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namentlich die dem zweiten Typus eigenthümliche Herdbildung. An einem solchen Herde entstehen nicht plötzlich viele Fälle, sondern sie folgen einander, sie bilden gewissermassen Ketten und es lässt sich sehr oft ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen ermitteln. Von einem solchen Herde aus können durch Verschleppung neue Herde in anderen Stadttheilen, in benachbarten Orten ausgehen, in denen dann wieder kettenförmig aneinander gereihte Fälle eine mehr oder weniger ausgebreitete Gruppenerkrankung ausmachen.

Beide Typen bleiben häufig nicht rein, sondern kombiniren sich in mannichfacher Weise, namentlich wird der erste Typus vielfach zu Herdbildung führen und schliesslich ganz in den zweiten Typus übergehen, aber auch bei diesem kann jeder Zeit, so bald der Infektionsstoff seinen Weg in das Wasser findet, ein explosionsartiger Ausbruch erfolgen, dessen Umfang sich nach der Art der Wasserversorgung richten wird.

Die Hamburger Winterepidemie gehört fast ausschliesslich dem zweiten Typus an; sie betrifft nur Angehörige der untersten und alleruntersten Volksklassen, arbeits- und obdachlose Menschen, Alkoholiker, welche in Bettlerherbergen und Branntweinsckänken hausten und umherziehende Händler, die in solchen Lokalen ihr Gewerbe betrieben. Fast in allen Fällen gelang es den sorgsamen Nachforschungen der Sanitätspolizei den Zusammenhang der einzelnen Fälle unter einander aufzuhellen. Uebrigens kam es gelegentlich auch bei dieser Epidemie zu einer Mitbetheiligung des Wassers und zwar auf den beiden Dampfern, Murciano“ und „Gretchen Bohlen". Bekanntlich hat die Untersuchung der unter Quarantäne gestellten Mannschaft der beiden Schiffe zu dem Ergebniss geführt, dass unter den klinisch Unverdächtigen, aber ätiologisch Verdächtigen eine ganze Anzahl Cholera - Infizirter war. Koch ertheilte daher den Rath, die Evakuirung und bakteriologische Untersuchung nicht nur auf die offenbar Erkrankten zu beschränken, sondern derselben Alle diejenigen zu unterwerfen, welche sich vermuthlich in gleicher Weise, wie diese infizirt haben konnten. Wie der Chirurg, wenn er eine bösartige Geschwulst sicher entfernen wolle, im Gesunden schneiden müsse, so müsse auch die Exstirpation des Cholerakeimes gewissermassen im Gesunden geschehen.

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Einen ganz anderen Charakter zeigt die etwa gleichzeitig auftretende Winterepidemie in Altona. Die Fälle waren durch die ganze Stadt gleichmässig zerstreut und kamen in allen Bevölkerungsklassen, bei Personen, die weder mit Cholera - Kranken, noch unter einander in Berührung gekommen waren, gleichmässig vor. Es musste also eine gemeinsame Infektionsquelle vorliegen, als welche sich denn auch die Wasserleitung herausstellte, wie Koch in dem früheren Aufsatz Wasserfiltration und Cholera" bewiesen hat (Referat in Nr. 17 dieser Zeitschrift). Sehr interessant ist die Schilderung einiger sekundärer Herdbildungen, namentlich in dem sog. „langen Jammer", einer von Proletariat bewohnten, nicht an die Wasserleitung angeschlossenen, sondern auf einen Brunnen angewiesenen Häusergruppe. Die Schmutzwasserleitung, welche im Sommer wohl genügt haben dürfte, um den Brunnen vor Infektion zu schützen, versagte, da die Gullies eingefroren waren und der metertief gefrorene Boden leitete die Schmutzwässer auf seiner Oberfläche direkt nach dem an der tiefsten Stelle liegenden, mangelhaft abgedeckten Brunnen, in dessen Wasser der CholeraBacillus nachgewiesen wurde.

