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I.

Ueber die Chronica principum Brunsvicensium und die Cronica ducum de Brunsvick.

Es ist sehr bedauerlich, dass die Handschrift der Trierer Stadtbibliothek n. 1999 (129) erst vor Kurzem bekannt geworden ist, denn ihr Inhalt ist merkwürdig in vieler Beziehung. Wäre sie früher bekannt gewesen, so hätte eine Reihe von Quellenpublicationen in den Monumenten von ihr grossen Nutzen gezogen, schwierige Fragen, zu deren Lösung viel Scharfsinn aufgeboten wurde, erledigen sich durch ihren Inhalt von selbst. Ich habe die Hs. hier in Berlin durch die Güte der Trierer Bibliotheksverwaltung längere Zeit benutzen können und ihren mannigfaltigen Inhalt theils abgeschrieben, theils sonst ausgenutzt.

Sie ist eine Pergamenthandschrift in klein Quart zu Anfang des 14. Jahrhunderts ganz von einer Hand auf Langzeilen geschrieben. Sie gehörte früher dem Jesuitencolleg in Trier, wie eine Notiz des 17. bis 18. Jahrhunderts auf f. 1 besagt, keine Angabe aber belehrt uns darüber, woher sie stammt. Sie bestand ursprünglich aus 11 Quaternionen, die lange Zeit ungebunden geblieben sein müssen, denn ihre Vorder- und Rückseiten sind stark abgerieben. Als diese dann zusammengebunden wurden, ohne Zweifel in den Einband, in dem sich der Codex noch befindet, war der erste Quaternio, aber auch nicht mehr als dieser verloren, wie sich ergiebt, da der jetzige erste Quaternio auf f. 8' mit der Nummer II. bezeichnet ist.

Dass gerade diese Lage der Hs. verloren ist, ist ein schwerer, höchst bedauerlicher Verlust, denn sie, die zweite und dritte Blätterlage bis f. 10', enthielten die verloren geglaubte Braunschweiger Fürstenchronik, welche der Braun

1) Den Leser, welchem das hier besprochene Quellenmaterial noch nicht vollständig bekannt ist, bitte ich, folgende vier Quellen und deren Bezeichnungen zu merken und auseinander zu halten:

Chronica principum Brunsvicensium
chronik ;

Cronica ducum de Brunsvick;

Chronica principum Saxoniae

Braunschweiger Fürsten

= Sächsische Fürstenchronik;

Cronica Saxonum (deren Fragmente bei Heinrich von Herford).

Neues Archiv etc. XVII.

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schweiger Reimchronist wiederholt citiert und noch öfter benutzt hat. Es ist uns aber wenigstens durch f. 1-10 der Trierer Hs. die grössere und werthvollere Hälfte erhalten geblieben, die ich für SS. XXIX. bearbeitet habe.

L. Weiland hat über die verloren geglaubte 'scrift der vursten van Bruneswich', wie sie der Reimchronist nennt, eingehend gehandelt, mit grossem Scharfsinn den Inhalt und Umfang derselben in allen Hauptpunkten richtig erschlossen. Seine namentlich aus der Vergleichung der Cronica ducum de Brunsvick mit der Reimchronik gewonnenen Resultate über die Fürstenchronik werden durch das wiedergefundene Werk selbst auf das glänzendste bestätigt gegen K. Kohlmann', der die Cronica Saxonum, von der Fragmente bei Heinrich von Herford erhalten sind, für identisch mit der Braunschweiger Fürstenchronik des Reimchronisten hielt. Dass der grössere Theil derselben nun in der That in der Trierer Hs. vorliegt, ergiebt sich mit absoluter Sicherheit daraus, dass alle Stellen, welche Weiland in der Braunschweiger Reimchronik auf die Fürstenchronik zurückführte, von Cap. 19, v. 1733, d. h. von da an, wo die Schrift in der Trierer Hs. erhalten ist, sich in ihr finden, grossentheils mit wörtlicher Uebereinstimmung, soweit es zwischen einer lateinischen nüchternen Chronik und deutschen Versen möglich ist, und soweit der Reimchronist nicht nach seiner und anderer Versificanten Weise die Erzählung ausgemalt, namentlich, wie er es liebt, durch Einführung des Dialogs belebt hat, wie es z. B. geschehen ist in der langen Episode v. 7229-7368 über die Befreiung Kaiser Ottos IV. aus dem Fegefeuer durch das Gebet der Nonnen von S. Burchard bei Halberstadt, welche Partie, wie Weiland richtig vermuthete, ganz aus der Fürstenchronik entnommen ist.

