systeme und Organe eine gewisse relative Unabhängigkeit behaupten, und an allgemeineren Störungen wenig oder gar keinen Antheil nehbei anderen Individuen oder zu einer anderen Zeit aber sich durch ein entgegen gesetztes Verhalten, durch eine sehr lebhafte Sympathie auszeichnen.

men,

Höchst wichtig ist aber die Beobachtung, dass sehr ähnliche Krankheiten, wenn sie zusammentreffen, sich nicht suspendiren, sondern dass die schwächere von der stärkeren gänzlich ausgelöscht wird. Gegner der specifischen Heilkunst haben sich viele Mühe gegeben, Beobachtungen vom gemeinschaftlichen und gleichzeitigen Vorkommen ähnlicher Krankheiten anzuführen, namentlich vom Vorkommen der Masern neben den Blattern, selbst der Schutzpocken neben den Menschenblattern. Bei jenen möchte übrigens die grosse Aehnlichkeit geleugnet werden dürfen; denn sie bezieht sich blos auf die Gegenwart eines, unter fieberhaften Erscheinungen entstandenen acuten Exanthems, wobei sowohl die Form, als der Inbegriff der allgemeinen Symptome grosse Verschiedenheiten offenbart. Die Masern haften in der Epidermis, die Pocken im Malpighischen Schleimnetz, nach Sacco 10) tiefer in der Lederhaut, was auch ich glaube. Ueberdiess ist, wie schon ältere 1) und neuere Aerzte 12) beobachtet haben, der Verlauf dieser beiden Krankheiten doch nie ganz gleichzeitig; sondern die eine wird so lange zurückgehalten, bis die andere im Abnehmen ist. Mit Blattern und Schutz

pocken verhält es sich eben so, aber noch mit dem wichtigen Unterschiede, dass die zuerst zur Ausbildung gelangende Form sich ganz vollständig darstellt, die andere, sich später entwickelnde aber die Zeichen der modificirten Pocken an sich trägt, woraus man ersehen kann, dass die stärkere Krankheit die ähnliche schwächere dem Erlöschen nahe gebracht hat.

Hahnemann hat viele Fälle gesammelt, welche das Auslöschen einer Krankheit durch eine andere ähnliche beweisen Bei vielen ist die äussere Aehnlichkeit nicht besonders gross. Denn wenn z. B. Pocken zuweilen Armgeschwulst, Hodengeschwulst, ruhrartige Durchfälle, Augenentzündung und Blindheit zu Begleitern und Nachzüglern haben, so können wir deshalb keine formelle Aehnlichkeit dieser Abnormitäten mit der Pockenkrankheit überhaupt nachweisen. Belehrender und überzeugender sind die Fälle, wo habitueller Kopfschmerz durch den, mit ähnlichem Leiden verbundenen Typhus für immer zum Verschwinden gebracht worden ist, wo die nach einem Typhus zurückgebliebene Lähmung eines Arms mehrere Jahre nachher im Verlaufe einer zweiten Typhuskrankheit verschwand. Ich habe vor drei Jahren ein Kind, welches mehrmals, und zwar noch acht Tage zuvor, die wandernde Rose gehabt hatte, vaccinirt. Die peripherische Entzündungsröthe zeigte sich am neunten Tage und verbreitete sich von den Impfstellen aufwärts bis zu den Schultern und abwärts bis an die Fingerspitzen. Beide Arme schwollen enorm, und das Fieber war heftig. Als diese Entzündung sich zertheilt hatte, war aber auch die ganze Disposition zu der sehr ähnlichen Rose verschwunden.

Ich glaube übrigens in Folge der grossen Aufmerksamkeit, welche ich seit längeren Jahren diesem Gegenstande geschenkt habe, behaupten zu dürfen, dass nur solche Krankheiten sich wechselseitig zum Auslöschen bringen, bei denen nicht nur eine grosse Aehnlichkeit in Beziehung auf die dynamischen Verhältnisse Statt findet, sondern wo das Uebel auch in gleichen Sy

stemen und Organen wurzelt. Durch diese Bemerkung wird aber auch wiederum die Nothwendigkeit bewiesen, bei allen Heilunternehmungen den dynamischen Charakter der Krankheiten und den Heerd derselben wohl zu berücksichtigen, und sich nicht allein auf die äusseren Erscheinungen derselben zu verlassen. 1) Larrey, description d'Egypte. T. 1.

2) In Hufelands Journ. 1819. Sept. S. 17.

3) Ueber Krankheiten als Mittel der Verhütung und Heilung von Krankheiten. Breslau, 1826.

4) Richters specielle Therapie. 2 Bd. Berlin, 1821. S. 273.

5) Zeitschrift für die gesammte Medicin, herausgegeben von Dieffenbach etc. 3. Bd. 3. Heft.

6) Tulpii observ. L. I. obs. 8.

7) Zacut. Lusitan. in prax. histor. Lib. I. obs. 28. Ideler über die Krisen in den Krankheiten. Leipzig, 1796. Reils Fieberlehre 3. Bd. S. 154.

8) In Hufelands Journal d. pr. Heilk. 15. Bd. 11. Stück.

9) Forest. observat. Lib. III. obs. 4. Storch prax. med. casual, T. I. p. 453. Fr. Lossius Lib. III. observ. 24. Alberti tract. de hdbs. P. I. p. 234.

10) Memoria sul vaccino etc. Milano, 1805.

11) Act. natur. curios. Vol. VI. p. 370.

12) Hufelands Bemerkungen über die natürlichen und geimpften Blattern zu Weimar im Jahre 1788. S. 174. Journal de medicine condinué. Vol. XV. p. 206. Schultze in der Wochenschrift für die gesammte Heilkunde. 1833. Nro. 17.

S. 88.

Wenn Beobachtungen der angegebenen Art schon auf den Grundsatz: similia similibus curanda hindeuten, so erhält derselbe doch seine festeste Stütze durch Erfahrungen in der Praxis. Es lässt sich geschichtlich nachweisen dass man, ohne sich des Gesetzes bewusst geworden zu seyn, schon längst mit specifischen Mitteln geheilt hat, und noch täglich werden viele derselben von den Anhängern aller Schulen angewendet. Hahnemann und seine Verehrer haben eine grosse Menge von Beobachtungen zusammen gestellt, um die Richtigkeit des

« AnteriorContinuar »