Schmidt., Sein Vorwiß höher nicht zu Fehn, Als nur ein Paar Minuten Schaam, Und viel Verschwiegenheit auf heute! Ein Preis, der selber mich nicht reute: Das Schämen lässt ihr gar zu schön!
Doch mein Entzücken nun darüber ? Wie, dir es sagen, o mein Lieber, In Prose? ... Singen wollt' ichs dir; Doch wann es singen? Nie gerastet Hat heute meine gute Thür!
So viel Besuche hatten wir Von aller Welt, nur nicht von dir; So maulthiermäßig überlastet
Ward' ich von Dingen, klein und groß! Zwar hab' ich weidlich mich gehastet, Sie abzuwerfen auf den Schooß Der goldnen Muse; doch vergebens! Es ist verhångt! das Rad des Lebens Muß, großentheils, sich öfter drehen, Auf schlimmen Wegen, als auf schönen! So laß ichs denn nach Lüsten gehn!
Man muß an alles sich gewöhnen!" Sagt Sokrates, mit Recht, dünkt mich, Und alle wird es so bedünken! Zuleht gewöhnen muß er sich,
Zum Lohn der Tugend Gift zu trinken! Gott wahre mich und dich dafür!
Mitunter ließ sich auch bei mir Die Muse der Epistel melden, Die Muse, die an keinen Helden, Doch an getreue Freundschaft glaubt, Und Alles aus dem Herzen schreibt! Allein ich ließ ihr treues Melden. Vorfahrvisite diesmal seyn, Und knüpfte meinen Damen ein, Wenn einer frågt, ich nicht zu Hause!"
Erst jest bin ich in meiner KlauseMonarch geworden! Nun geschwind
Die Muse her! Von meinen Brüdern Dem Herrlichsten muß ich erwiedern Das schöne Briefchen! Briefe sind Der Freundschaft, was dem Amor Pfeile! Sie gehn ins Herz, und stecken fest; Und billig müsst' ein Wespennest Der Sünder tragen eine Meile, Der Briefe sonder Antwort lässt!
Wir sterben, und kein Aug' ist naß!" Freund welche Stell' in deinem Briefe! O Lieber! Lieber, was ist das? Ich fühlt es in der tiefsten Tiefe Des Herzens!...
Du Vater, du! im höhern Sinn, Bist du das långst, als ich es bin, Und werde seyn, wenn anders Wise Noch Wort der Muttergöttin hålt! Ringsum in deinen Paradiese, (Ein Paradies ist deine Welt,
Denn jene Masquen ausgenommen, Die nicht in unsre Rechnung kommen, Meint Alles dich auf deiner Welt!) Rings um, wo deines Liedes Schdne Das Herz zur Fröhlichkeit erhellt, Sind alle Töchter, alle Söhne, In deren Herzen immerhin
Du Tugend sangst und frohen Sinn, Sind alle deine lieben Kinder! Und sind die übrigen es minder, Die Wittwen und die Waisen, die Des langen Lebens bittre Müh Bersüsst, von deinen Hånden fanden ? In allen Stånden, allen Landen Hast du dergleichen Kinder noch! Auf wenig Menschenlisten standen Die Thaten deines Herzens; doch Da droben, edler Mann, wird das Weit richtiger zu Buch getragen!
Schmidt. Und dennoch darfst du traurig sagen, Wir sterben und kein Aug' ist naß!"
Naß werden aller Augen seyn,
Wirst du dereinst von hinnen gehn ;
Naß aller Herzen, welche rein Durch deine Lieder sind geworden, Und mehr, als Ritter ihrer Orden, Sich deiner hohen Lieder freun! Mit ausgelöschter Fackel stehn Wird Amor, den du hast gelehrt Auf Tugend, nicht auf Schönheit sehn! Das schönste Mädchen, wenn es hört Von seines Dichters leßten Tagen, Wird lange seinen Arm versagen Dem treuen Arm des Liebenden, In dir, o Vater, zu beklagen Den Lehrer seiner Tugenden!...
Doch lange, lange noch verspåte Der Engel, der zu Lessing dich Wird einst hinüber bringen, sich! Die junge, grüne Rasenståtte, Versteckt in deinem Gartenthal, Die du mit deinem Staub einmal Zum Hügel machen wirst ... noch lange. . . Sie bleibe dir noch lange Thal, Und dufte wenn bei Mondesstral, Zu süßem Nachtigallgesange Du deinen fingst, Entzücken aus! O Lieber! Alles was sich deiner Im Herzen freut, verbrüdert sich Zu treuen Wünschen, fodert dich Zu tausend Wettstreit noch heraus Mit tausend Nachtigallen; keiner Von allen, liebender, als ich!
Du weisst, mein kleines Dichterhaus Das immer, fern von großen Sachen, Zufriedenheit und Scherz bewachen, Mocht' ich so gern zum Tempel machen,
Worinn die Wahrheit wird gepreist;
Und hat mein Enkel irgend Geist Ein Bild der Wahrheit aufzufassen, Noch meinen Enkel danken lassen Möcht ich dem lieben Heftigen,
Der herzlich schnell, nicht aus Grimassen, Mein Vater ward, den Grazien Mich opfern hieß und der Natur, Und zeitig schon den großen Schwur Mich ließ beschwören: stehn zu lassen Von hundert Versen zwanzig nur!
Von hundert Versen zwanzig? Ha! Damit ich meinen Schwur nicht breche, hier: Soli Deo Gloria! *) Klein, aber reissend sind die Bäche, Woraus, von Fürsten ungedingt, Die kleine Briefesmuse trinkt! Sie treten oft ein wenig über; Und gehts vom Herzen, o mein Lieber, So springt das Wort Gedanken vor! So eben raunt mir was ins Ohr: Ich hätte schon den Schwur gebrochen! Drum, lieber Vater, gute Nacht! Laß unter uns es seyn gesprochen, Was andern große Nasen macht!
*) Oder was eben so viel sagt: „Hier Ende!“ denn mit Soli Deo Gloria, pflegten, in den åltern Zeiten, einige Schriftsteller ihre Werke zu beschließen.
Auch diesem Dichter, Johann Georg Jakobi, geb. 1740, jest Professor der sch. W. zu Freiburg in Breisgau, verdankt es unsre Poesie, daß sie der an schönen Stücken dieser Gattung vorzüglich reichen französischen nicht mehr so weit, wie ehedem, nachstehen darf. Seinen Episteln ist eben so sehr, wie seinen lyrischen Gedichten, überaus viel Feins heit, Gefälligkeit und Wohlklang eigen, felbst dann, wenn fie durch den Inhalt minder anzichend, und bloße Spiele heitrer Laune sind.
Nachläßig, im vertrauten Ton, Ein kleines Liedchen Dir zu fingen, Befahl mir Gleim Anakreon; Dir, den, mit abgelegten Schwingen, Das Chor der Liebesgötter hört, Und flatterhaft zu seyn verschwört, Wenn Deine Leier Tugend lehrt; Den åchte Weise gern umringen, Wenn du bei vollen Bechern wachst, Und eine Nymphe zärtlich machst, Und mit dem freien Satyr lachst. Umsonst! es sieht auf meine Lieder Hier keine Muse günstig nieder, Hier, wo, mit abgemeßnem Gang, Ein finsterer gelehrter Zwang In trauernde Gemächer schleichet, Und jede Grazie verscheuchet; Wo keine Schöne zärtlich ist, Kein aufgeblühter Busen winket, Wo man bei kaltem Scherze trinket, Und ohne Liebe frostig küsst.
Selbst Orpheus hätte nie gesungen, Hått' er nur todten Fels gezwungen
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