Der grösste Theil der Koch'schen Arbeit beschäftigt sich mit der Epidemie in Nietleben, welche als ein Ausläufer der Hamburger WinterEpidemie angesehen werden muss. Die Einschleppung ist vermuthlich durch neu angestelltes Wartepersonal verursacht worden. Die durch Karten und Profile erläuterte Beschreibung der Anstalt lässt die bemerkenswerthe Thatsache erkennen, dass hier von dem durchläsigen Boden, den die Pettenkofer' sche Theorie verlangt, gar nicht die Rede sein kann; die Anstalt liegt auf einer aus Porphyr bestehenden Hügelkuppe und sämmtliche Gebäude sind direkt auf dem Felsen fundamentirt. Die übrigen Verhältnisse, namentlich die Wasserleitung, welche das Wasser der „wilden Saale" unmittelbar unterhalb der Einmündung des „Saugrabens", welcher die Abwässer der Rieselfelder mit sich führt, entnahm und in ganz ungenügender Weise filtrirte, sind bekannt. Die Anstalt ist bereits zwei Mal und zwar vor Einführung zentraler Wasserversorgung von der Cholera heimgesucht worden, welche aber beide Mal dem zweiten Typus folgte, an einer bestimmten Stelle, einem Saal oder einem Korridor sich einnistete und von

da aus weiter kroch. Die Krankenliste der Anstalt weist zwar im Oktober, also 1 Jahr vor Ausbruch der Epidemie viel Diarrhöen auf, dagegen kurz vorher durchaus keine Häufung der Durchfallskrankheiten, wie denn Koch überhaupt nicht daran glaubt, dass vor einer Cholera - Epidemie eine derartige Aeusserung des Genius epidemicus sich zu erkennen gäbe. Am 14. Januar kam der erste Cholerafall in der Anstalt vor. Ihm folgten am nächsten Tage 6 Fälle, dann 11, dann 15, 8, 7, 16, 9, 12, 8, 13, 5, 3, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, Summa 122 Fälle, von denen 52 tödtlich verlaufen sind! Es erkrankten 63 Männer, davon 3 Aerzte, and 59 Frauen, davon 7 Wärterinnen und 3 Beamtenfrauen.

Ganz im Gegensatz zu den Epidemien von 1850 und 1866, wo die Cholera an einem bestimmten Punkt eingesetzt hatte und erst allmählich auf benachbarte Räume und Abtheilungen fortgekrochen war, erschien diesmal die Seuche sofort an den verschiedensten Stellen, sowohl auf der Männer- wie der Frauen - Seite. Die 18 Fälle der ersten drei Tage vertheilen sich auf 11 verschiedene Abtheilungen in 10 verschiedenen Gebäuden! Die gleichmässige Vertheilung zwingt zu dem Schluss, dass die ursächlichen Momente nur solche sein konnten, welche nicht einzelne Gebäude oder einzelne Gruppen unter den Bewohnern der Anstalt, sondern die Anstalt im Ganzen getroffen hatten. Solchen gemeinschaftlichen Einfluss konnten nur Boden oder Wasser oder Nahrungsmittel geäussert haben. Der Boden kann nach dem oben Gesagten von vorneherein ausgeschlossen werden. Uebrigens verdient Erwähnung, dass das einzige Haus, welches nicht auf Porphyr, sondern auf lockerem Alluvium stand, die Gärtnerwohnung, keinen einzigen Cholerafall hatte. Auch die Nahrungsmittel können nicht beschuldigt werden, da dieselben Lieferanten auch die Hallenser Kliniken, welche vollständig verschont blieben, versorgten.

