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DES

ALBERTUS MAGNUS

VERHÄLTNISS ZU DER ERKENNTNISSLEHRE

DER

GRIECHEN, LATEINER, ARABER UND JUDEN.

EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE DER NOETIK.

FESTSCHRIFT

VERFASST

IM AUFTRAGE DES COMITÉ'S ZU DER SECHSTEN SÄCULARFEIER UND ZUR

ENTHÜLLUNG DES ALBERTUS-DENKMALS IN DESSEN VATERSTADT LAUINGEN

VON

DR. JOSEF BACH

O, Ö. PROFESSOR DER PHILOSOPHIE UND PÄDAGOGIK AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.

WIEN 1881.

WILHELM BRAUMÜLLER

K. K, HOF- UND UNIVERSITÄTSBUCHHÄNDLER.

170465

JAN 21.913
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Einleitung.

Lord Bacon gilt einem grossen Theile der wissenschaftlich Gebildeten als der Träger der modernen Wissenschaft. Er hat die Wissenschaft auf die Erfahrung hingewiesen, entweder ohne zu sagen, was Erfahrung ist, oder Erfahrung mit einem rein physikalischen Process von Sinnesempfindungen verwechselnd. Als vorzüglichster und hervorragendster Gegner der aristotelischen Philosophie hat er, obwohl nur einem Patrizio und Petrus Ramus folgend, Vorurtheile gegen die aristotelische Noetik in Curs gebracht, welche ebenso grundlos sind als seine Ansicht, dass das Studium des Stagyriten nicht nur Zeitverlust, sondern Vermehrung der Unwissenheit sei. Die Vieldeutigkeit des Begriffs der Erfahrung, welchen moderne Philosophen hegen, wird als Entschuldigung für den Vorwurf gegen die Peripatetik gelten müssen, dass dieselbe die Erfahrung ausschliesse.

Dagegen bricht sich die Ueberzeugung Macaulay's gleichwohl die Bahn, dass Aristoteles auf dem Gebiete der Noetik mit gigantischer Geisteskraft Licht in das Chaos der Wissenschaften gebracht, und dass ein Abfall von seiner Bahn stets in ein neues intellectuelles Chaos führe, wenigstens auf dem Boden der Begriffswissenschaft. Ob wir hier schon am Ende sind, und eine Umkehr an's Licht als philosophisches Bedürfniss erscheint, mag dahingestellt sein.

*

Albertus Magnus (1193-1280) hat sich in gleicher Weise an dem Genius des Stagyriten zu orientiren versucht, und zu diesem Zwecke sich einer Geiste sarbeit unterzogen, welcher kaum ein Zweiter nach ihm gewachsen gewesen wäre.

Dass es ihm lediglich um den genuinen Aristoteles zu thun war, den Zeugen der natürlichen Wahrheit, spricht er unzähligemal aus.

Die Meinung, dass dies ihm in allen Punkten gelungen sei, hat er selber niemals gehabt, so wenig als den Glauben, dass der Stagyrite alle Räthsel für alle Zeiten gelöst habe.

Seine eigene wissenschaftliche Ueberzeugung ist nicht so leicht darzustellen. Doch dürfte eine Darstellung derjenigen hervorragenden Parteibestrebungen, welche sich an die aristotelische Philosophie unter den Griechen, Arabern, Juden und Lateinern anschlossen, einiges Licht auf die Art und Weise der eigenen Anschauung Albert's des Grossen werfen.

Eine Geschichte der Noetik nach Aristoteles wird davon vielleicht um so eher Notiz nehmen müssen, als Albert mit denjenigen Theorien in Fühlung tritt, sie kritisch betrachtet, welche unter neuen Namen in neuer Gestalt vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart als die hervorragenden philosophischen Systeme hervorgetreten sind.

Wir finden in dem Gefolge der Peripatetiker der alten und mittleren Zeit „Vorläufer" von Hume, Berkeley, Kant ebenso wie von Cartesius, Leibnitz, Fichte. Die Gedankenbahnen eines Spinoza sind vor Albert ebenso schon begangen und durchleuchtet worden, wie von modernen Philosophen.

Mit all diesen Richtungen tritt Albertus Magnus in Fühlung. Von diesem Standpunkte aus hat eine Darstellung seines Verhältnisses zu den Hauptrepräsentanten der Peripatetik bei den Griechen, Arabern, Juden und Lateinern ein unmittelbares

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Interesse für die Gegenwart, wenigstens für Jene, welche so viel wissenschaftliche Unbefangenheit in sich tragen, dass bereits das Wort „Scholastik" ihnen nicht mit Reaction gleichbedeutend ist.

Dass vom Standpunkte der Kritik manche Fragen mehr angeregt als gelöst sind, ist mir eben so wenig fremd, wie dem strengsten Kritiker. Selbst die Arbeit eines Menschenalters würde dazu kaum hinreichen. Wir sind hier erst am Anfange. Wie Albert der Grosse ehedem einen Wendepunkt der Peripatetik im grossen Styl repräsentirt, so wird eine ernstere Beschäftigung mit ihm Jedem nicht blos ein rein historisches Interesse erwecken, sondern ihm neben manch' Veraltetem in den wichtigsten erkenntniss-theoretischen Fragen Anknüpfungspunkte zur richtigen Beurtheilung der Gegenwart bieten. Die gerechte Würdigung der Fortschritte auf dem Boden der gegenwärtigen Wissenschaft scheint uns eine Anerkennung des Wahren und Grossen der Vergangenheit nicht auszuschliessen. Historische Gerechtigkeit und wissenschaftliche Kritik sind nicht conträre Gegensätze.

Während diese Wahrheit als Thatsache auf dem Gebiete der Kunst bereits sich Bahn gebrochen hat, stehen wir auf dem Boden der Wissenschaft, namentlich der des lateinisch-christlichen Mittelalters, noch in einem Stadium der Geschmacksrichtung, welche dem der Zeit Winkelmann's und Goethe's in der Aesthetik analog ist. Ein künstlich affectirter und tendenziöser Autochthonismus, der so lange als philosophische Selbstständigkeit galt, hat sich bereits als literärischer Idiotismus selbst gerichtet. Erfahrung und Geschichte sind die beiden Augen der Wissenschaft. Der künstliche Versuch, ohne das eine oder das andere, oder ohne beide Augen sehen zu wollen, ist kein normaler. München, im Mai 1881.

Der Verfasser.

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