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Anhang zur Seite 141 der Abhandlung von Herrn C. Hofmann

,,Ueber die Runeninschriften.".

Aus den oben geführten Untersuchungen stellen wir nun folgende allgemeine Sätze der Runenlehre zusammen. I. Es giebt zwei Runenalphabete, ein kürzeres nördliches und ein längeres südliches.

Das nördliche hatte ursprünglich 15 Zeichen, und wenn wir annehmen, dass das Final R sich erst später vom gewöhnlichen R geschieden hat, nur 14. Wir sind zu dieser Annahme durch die Wahrnehmung berechtigt, dass beide R in den ältesten Inschriften noch zuweilen verwechselt werden (so auf der Gorminschrift im Namen Haraltr).

In seiner Weiterentwicklung hat das nördliche Alphabet einen ganz anderen Weg eingeschlagen, als das südliche. Jenes hat die ursprünglichen Zeichen beibehalten und nur weiter differenzirt, hauptsächlich durch Zufügung von diakritischen Punkten (punctirte Runen), dieses dagegen, das südliche hat sich vermehrt durch Aufnahme neuer Buchstaben. Es hatte ursprünglich 21, dann 24, zuletzt 28 und mehr Zeichen. Der ersten Entwicklungsstufe gehören an die meisten alten Runensteine und Bracteaten, der zweiten die Alphabete von Charnay, Vadstena und Hrabanus Maurus, der dritten die angelsächsische Schrift, am besten repräsentirt durch die Alphabete des Runenlieds, des Themsemessers (neuer Fund, von Stephens veröffentlicht S. 362) und durch die Inschrift des Ruthwellkreuzes. Die Zeichen, welche das südliche Alphabet in seiner ersten Gestalt mehr hat, als das nordische, sind Zeichen des allgemeinen phönicisch-europäischen Alphabets, diejenigen dagegen, durch

welche es sich später erweiterte, sind willkürliche und neuerfundene.

II. Das nordische Alphabet tritt historisch viel später auf und bleibt viel länger im praktischen Gebrauche, als das südliche., Während dieses im 8. Jahrhundert schon seine letzte Entwicklungsstufe erreicht hatte, später nur noch als gelehrte Spielerei gebraucht wurde, und seine wirkliche praktische Anwendung in den vorausgehenden Jahrhunderten, vom 8. aufwärts gefunden hatte, erscheint das nördliche etwa seit dem 9. Jahrhunderte (die ältesten nördlichen Inschriften sollen ihm angehören), ist aber noch im 15. Jahrhunderte in voller Anwendung. So erscheinen z. B. zwei Inschriften auf der Insel Gottland mit dem Datum 1449 (Liliegren Nr. 1763 und Nr. 1764), von denen die eine auf ein bekanntes historisches Ereigniss hinweist und sogar schon die Kanonen kennt. Sie lautet:

Diesen Stein hier liess Frau Ruthwi machen ihrem Ehmanne Jakob in Managardum, welcher todt geschossen wurde mit einem Büchsenstein aus Visburh (bei Wisby auf Gottland) als König Erik belagert ward in dem vorgenannten Schloss (von König Karl Knutsson). Und da waren vergangen nach Gottes Geburt 1400 Jahre und ein Jahr weniger als 50. Bitten wir, dass Gott seiner Seele gnädig sei und allen Christenseelen. Amen. Nr. 1912 ist sogar vom Jahre 1468, gleichfalls auf Gottland.

Dem entsprechend ist die Anzahl der nördlichen Runeninschriften eine ungeheure, wohl an 3000 (die weitaus meisten in Schweden), die der südlichen verhältnissmässig sehr gering.

III. Die nördliche Schrift gehört den eigentlichen Nordgermanen an, Schweden und Norwegern. Die Dänen nehmen an ihr Theil, wie es scheint, nach dem Verhältnisse, in welchem nordische und gautische Elemente im dänischen Stamme sich mischen. Bei den Dänen sind demnach Runen

schriften beider Gattungen zu erwarten, die älteren im südlichen, die jüngeren im nördlichen Alphabet.

Das längere Runenalphabet gehört den gautischen oder mittelgermanischen Völkern, wie Munch (I. 87) sie passend nennt, und den südgermanischen an. Auf den Blekinger Inschriften erscheint die älteste nordgermanische (oder, wenn wir Munchs Bezeichnung gebrauchen, mittelgermanische) Sprache mit dem südlichen Alphabet, aber unter Einfluss des nördlichen, geschrieben, wie H (= H und G) und das Final R zeigt. Es ist ferner anzunehmen, dass die gautische Sprache ein Mittelglied zwischen Nordund Südgermanischem war, in der Art, dass das Ostgautische jenem, das Westgautische diesem näher stund.

Die Verbreitungszone der gautischen Runenschrift wird wahrscheinlch mit der Verbreitungszone der älteren Eisenzeit, welche den Gauten angehört, zusammenfallen. Vergleicht man die geographische Zusammenstellung dieser Periode, wie sie Hildebrand a. a. O. S. 74 ff. gegeben hat, mit den Fundorten der älteren Runenschriften (bei Stephens), so zeigen sich gautische Runen in der Mehrzahl der Gegenden, wo gautische Alterthümer vorkommen, nämlich in Schonen, Bleking, Ostgothland, Insel Gottland, Södermanland, Uppland, Vermland, Bohuslän. Diese Zahl wird sich wohl noch vermehren lassen.