Es blieb nur das Wasser übrig, aber es schienen gegen diese Annahme gewichtige Gründe zu sprechen, wurde doch das Schmutzwasser, dem die Infektionsstoffe augenscheinlich entstammen sollten, durch eine Rieselanlage und das Trinkwasser durch Sandfiltration, den Forderungen der Hygiene entsprechend, gereinigt! Aber ebenso gewichtige Fehler, wie Koch beim Betrieb der Wasserfiltration nachweisen konnte, traten auch bei der Rieselwirthschaft zu Tage. Nach Koch's Ansicht wäre selbst in dem strengen Winter 1892/93 bei sachkundiger Leitung, namentlich bei genügender Ausnutzung der an Stelle von Staubassins fungirenden umwallten Felder, richtige Funktionirung der Anlage zu ermöglichen gewesen. Es verstand aber von den betheiligten Personen Niemand die richtige Behandlung einer Rieselwirthschaft genau wie bei der Filteranlage! Thatsächlich floss das Schmutzwasser, welches mit 400 000 Keimen beladen die Anstalt verliess aus dem Hauptdrainrohr der Rieselfelder mit 470 000 Keimen durch den Saugraben in die wilde Saale zu der Schöpfstelle für die Wasserleitung. So konnte der Infektionsstoff mit dem Flüssigkeitsstrom ungehindert seinen verhängnissvollen Kreislauf durch die Anstalt vollenden! Dafür, dass dies geschehen, lieferte die bakteriologische Untersuchung den unumstösslichen Beweis, denn die Cholera-Bakterien wurden gefunden im Schmutzwasser bei seinem Eintritt in das Rieselterrain, auf den Rieselfeldern selbst und in dem Wasser des Hauptdrains beim Austritt aus dem Rieselterrain. Sie wurden ferner gefunden im Wasser der wilden Saale, im filtrirten Wasser des einen Filters und in dem Wasser, welches einem Leitungshahn innerhalb der Anstalt entnommen war.

Auch in dieser Epidemie blieb es nicht bei der Wasserinfektion; es kamen vielmehr häufig sekundäre Infektionen, namentlich in den Pflegeabtheilungen mit ihren unreinlichen Kranken vor.

Natürlich war sofortige Schliessung der Wasserleitung erforderlich, aber nicht so leicht durchzuführen. Namentlich stiess der Versuch, als Trinkwasser das von der Stadt Halle in Tonnen herbeigefahrene Leitungswasser zu verwenden, für die gewaltige Menge des erforderlichen Brauchwassers aber das eigene Leitungswasser weiter zu verwenden, auf unüberwindliche Schwierigkeiten, die theils durch sich selbst, theils durch den Charakter der Anstalt bedingt sind. Wurden doch wiederholt Kranke betroffen, die das Spülwasser der Klosets mit den Händen schöpften und tranken! Erst die Verlöthung sämmtlicher Auslässe konnte diesen Missständen dauernd abhelfen.

Bekanntlich traten im Anschluss an die Nietlebener Epidemie vereinzelte

Choleraherde in der Nähe und zwar in Trotha und einigen anderen, flussabwärts gelegenen Ortschaften auf. Die Schilderung dieser kleinen sekundären Seuchenherde bietet gerade wegen der Uebersichtlichkeit des Zusammenhanges sehr viel Interessantes und viele schlagende Beweise für die Infektion durch den Wassergenuss, so dass Koch mit Recht sagen kann: Wer hier noch leugnen will, dass das Wasser der Träger des Cholera-Infektionsstoffes sein kann, der ist für die Logik der Thatsachen überhaupt nicht zugängig!

An diesen Ausspruch schliesst sich die aus den politischen Zeitungen genügsam bekannte Auseinandersetzung mit Pettenkofer und die in viel lebhafterem Ton gehaltene scharfe und schlagende Abfertigung Lie breich's. Dr. Langerhans-Celle.

Besprechungen.

Dr. Pactet: Aliénés méconnus et condamnés par les tribunaux. Paris. G. Steinkeil. 1893. 8°. 72 S.