Dagegen stellt sich das Verhältnis der Cronica ducum de Brunsvick, welche Weiland als Anhang der Braunschweiger Chronik herausgab3, zur Fürstenchronik doch noch anders, als er es angenommen hatte. Nicht durch Vermittelung einer anderen Quelle hat die Cronica ducum ihre Nachrichten aus der Fürstenchronik entnommen, sondern sie ist direct aus der Fürsten

1) Vgl. L. Weiland in Deutsche Chron. II, 439 ff. 575, 2) Die Braunschweiger Reimchronik auf ihre Quellen geprüft. Diss. Kiel 1876, S. 15 ff. Kohlmann schliesst sich an Waitz, Ueber eine sächsische Kaiserchronik und ihre Ableitungen (Göttingen 1863), S. 41 ff., an. Aber Waitz hält doch immer daran fest, dass der Cron. ducum und den Fragmenten der Cron. Saxonum bei Heinrich von Herford eine gemeinsame Quelle vorliegt, und trifft damit das richtige, wenn er auch diese gemeinsame Quelle Cronica Saxonum nennt, während Kohlmann ohne Weiteres der Quelle obtrudiert, was er bei Heinrich von Herford als Cron. Saxonum citiert findet. 3) Deutsche Chron. II, 574 ff.

chronik abgeleitet. Das Trierer Fragment der Fürstenchronik beginnt mitten in der Erzählung des Kampfes der Sachsen und Thüringer, die fast wörtlich so im 6. Kapitel der Cron. ducum steht. Von da an ist weitaus das meiste, was diese bringt, bis Kap. 16 einschliesslich und noch einige Theile von Kap. 17 aus der Fürstenchronik beinahe ganz wörtlich, nur mit sehr starken Kürzungen abgeschrieben, nur wenige und unbedeutende Zusätze sind gemacht'.

Die Fürstenchronik, welche die Geschichte der Welfen von Otto dem Kinde an nur noch mit wenigen Worten behandelt, ist verfasst zwischen 1269 und 1277, denn so schliesst der Verfasser seine Erzählung: Nach dem Tode Ottos des Kindes (1252) und seiner Gemahlin Mechthild († 1261) 'successerunt filii et heredes domnus Albertus dux in Bruneswich, domnus Iohannes dux in Luneborch, domnus episcopus Hildensemensis Otto, domnus Conradus episcopus Verdensis, qui adhuc potentes et magni habentur in mundo, quos Dei potencia beatos et felices efficiat in futuro!' Am frühesten von den Brüdern starb Johann im J. 1277, Dec. 13, Otto wurde aber erst im Jahre 1269 Bischof von Verden. Damit ist die Abfassungszeit der Chronik, die sich genauer nicht bestimmen lässt, abgegrenzt.

In dem Trierer Codex folgen nun merkwürdiger Weise hinter dem recapitulierenden Schlusskapitel der Fürstenchronik, von dieser durch kein unterscheidendes Merkmal getrennt, also als Theil derselben, zwei Kapitel, welche die Genealogie der Welfen bis zum Jahre 1292 hinabführen. Diese Schlusspartie stimmt nun ganz wörtlich mit dem 18. bis 20. Kapitel, das heisst dem Schluss, der Cron. ducum überein 3. Da wir

1) Solche sind: in Kap. 9 Jahr und Tag der Schlacht zwischen Sachsen und Thüringern, das ganze Kap. 14 über die englischen Könige, welches Weiland S. 575 schon mit Recht für einen Zusatz des Verfassers der Cron. ducum hielt; in Kap. 15 die Notiz über die Schlacht von Bouvines; in Kap. 16 der falsche Name (scil. Herinck) der Gemahlin des Pfalzgrafen Heinrich und die fabelhafte Erklärung, wie das angebliche Erbrecht der Suavey entstanden sei. Dann aber, und hierauf müssen wir später zurückkommen, sind mehrfach die Todesjahre und -Tage der erwähnten Personen, zum Theil falsch, eingesetzt, so Kap. 11 die Heinrichs des Stolzen, Kap. 15 die von Ottos IV. Gemahlin Beatrix und des Kaisers selbst, Kap. 16 die des Pfalzgrafen Heinrich. Bei den beiden letzteren hat der Verf. der Cron. ducum noch hinzugefügt, dass sie im St. Blasienstift zu Braunschweig begraben seien. 2) Es folgt darauf nur noch ein kurzes genealogisches Kapitel, welches die Abstammung der Welfen und salischen Könige von Gisla, der Stammmutter beider Familien, recapituliert. 3) Nur ein einziger Zusatz findet sich zu Kap. 19 der Cron. ducum, nämlich hinter 'manciparunt' folgt: 'Wilhelmus tercius' (der Söhne Albrechts I. des Grossen von Braunschweig) 'obiit MCCXIII'. Das Jahr ist natürlich unmöglich. Wilhelm starb MCCXCII,

