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Von fetten Körpern habe ich bis jetzt nur die Oelsäure untersucht, welche bekanntlich ziemlich rasch Sauerstoff aus der Luft aufnimmt und desshalb vermuthen liess, dass auch diese Materie bei Anwesenheit von Wasser und gewöhnlichem Sauerstoff Erzeugung von HO, verursachen werde, welche in der That stattfindet, obwohl sie etwas langsam erfolgt. Nachdem 50 Gramme Wassers mit eben so viel Oelsäure in einer litergrossen Flasche unter häufigem Schütteln einige Wochen lang der Einwirkung beleuchteter Luft ausgesetzt gewesen, vermochten dieselben unter den oft erwähnten Umständen den Aether wenn auch nicht tief doch noch deutlichst zu bläuen und daher auch die übrigen HO2-Reactionen augenfälligst hervorzubringen z. B. wenn erst mit einigen Tropfen Bleiessigs versetzt, den Jodkaliumkleister bei Zusatz von Essigsäure auf das Tiefste zu bläuen (eines der empfindlichsten Mittel die Anwesenheit von HO, zu erkennen), mit einigen Tropfen Hypochloritlösung vermischt, eine sichtliche Gasentwickelung zu verursachen u. s. w.

Ich darf die Beschreibung der Ergebnisse meiner Versuche nicht schliessen, ohne noch der allgemeinen Thatsache Erwähnung zu thun, dass das HO,-haltige Wasser, welches bei der langsamen Oxidation der oben erwähnten so verschiedenartigen Materien erhalten wurde, ohne irgend eine Ausnahme das Lakmus papier mehr oder weniger stark röthete, woraus erhellt, dass dabei die Bildung des Wasserstoffsuperoxides mit der Erzeugung von Säuren immer zusammenfällt und somit auch in dieser Hinsicht die langsame Verbrennung des Phosphors als Vorbild der langsamen Oxidation aller organischen Substanzen betrachtet werden darf.

Bei der theoretischen Wichtigkeit des Gegenstandes kann ich nicht umhin, an die im Voranstehenden beschriebenen Thatsachen noch einige allgemeine Betrachtungen zu knüpfen über die bei gewöhnlicher Temperatur durch den

atmosphärischen Sauerstoff bewerkstelligten Oxidationen, welche man wohl als die umfangreichsten und wichtigsten aller chemischen Vorgänge bezeichnen darf, insofern auf denselben tiefgreifende und für den Haushalt der Erde bedeutungsvollste Erscheinungen beruhen, wie z. B. die Respiration der Thiere, die Verwesung organischer Materien wie auch mannigfaltigste Veränderungen unorganischer Stoffe.

Da die Natur zur Erreichung ihrer vielartigen Zwecke immer der einfachsten Mittel sich bedient und Tausende scheinbar von einander gänzlich verschiedener Wirkungen nach einem Gesetze hervorbringt, so lässt sich auch zum Voraus vermuthen, dass die unter den gewöhnlichen Temperaturverhältnissen in der atmosphärischen Luft Platz greifenden Oxidationen auf die gleiche Weise zu Stande kommen, ob dieselben auf unorganische oder organische Materien sich beziehen.

Wenn es, scheinbar wenigstens, auch Ausnahmsfälle giebt, so darf erfahrungsgemäss es doch als allgemeine Regel gelten, dass der reine oder atmosphärische Sauerstoff für sich allein und ohne die gleichzeitige Mitwirkung des Wassers, wozu in manchen Fällen auch noch diejenige des Lichtes kommt, weder einfache noch zusammengesetzte Stoffe bei gewöhnlicher Temperatur zu oxidiren vermag.

Es sind jedoch im Laufe der letzten dreissig Jahre eine Reihe von Thatsachen von mir ermittelt worden, welche nach meinem Dafürhalten keinen Zweifel mehr darüber walten lassen, dass unter dem Einflusse gewisser physikalischer und chemischer Agentien der gewöhnliche Sauerstoff so verändert werden kann, dass er schon bei gewöhnlicher Temperatur die Oxidation vieler Materien in raschester Weise zu bewerkstelligen vermag, gegen welche derselbe in natürlichen Zustande unter sonst gleichen Umständen völlig gleichgültig sich verhält, wie uns hievon die Oxidation des Silbers ein sehr schlagendes Beispiel liefert. Und aus der

weitern Thatsache, dass eine Anzahl O-haltiger Körper oxidirende Wirkungen hervorbringen gleich denen, welche der durch irgend ein Agens thätig gemachte freie Sauerstoff verursacht, glaubte ich schliessen zu dürfen, dass in den besagten Körpern dieses Element trotz seiner chemischen Gebundenheit noch im thätigen Zustande sich befinde.

Da meine Versuche des Fernern gezeigt erstens, dass der freie thätige Sauerstoff (das Ozon) auf gewisse andere Sauerstoffverbindungen desoxidirend ein wirke wie z. B. auf das Wasserstoffsuperoxid, welches unter Verschwinden des Ozons und Auftreten gewöhnlichen Sauerstoffes zu Wasser reducirt wird und zweitens, dass auch die beiden bezeichneten Oxidgruppen gegenseitig sich desoxidiren ebenfalls unter Entbindung gewöhnlichen Sauerstoffgases, genau zur Hälfte aus der einen Oxidart, zur Hälfte aus der andern stammend, so schienen mir diese und noch einige andere hieher gehörigen Thatsachen zu der Folgerung zu berechtigen, dass es ausser dem gewöhnlichen Sauerstoff noch zwei weitere einander entgegengesetzt thätige Modificationen dieses Grundstoffes gebe, welche ich Ozon und Antozon und deren Verbindungen mit andern Materien ,,Ozonide" und ,,Antozonide" genannt habe.