Der Verfasser stellt eine Reihe von Krankengeschichten verurtheilter Geisteskranker, welche er als Irrenarzt in den Asiles de la Seine und als Gefängnissarzt an dem Depot der Pariser Polizeipräfektur beobachten konnte, zusammen. Es sind 28 Paralytiker, welche durch einfaches Forttragen von Gegenständen, Vagabondage oder läppische Fälschungen und Betrügereien mit dem Gesetz in Konflikt gerathen waren, 4 Verrückte, die im Verfolgungswahn die inkriminirten Handlungen begingen, und 3 Fälle, welche zu den sexuellen Psychosen gehören, Beispiele für den Taschentuch-, Schürzen- und Haarfetischismus. Das ist eine kleine Zahl aus der grossen Masse von Geisteskranken, welche in den Kulturstaaten tagtäglich wegen Gesetzesübertretungen statt in den Irrenanstalten in die Gefängnisse geschickt werden; und ich würde bei der mehrfachen Bearbeitung, welche der Zusammenhang der Geisteskrankheiten mit den Gesetzesübertretungen und die darauf zurückzuführenden thatsächlichen Uebelstände bei uns im letzten Jahrzehnt gefunden haben, die kleine französische Arbeit auch kaum erwähnt haben.

Aber immerhin ist es nicht ohne Interesse, dass der Verfasser im Kapitel IV, S. 60 ff. ganz zu denselben Anschauungen und Vorschlägen zur Abhülfe gelangt, wie sie von mir kurze Zeit vorher am Schluss einer Bearbeitung der Geisteskrankheiten der Korrigenden Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Bd. XXII, Heft 2 und 3 veröffentlicht waren.

Weshalb werden denn so viele Geisteskranke wegen strafbarer Handlungen verurtheilt? Doch wohl nur deshalb, weil unser heutiges Strafverfahren die Zurechnungsfähigkeit jedes nicht vorher als geisteskrank erklärten Gesetzesübertreters präsumirt, und es dem Zufall überlässt, ob Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit bei dem Richter entstehen oder von der Vertheidigung erhoben werden. Ist das nicht der Fall, und hält sich der Inhaftirte oder Vorgeführte ruhig, beantwortet die vorgelegten Fragen und benimmt sich nicht ganz auffällig, so erfolgt der Urtheilsspruch. Nun giebt es eine Unzahl Verrückter, leicht Dementer und viele fnnktionell Gestörte, welche diesen Voraussetzungen ebenso entsprechen werden, wie Paralytiker im Anfang der Krankheit, psychisch Epileptische in ruhigen Zeiten und andere. Dass sich deshalb unter den Verurtheilten ein verhältnissmässig grosser Prozentsatz dieser Leute finden muss, ist selbstverständlich.

Wie ist dem aber abzuhelfen?

Ich meinte a. a. O. Man führe einfach eine psychiatrische Kontrole aller Inhaftirten durch psychiatrisch gebildete Gefängnissärzte ein und lasse das Resultat jedes Mal zu den entsprechenden Akten geben. Das kann bei in Frage stehenden Uebertretungen oder Vergehen eine summarische Notiz sein, bei Untersuchungsgefangenen müsste ein kurz motivirtes Gutachten obligatorisch sein.

Diese Feststellung der Zurechnungsfähigkeit müsste ein integrirender

Theil des Vorverfahrens in jeder Strafsache werden."

Pactet schreibt etwa ein halbes Jahr später (S. 65 und 66): „Le seul moyen, veritablement efficace, d'eviter tous les inconvénients graves de l'état de

choses actuel, serait de soumettre le prévenu, après son arrestation, à la visite d'un médecin; en d'autres termes, l'examen médical devrait être la première étape de l'instruction de toute affaire délictueuse au criminelle. Cette opinion, qui aujourd'hui peut paraître, une utopie sera sans doute la banalité de demain." Kühn- Uslar.

Tagesnachrichten.

Zum ersten Male ist von einer politischen Partei die Reform des staatlichen Medizinalwesens in ihr Wahlprogramm aufgenommen worden. In dem Wahlaufruf der nationalliberalen Partei vom 24. September d. J. heisst es: „Bei Beobachtung weiser Sparsamkeit in allen Dienstzweigen der staatlichen Verwaltung müssen auch ohne neue Steuerbelastung die Mittel gefunden werden, um unerlässliche Aufgaben zu erfüllen, wie wir sie in der Reform des staatlichen Medizinalwesens erblicken." Möge es dem thatkräftigen Vorgehen der nationalliberalen Landtagsmitglieder gelingen, die Reform endlich zur Durchführung zu bringen!

