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so beweisen sie eine zu schwache Wirkung derselben, welche durch stärkere Gaben oder durch öftere Wiederholungen erhöht werden muss. Zuweilen ist aber auch die Ursache darin zu suchen, dass das Mittel nicht auf den Heerd der Krankheit, sondern nur auf sympathisch afficirte Organe specifisch wirkt, und einseitige, unvollständige Reactionen veranlasst, weshalb es mit einem anderen vertauscht werden muss. Wer diess richtig zu beurtheilen versteht, beurkundet das wahre practische Talent. Wir finden aber auch endlich

5) die Gegenwirkungen zuweilen grade so stark, wie wir sie nur wünschen können, um den Uebergang in Genesung zu bewerkstelligen. In solchen Fällen wird aber oft am meisten gefehlt. Der Kranke soll nicht merken, dass die eigne Natur ihn heilt, und dass er gar keines Arztes bedurft hätte. Blos um sich geltend zu machen, verordnet dieser allerlei Arzneien, welche angeblich der Natur nachhelfen, sie unterstützen sollen, und bringt grade dadurch Störungen der Lebensthätigkeit und Verzögerungen der Herstellung hervor. Auch specifische Arzneien sind dabei nachtheilig; denn wenn sie nach Symptomenähnlichkeit gewählt worden sind, so treten die Wirkungen derselben den heilsamsten Reactionsbestrebungen des Organismus entgegen, und werden dadurch absolut schädlich. Aber Hahnemann hat ein so trauriges Bild von diesen sogenannten ohnmächtigen Hilfsbestrebungen der Natur gezeichnet, dass besonders jüngere und wenig erfahrne Aerzte, welche noch nicht durch wiederholte eigene Beobachtungen vom Gegentheile überzeugt worden sind, dadurch leicht verführt werden können, die wohlthätigsten Reactionen zu stören. Es gibt allerdings Menschen, welche in blinder Befangenheit der eigenen Natur weniger zutrauen, als der unsicheren Kunst, und deshalb trostlos werden, wenn der um Hilfe angesprochene Arzt keine Medicamente verordnet. In solchen Fällen mag es die Klugheit gebieten, dem Kranken etwas Indifferentes zu geben. Aber es muss

in der That indifferent seyn.

Denn die Kunst hat eigentlich

gar nichts dabei zu thun, weil sie nichts nützen, wohl aber viel verderben kann. Der Arzt hat blos dafür zu sorgen, dass die Krisen nicht gestört werden, und hat den Gang der sich entfaltenden Lebensprocesse zu beobachten, um bei etwaigen Ausschweifungen der Thätigkeit die geeigneten Hilfsmittel anwenden zu können.

1) Beschreibung einer neuen Heilart des Nervenfiebers. Berlin, 1803. 2) Struves Triumph der Heilkunst. 1. Bd. Breslau, Hirschberg

und Lissa. 1800. S. 78.

3) Vorlesungen über prakt. Arzneiwissenschaft, herausgegeben von C. Sundelin. 2. Auflage. 4. Bd. Berlin, 1837. S. 33.

$. 95.

Die Berücksichtigung der bis hierher gemachten Bemerkungen wird vor dem Missgriffe bewahren, dem Grundsatze similia similibus curanda eine falsche Deutung zu geben. Man soll ein Arzneimittel wählen, nicht deshalb, weil es an sich Symptome hervorbringt, welche den vorhandenen Krankheitssymptomen sehr ähnlich sind, sondern deshalb, weil es im Stande ist, den Organismus in einen höchst ähnlichen Krankheitszustand zu versetzen, wovon die Symptome blos das äussere Zeichen sind, und man soll die Symptome der wohlthätigen Gegenwirkungen wohl davon unterscheiden, um den Waffen, deren wir uns bedienen wollen, nicht selbst die Schärfe zu nehmen. Welche Vorkenntnisse und welche intellectuelle Eigenschaften erforderlich sind, um bei der Ausübung der Heilkunst vom Bestreben nach Rationalität geleitet zu werden, und den Anforderungen an dieselbe zu entsprechen, bedarf keiner weiteren Erklärung. Es ist indessen eine ganz eigene Erscheinung, dass die beschränktesten Köpfe subjectiv die alllerglücklichsten sind, und sich mit Zweifeln das Leben nicht trüben. Die Vorschriften der Schule genügen ihnen vollkommen, und indem sie sich streng darnach richten, kuriren sie darauf los, es mag gehen,

wie es will; und wenn der Ausgang schlecht ist, so beruhigt sie wenigstens das Bewusstseyn, ein schulgerechtes Verfahren nachweisen zu können. Aerzte, denen eine höhere Intelligenz zu Theil geworden ist, finden aber allzu häufig Ursache, über die Beschränktheit unseres Wissens überhaupt zu klagen, und namentlich in Beziehung auf die Diagnose mit Zweifeln zu quälen. Es ist nicht damit gethan, einer Krankheit einen Namen zu geben, und ihr einen Platz im nosologischen Systeme anzuweisen, womit wir für die Praxis gar nichts gewinnen. Wir wollen die inneren dynamischen Verhältnisse so durchschauen, dass wir nicht nur die allgemeinen, sondern auch die speciellsten Heilanzeigen aus dieser Vernunfterkenntniss entwickeln können, um in Beziehung auf unser Verfahren vor unserem eigenen Gewissen gerechtfertigt zu seyn. Leider aber, und wenn wir auch alle angegebene Hilfsmittel zur Diagnose auf das sorgfältigste benutzt haben, schweben wir doch oft in Ungewissheit, weil sowohl die ätiologischen Untersuchungen, als die Symptomatologie und Semiotik uns nicht selten im Stiche lassen. In chronischen, nicht dringend gefährlichen Krankheiten kann man es schon darauf ankommen lassen, Versuche mit einem Verfahren zu machen, welches nach grösster Wahrscheinlichkeit das richtige ist, und wenn man sich geirrt hat, davon abzustehen, und wiederum nach Wahrscheinlichkeit anders zu handeln. In acuten Krankheiten aber, wo das Leben auf dem Spiele steht, und wo die Rettung blos davon abhängt, dass man schnell die geeigneten Mittel anwendet, da ist die Lage des ungewissen und zweifelnden Arztes sehr traurig. Eine solche Ungewissheit kommt am häufigsten vor, wenn die Thätigkeitsäusserungen verschiedener Systeme des Organismus mit einander im Widerspruche zu stehen scheinen, wenn z. B. bei starker Aufregung im Blutsysteme so erhebliche Zeichen von Nervenschwäche hervortreten, dass man nicht weiss, welches dieser verschiedenen dynamischen Verhältnisse Ursache und welches