sahen, dass die Fürstenchronik vor 1277 geschrieben ist, sind diese Kapitel also eine Fortsetzung, welche ihr später angehängt ist, und es ergiebt sich mit Sicherheit, dass sie aus der Cron. ducum hierher übernommen ist. Denn Cron. ducum c. 18 beginnt: 'Otto' (das Kind von Braunschweig) 'genuit Albertum et Iohannem'. Nachdem über diese gehandelt ist, werden danach die übrigen Kinder Ottos des Kindes aufgezählt: 'Item Otto senior ex Mechtilde genuit Conradum episcopum Verdensem, Ottonem episcopum Hildensemensem, Mechtildem' u. s. w. Und das letztere von 'Item' an steht ebenso in der Trierer Hs., vorher fehlen aber die Worte 'Otto genuit Alb. et Ioh.', also die Angabe über die zwei ältesten Söhne Ottos, die doch in der Fassung, wie die Cron. ducum diese Genealogie giebt, unentbehrlich ist. Derjenige, welcher die Fortsetzung an die Fürstenchronik anfügte, liess sie fort, weil in dem oben (S. 163) angeführten Satz der Fürstenchronik diese schon genannt waren. Dort waren aber auch schon die Söhne Conrad und Otto, die beiden Bischöfe, genannt. Wenn also der Fortsetzer in dem Text der Cron. ducum bleibend diese hier nennt, die beiden ältesten Söhne fortlässt, so erhellt mit absoluter Gewissheit, dass er die Fortsetzung eben der Cron. ducum entnahm.

Aber auch in der Cron. ducum ist das 18. Kapitel nicht original, sondern es ist grösstentheils aus der Chronica principum Saxoniae ausgeschrieben. Auf die Uebereinstimmung der beiden hier war längst hingewiesen; aber weder Weiland noch ich haben es ausgesprochen, was sich doch mit Nothwendigkeit ergiebt, dass hier die Chron. princ. Sax. direct benutzt ist. In den mit dieser übereinstimmenden Sätzen

und es liegt wahrscheinlich nur Verschreibung von I für C vor. (Freilich macht es ein wenig bedenklich, dass wirklich ein Wilhelm von Braunschweig, der Sohn Heinrichs des Löwen nämlich, 1213 starb, wie in der Cron. ducum c. 15 gesagt ist.) Und in dem folgenden Satz steht ebenfalls eine fehlerhafte Jahreszahl, nämlich: 'Mechtildis' (Tochter Albrechts des Grossen) 'nupsit duci Glogovie MCCXXI. in mense Marcio'. Die Cron. ducum hat statt 1221 ebenso verkehrt 1211. Das Jahr dieser Heirath ist unbekannt, es dürfte hiernach doch aber wohl MCCXCI zu lesen sein, so dass in der einen Hs. C in X (wie öfter in dieser), in der andern C in I verschrieben war. Vergl. die Noten zu Tafel 85 bei Cohn, Stammtafeln, der vermuthete, es sei in der Cron. ducum 1292 zu lesen. Nur durch Versehen vermuthete wohl Weiland a. a. O. S. 587, N. 4, es sei 1312 einzusetzen. Um diese Zeit ist wahrscheinlich schon Heinrich IV, Heinrichs III. von Glogau Sohn von der Mathilde, vermählt gewesen. 1) Das Kapitel beginnt mit den in der Cron. ducum unmittelbar hierauf folgenden Worten: 'Albertus MCCLXIII. V. Kal. Nov.' 2) Ich vermuthete SS. XXV, 475, N. 7 ganz irrig, dass die Uebereinstimmung hier durch beiderseitige Benutzung der Chron. princ. Brunsvic. vermittelt sei, was jetzt durch den Text derselben sich als unmöglich erweist.

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