Auf der diesjährigen am 6. und 7. September in Frankfurt a. M. abgehaltenen 29. Hauptversammlung des Deutschen Apothekervereins stand auch die Konzessionsfrage der Apotheken auf der Tagesordnung und hat sich die Versammlung dem Antrage ihrer Kommission gemäss, wie nicht anders zu erwarten war, fast einstimmig für die Realkonzession entschieden. Der betreffende Antrag lautet wie folgt:

Es entspricht den Interessen der allgemeinen Volkswohlfahrt sowie der gedeihlichen Entwickelung der Pharmazie und des Apothekenbetriebes in Bezug auf die Versorgung des arzneibedürftigen Publikums am besten, wenn die frei gewerbliche und veräusserliche Betriebsberechtigung für die Apotheken auch für die Zukunft zur Grundlage gesetzlicher Massnahmen genommen wird.

Jedes System, welches sich auf anderen Prinzipien aufbaut, würde eine Erschütterung und Entwerthung der soliden bewährten Grundlagen unseres Standes und unfehlbar eine Schädigung des Allgemeinwohls herbeiführen."

Ausserdem wurde auf der Versammlung die Wichtigkeit und Nothwendigkeit einer Standesvertretung anerkannt und die Bestrebungen des Vorstandes nach dieser Richtung hin gut geheissen.

Dem Bundesrath ist ein Gesetzentwurf zugegangen, wodurch der §. 33 der Gewerbeordnung dahin geändert werden soll, dass der Handel mit Drogen und chemischen Präparaten untersagt werden kann, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit der Gewerbetreibenden auf diesem Gewerbebetrieb darthun; und dass eine Wiederaufnahme dieses Gewerbebetriebes nur gestattet werden darf, wenn seit der Untersagung mindestens 5 Jahre verflossen sind. In der Begründung zu diesem Entwurf heisst es:

,,Bei Durchführung der Kaiserlichen Verordnungen vom Januar 1875 und 27. Januar 1890 über den Verkehr mit Arzneimitteln haben sich schwere Uebelstände ergeben. Die auf Grund eingehender Beaufsichtigung gewonnenen Erfahrungen haben gelehrt, dass bei vielen Inhabern von Drogenhandlungen eine starke Neigung besteht, den Vorschriften, welche den Vertrieb von Arzneimitteln von dem Geschäftsverkehr der Drogisten ausschliessen, beharrlich zuwiderhandeln. Diese Uebertretungen beschränken sich in einer sehr grossen Zahl von Fällen nicht auf die Abgabe der für den täglichen Verkehr bereitstehenden Arzneimittel und Zubereitungen, sondern erstrecken sich auch auf die Anfertigung jedweder Arzneiverordnung (Rezept), und zwar ohue Rücksicht darauf, ob diese direkte oder indirekte Gifte enthält oder nicht, so dass der Volksmund thatsächlich nicht im Unrecht ist, wenn er die Drogenhandlungen mit dem Namen wilde Apotheken" belegt.

"

Die Gefährlichkeit, welche dieses gesetzwidrige Treiben schon an sich

für die gesundheitlichen Interessen des grossen Publikums im Gefolge hat, erhöht sich wesentlich dadurch, dass, wie vielfach angestellte Ermittelungen ergeben haben, das in den Drogenhandlungen beschäftigte Personal, welches mit der Zubereitung der Medikamente befasst ist, zum weitaus grössten Theile jeglicher sachverständigen Schulung entbehrt und vielfach sogar der lateinischen Sprache, in welcher die Rezepte abgefasst sind, nicht mächtig ist.

Es kommt überdies hinzu, dass die Zubereitung der Arzneimittel in den Drogenhandlungen aus naheliegenden Gründen in der Regel im Geheimen vorgenommen wird und zu diesem Behufe in möglichst abgelegenen Privaträumen, Schlafzimmern, Alkoven und sonstigen den beaufsichtigenden Beamten nicht zugängigen Gelassen erfolgt, in denen die zur Rezeptur erforderlichen Mittel und Sondergeräthe in durchaus unzulänglicher Weise, oft im wilden Durcheinander (Gifte, wie Sublimat, Morphium, Quecksilberjodid, Opiumtinktur neben Ammonium choleratum pulverat., Goldschwefel, Rhabarbertinktur u. s. w.) aufbewahrt werden.