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Folge ist, weshalb man sich auch nicht aus dem Delemma zu retten weiss, ob man Blut nehmen und schwächen, oder das danieder liegende Nervenleben durch Reizmittel empor heben soll. Ein sehr hoch gefeierter Arzt hat einmal den Rath gegeben, man solle in solchen Fällen antiphlogistisch verfahren, und dabei ein klein wenig stärker. Wer vermag diess auszuführen? Man hat Probeaderlässe empfohlen, um von dem Erfolge auf den dynamischen Charakter der Krankheit schliessen zu können. Wir wissen aber, dass ein kleiner Aderlass am unrechten Orte mehr schaden, als am rechten Orte nutzen kann, weil oft nur eine reichliche Blutentziehung den Nutzen bringt, den man augenblicklich davon erwartet. Solche Maassregeln sind also im Allgemeinen verwerflich. Was soll man aber thun, um sich unter so dringenden Verhältnissen aus der Verlegenheit zu ziehen? —

Ich rathe unbedingt, und selbst auf die Gefahr hin, des Irrationalismus beschuldigt zu werden, in allen dringenden Fällen, wo man in der Diagnose zweifelhaft ist, blos symptomatisch zu verfahren, und ein Arzneimittel auszuwählen, dessen Primärwirkungen den vorhandenen sämmtlichen Krankheitssymptomen durch grösste Aehnlichkeit entsprechen. Wir sind berechtigt, anzunehmen, dass es dann auch einen höchst ähnlichen Lebenszustand hervorzubringen, und in der Nachwirkung zu verbessern vermag. Je grösser die Gefahr ist, um so ausgezeichneter sind auch die Symptome, und um so leichter ist es, ein solches Mittel zu finden. Wenn wir es dahin gebracht haben, die dynamischen Wirkungen der Arzneien richtig kennen gelernt zu haben, so dürfen wir selbst von dem Charakter des, nach Symptomenähnlichkeit gewählten Mittels auf den Charakter der Krankheit zurückschliessen, und die Vorstellung desselben als einen Wink zur ferneren Behandlung benutzen. Aber auch dann, wenn wir schon weniger zweifelhaft geworden sind, wenn wir schon wissen, aus welcher Reihe von Arzneimitteln wir eines auszusuchen haben, ist es immer von Wichtigkeit, nur dasjenige

zu wählen, welches sich durch die grösste Symptomenähnlichkeit auszeichnet. Wesen und Form sind meistens auf das Innigste verschmolzen, und die letztere zeigt uns gewöhnlich den sichersten Weg zur Heilung. Die Bedeutung der Symptome ist uns im Allgemeinen noch viel zu wenig bekannt, als dass wir aus denselben die Verkettung der dynamischen und polarischen Verhältnisse zwischen den einzelnen Organen, noch weniger die Rückwirkung sympathisch scheinender Affectionen auf das Ganze zu erkennen vermöchten. Daher achten wir manches Symptom für zufällig und für Nebensache, obgleich es von der grössten Bedeutung ist, was jeder erfahren hat, der im Felde der Praxis Beobachtungen gesammelt hat. Ich halte es für zweckmässig, einige Beispiele aus meiner eigenen Praxis anzuführen.

Ich wurde unlängst von einer jungen Dame gebeten, ihr ein Mittel gegen Zahnschmerzen zu geben. Sie wusste keine Veranlassung dazu, und ich fand nur folgende wenige Symptome, Abends nach dem Niederlegen lästiges Jücken am ganzen Körper, dann ziehendes, nagendes Zahnweh in der linken oberen Kinnlade, welches den Schlaf störte; etwas weiss belegte Zunge, Tags über grosse Müdigkeit mit Misslaunigkeit und bei wässerigem Fliessschnupfen zuweilen Anfälle von sehr heftigem Niessen. Die katarrhalische Natur dieses Leidens war wohl ziemlich klar. Indessen entsprechen der Allgemeinheit desselben mehrere Mittel, namentlich Chamille und Schwefel. Aber grade das heftige Niessen bestimmte mich, Cyclamen zu geben, und der Schmerz kam nicht wieder.

Eine lebenskräftige, sieben und vierzigjährige Frau von frischer Gesichtsfarbe, früher zu Blutcongestionen geneigt, weshalb sie vielmals Aderlässe vornehmen lassen musste, ehe ich deren Arzt war, bekam nach vorausgegangenem vollkommenen Wohlbefinden während einer körperlichen Anstrengung einen Blutsturz aus der Lunge. Mehr als ein Schoppen hellrothen,

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