Der Gebrauch des längeren Alphabets muss natürlich mit der Unterwerfung der gautischen Gegenden durch die Schweden aufgehört haben. Die Masse der späteren Inschriften in den gautischen Gegenden zeigt überall das nördliche Alphabet. In den südgermanischen Ländern verschwand das Runenalphabet eben so nothwendig mit der Einführung des Christenthums und der lateinischen (bei den Gothen der griechischen) Schrift, und so ist es denn ganz erklärlich, dass das südliche Alphabet historisch da aufhört oder schon aufgehört hat, wo das nördliche erst anfängt. Von

höchstem Interesse ist in dieser Beziehung der Stein von Rök in Ostgothland, den Stephens S. 228 zum erstenmal • vollständig mittheilt. Er enthält die längste bis jetzt bekannte Runenschrift, ungefähr 760 Buchstaben. Hier stehen nun beide Schriftgattungen nebeneinander, die Hauptmasse in nördlichen, drei abgesonderte Zeilen in südlichen Runen. Man sieht da klar vor Augen, wie die gautische Schrift vor der schwedischen verschwindet, diese nimmt 26 Zeilen ein, jene drei. Leider ist das hochwichtige Denkmal noch nicht mit Sicherheit entziffert.

Beim Schlusse dieser Arbeit erhielt ich die letzte Lieferung von Dr. Lindenschmit's Alterthümern, wo die Nordendorfer Runen mit Dietrichs Lesung und Erklärung mitgetheilt sind. Lindenschmits jetzige Abbildung unterscheidet sich von seiner früheren (die ich durch gütige Vermittlung des Hrn. Collega Prof. Christ erhielt) in einem einzigen, aber entscheidend wichtigen Runenzeichen, weshalb ich auf der Schrifttafel unter B diese Stelle mittheile. Eine Photographie, die ich durch Vermittlung unseres Hrn. Classensecretärs von Hrn. Archivar Dr. Herberger erhielt, ist leider nicht so deutlich, dass sie das Original ersetzen könnte, dessen Sendung nach München der Akademie abgeschlagen wurde. Dietrich liest: lona thiore Vodan vinuth lonath. athal oder abal Leubvinis mit theurem Lohne lohnet Vodan Freundschaft. Besitz? oder etwa Arbeit des Leubvini. Man sieht aus der Vergleichung, dass der zweite Buchstabe des Eigennamens kein N, sondern ein TH mit einem kleinen schiefen Striche oben rechts ist, gerade so,, wie der fünfte Buchstab in der ersten Zeile der anderen Schrift. Ich sehe diess auf meiner Photographie ebenfalls ganz deutlich. Das Wort heisst also ATHALEUB (nicht ANALEUB), und der kleine Strich oben wahrscheinlich das diakritische Zeichen, welches die sonst fast identischen Runen Th und Vscheidet. Ein ähnliches (<) fand sich über V auf der Inschrift des goldnen Hornes (vgl. Ann. f. N. O. 1855 S. 369). So wenig diess ein wirkliches k (obwohl das Zeichen des k) ist, so wenig kann das schiefe Strichlein über Th ein I sein. Wenn es aber ein I sein soll, dann muss es das in beiden Fällen sein. Dietrich aber liest einmal thiore, das anderemal atha(1) oder aba(1). Er liest ferner beide G in loga und vigu, als N, wiewohl ihre beiden Striche zur Grundlinie in einem schiefen Winkel stehen und bis an die obere Schrift

linie reichen, (was eben das Wesen des G ist), während das N unter einem rechten Winkel auf der Grundlinie steht und der kleine Queerstrich die obere Linie nicht erreicht. Er nimmt ferner an, dass der Schreiber das 1 in athal ausgelassen und nicht ergänzt, in lonath ausgelassen und ergänzt habe. Nach vini liest er ein S von folgender Form, während er in seiner Abhandlung über die Bracteaten (Zeitschrift XIII, 104) erklärt, dass es nicht vorkommt. Auf dem Bracteaten von Vadstena steht nicht sondern 4 (vgl. Stephens S. 99). Endlich ist das 1 links über dem o in thonar zwar sehr deutlich, aber ich bemerke in der Photographie, dass es durch einen geraden horizontalen Strich von o getrennt ist, also nicht dazu gehört, wenn dieser Strich nicht zufällig ist, was sich ohne Autopsie nicht entscheiden lässt. Ich halte das 1 für den Anfang eines anderen Buchstabs, den der Schreiber nicht weiter ausführte. Nimmt man z. B. die Länge des Wortes Athaleubvini mit dem Zirkel, setzt ihn dann bei diesem 1 an, so zeigt sich, dass dieser Theil der Inschrift, wenn 1 der Anfang des a war, ganz genau in der Mitte der Spange zu stehen gekommen wäre. Das Zeichen zwischen den beiden Theilen der Inschrift halte ich für ein Trennungszeichen. Somit muss ich Dietrichs Lesung widersprechen, und natürlich auch seiner Deutung. Thiore, was er mit theuer übersetzt, heisst dürr und kömmt in der Essener Heberolle vor, thiores holtes (dürres Holzes), und wenn auch Schmeller in seinem Glossar zum Heliand vorsichtigst, wie er pflegte, aridi sicci mit einem ? versieht und diur in Klammern setzt, so ist das ein ganz analoger Fall wie mit muillen (müllen) im Georgsleich, vgl. Haupt z. V. 38, Müllenh. Scherer DM. S. 303, d. h. i kann in thiori den Umlaut andeuten. Und warum sollte der Runenschreiber den Vocal in hier mit io, in Athaleub mit eu wiedergeben, warum fälschlich th setzen, während er das richtige d hat und in Vodan braucht?

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