Der im weitesten Umfange gemachte Versuch, durch Ausübung einer scharfen Kontrole und Herbeiführung der Bestrafung der den bestehenden Vorschriften Zuwiderhandelnden diesem Unwesen zu steuern, ist ergebnisslos geblieben.

Die Ursache dieses Misserfolges liegt in der Unzulänglichkeit der den Behörden nach der geltenden Gesetzgebung zustehenden Befugnisse und namentlich darin, dass die dreistesten Uebertretungen auch bei mehrfachen Wiederholungen nur mit einer verhältnissmässig geringen Geldstrafe oder kurzen Haftstrafe geahndet werden, erstere aber durch die Einnahmen aus den begangenen Uebertretungen bereits gedeckt ist oder doch bald durch neue Uebertretungen gedeckt werden kann und letztere erfahrungsgemäss auch noch des genügenden Nachdrucks entbehren, um abschreckend zu wirken.

Es erübrigt daher nur, die Rechtsnachtheile, welche gegenwärtig an die Uebertretung der fraglichen Bestimmungen geknüpft sind, erheblich zu verschärfen und einschneidender zu gestalten; zu diesem Behufe erscheint es am zweckmässigsten, diejenigen Personen, welche den Handel mit Drogen und chemischen Präparaten betreiben, in die Zahl solcher Gewerbetreibender aufzunehmen, welche den Bestimmungen des §. 35 der Gewerbeordnung gemäss bei Eröffnung ihres Geschäftsbetriebes der zuständigen Behörde hiervon eine besondere Anzeige zu machen haben und denen von dieser die Fortsetzung des Gewerbebetriebes untersagt werden kann.“

Cholera. Aus Deutschland ist leider der Wiederausbruch der Cholera in Hamburg zu melden. Die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle hat sich allerdings bisher in mässigen Grenzen gehalten und betrug vom 15.-18. September; 9 (5), am 19. Sept.: 6 (2), am 20. Sept.: 10 (3), am 21. Sept: 12 (2), am 22. Sept. 17 (3), am 23. Sept.: 14 (4), am 24. Sept.: 7 (9), am 25. Sept.: 8 (4), am 26. Sept.: 5 (1), am 27. Sept.: 6 (0), zusammen: 94 Erkrankungen und 33 Todesfälle. Als Ursache wird eine Verschlechterung des Leitungswassers bezeichnet, hervorgerufen durch Zufluss von unfiltrirtem Elbwasser in Folge einer unvermuthet eingetretenen Bodensenkung im alten Schöpfkanal.

Auch in Altona sind in der Zeit vom 15.-27. September 11 CholeraErkrankungen mit 5 Todesfällen vorgekommen; ausserdem in Itzehoe: 2 (−), in Kiel: 1 (-), in Berlin: 3 (1), in Emmerich: 1 (1), in Wanhein bei Duisburg: 1 (1), in Heerdt (Kreis Neuss): 1 (−), in Ruhrort: 1 (−), in Bodenwerder bei Hameln: 2 (1), in Lauterbach (Elsass): 2 (1), auf einem Oderschiffe zwischen Stettin und Schwedt: 1 (1), in Stettin selbst: 1 (1), zusammen 27 Erkrankungen und 14 Todesfälle.

Die gesundheitspolizeiliche Ueberwachungen im Stromgebiet der Elbe ist durch Einrichtung von Schiffskontrolstationen in Altona, Hamburg, Lauenburg und Hitzacker erweitert.

In Oesterreich ist eine geringere Ausbreitung der Seuche in Galizien noch nicht ersichtlich; vom 6.-12. September sind aus 26 Gemeinden 107 Erkrankungen und 77 Todesfälle, vom 13.-19. September 149 bezw. 84

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