Nicht sehr lange nach Entdeckung der Thatsache, dass bei der Electrolyse des Wassers an der positiven Electrode neben gewöhnlichem Sauerstoff auch Ozon auftrete und freies O durch Electrisiren ozonisirt werde, fand ich, dass bei der langsamen Verbrennung des Phosphors merkliche Mengen thätigen Sauerstoffes zum Vorschein kommen, welche Thatsache anfänglich nicht nur stark bezweifelt, sondern sogar in Abrede gestellt wurde. Allerdings stand die Angabe, dass neben dem so leicht oxidirbaren Phosphor ein äusserst kräftig oxidirendes Agens auftrete, mit den damaligen Vorstellungen der Chemiker in so üblem Einklange, dass die über das Dasein des Ozons geäusserten Zweifel mir keines

weges unerwartet waren, obwohl man von der Richtigkeit meiner Angaben durch eine genaue Wiederholung der von mir beschriebenen Versuche leicht sich hätte überzeugen können. Ein solches Schicksal haben aber bis jetzt alle neuentdeckten und von der Gewöhnlichkeit stark abweichenden Thatsachen gehabt und es wird diess wohl auch fernerhin der Fall sein schon desshalb, weil in der moralischen Welt das Gesetz der Trägheit eben so gut als in der materiellen seine Geltung hat.

In Betracht der allgemeinen Thatsache, dass der gewöhnliche Sauerstoff für sich allein bei gewöhnlicher Temperatur keine oxidirende Wirksamkeit zeigt und von der Voraussetzung ausgehend, dass wie das Ozon und Antozon zu gewöhnlichem oder neutralem Sauerstoff (0) sich auszugleichen vermögen, so umgekehrt auch der Letztere unter geeigneten Umständen in seine beiden thätigen Modifikationen (und ) auseinander gehen könne, musste ich es für wahrscheinlich halten, dass der langsamen Oxidation so vieler Materien, welche der neutrale Sauerstoff unter der Mitwirkung des Wassers schon bei gewöhnlicher Temperatur als O zu bewerkstelligen scheint, dessen chemische Polarisation (wie ich der Kürze halber diesen Entzweiungsvorgang zu bezeichnen pflege) vorausgehe und das hierbei auftretende Ozon mit der vorhandenen oxidirbaren Materie sich verbinde, während das complementäre Antozon mit dem Wasser zu HO, zusammentrete.

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Die bezeichneten Thatsachen und Vermuthungen waren es, welche mich veranlassten zu untersuchen, ob bei der langsamen Verbrennung des Phosphors, die ich damals schon als das Vorbild aller langsamen unter der Mitwirkung des Wassers in der atmosphärischen Luft stattfindenden Oxidationen betrachtete, nicht ausser dem Ozon auch noch Wasserstoffsuperoxid zum Vorschein komme, dessen Bildung, wie man leicht einsiehet, Platz greifen musste, wenn nach

meiner Vermuthung bei der besagten Verbrennung der neutrale Sauerstoff in seine beiden thätigen Modificationen sich spalten würde. Wie aus meinen frühern Mittheilungen bekannt ist, bilden sich unter den erwähnten Umständen in der That auch merkliche Mengen von HO, und nach Feststellung dieser Thatsache konnte es für mich kaum mehr zweifelhaft sein, dass auch noch in andern Fällen langsamer Oxidation das gleiche Superoxid erzeugt werde. Mit Hülfe der von mir aufgefundenen für HO, eben so empfindlichen als sichern Reagentien wurde es mir leicht darzuthun, dass bei der langsamen Oxidation einer Anzahl von Metallen z. B. des Zinkes, Kadmiums, Bleies u. s. w. Wasserstoffsuperoxid sich bilde und bei derjenigen des letztgenannten Metalles vermochte ich die weitere und in theoretischer Hinsicht nicht unwichtige Thatsache zu ermitteln, dass der bei dieser Oxidation verbrauchte Sauerstoff zur Hälfte an das Blei trete, zur Hälfte zum Wasser gehe, um Wasserstoffsuperoxid zu erzeugen.

Meine spätern Versuche stellten heraus, dass auch bei der langsamen Oxidation einiger organischer Materien z. B. der in Wasser gelösten Gerbsäuren, Gallussäuren, Pyrogallussäuren und des Hämatoxylins HO, gebildet werde und zwar rasch und ziemlish reichlich (namentlich bei derjenigen der Pyrogallussäure) bei Anwesenheit alkalischer Substanzen. Eben so fand ich, dass beim Zusammentreffen gewöhnlichen Sauerstoffes mit dem an Alkalien gebundenen Indigo weiss (der Küppe der Färber) merkliche Mengen von Wasserstoffsuperoxid entstehen, welche Bildungsweise in mehr als einer Hinsicht die merkwürdigste ist.

Wie aus obigen Angaben zu ersehen ist, haben die Ergebnisse meiner neuesten Untersuchungen die Zahl der organischen Materien, bei deren langsamer, durch den atmosphärischen Sauerstoff bewerkstelligte Oxidation HO2 erzeugt wird, noch bedeutend vermehrt, so dass wir heut

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