Imágenes de páginas
PDF
EPUB

fragt sich, woher kommt diese Form? Die Antwort lautet: Vom Willen. (Buch V. §. 18.)

Zur rationellen Einführung dieses Principes in das System hat sich Gabirol den Weg auf verschiedene Weise gebahnt. Er findet z. B., dass alle Bewegung, wodurch ein Ding ein anderes wird, ein Verlangen nach dem Guten sei; das Gute ist die Einheit, die Einheit aber ist die Form der Substanz. (Buch V. §. 47 ff. Munk S. 124 f.)

Wird der Wille mit dem physischen Begriff der Bewegung vermengt, so wird er als ein Attribut der Substanz erscheinen. Ein höchster persönlicher Wille ist so wenig damit gesetzt, wie in der oge§is das Theophrast3). Gabirol verläugnet indess hier den Standpunkt des monotheistischen Denkers nicht. Er setzt den Willen Gottes an die Spitze. Die Annahme einer solchen Potenz veranlasst ihn nicht, in seiner Untersuchung über das Wesen der Dinge stille zu halten. Seiner Speculation bietet gerade die Annahme des göttlichen Willens einen Anlass zu doppelter Thätigkeit; es gilt, diese Annahme selbst zu rechtfertigen und, das Prinzip des göttlichen Willens vorausgesetzt, das Wesen und Ziel der Verbindung von Form und Materie in den Dingen zu erklären.

,,Das Seyn theilt sich in nothwendiges und mögliches; das nothwendige Seyn ist Gott; als solcher ist er schlechthin in sich und unveränderlich. Das mögliche Seyn ist das veränderliche, denn es geht vom Nichtseyn zum Seyn über; als solches ist es leidend. Ist also das nothwendige Seyn die absolute Identität mit sich selbst, so ist das einfache Seyn in sich selbst die Nichtidentität, ist also nicht das Eine, sondern die Zwei. Als nothwendig ist Gott vollkom

8) Vgl. Theophrasts Metaphysik ed. Brandis mit der Metaph. des Aristoteles. Berlin 1823. S. 310, 321 u. s. w.

men und sich selbst genügend, d. h. in ihm ist Wesen und Existenz ein und dasselbe; eben darum muss das Geschaffene unvollkommen sein; darum bedarf die Materie der Form und umgekehrt." Seyerlen XVI. S. 285.

Mit Uebergehung einer Reihe von Reflexionen, die sich hieran schliessen, heben wir einiges Weitere hervor, wodurch die Funktion des Willens im Systeme erklärt werden soll.

Wenn es gilt, das Seyn in der Bewegung als ein Werden zu erklären, muss ein Princip ausser der Intelligenz gesucht werden, denn diese ist nicht so fast das Princip des Werdens, als ein Moment davon. (S. S. 332.)

Das Wesen von Materie und Form bestimmt sich schliesslich durch ihren Ursprung.,,Wären sie ihrem Wesen nach so geworden, wie das Natürliche immer wird, nämlich durch Zeugung, so wären sie aus einem ihnen Aehnlichen geworden und man hätte so den Process in's Unendliche. Sie können also, soll dieser vermieden werden, nur aus ihrem Gegentheil werden. Bilden sie also das Seyn, so können sie nur aus dem Nichtseyn geworden sein." (S. 332. Postquam res non est nisi ex suo opposito, debet ut (sic!) esse sit ex privatione, sc. ex non esse. Ergo materia est ex non materia et forma ex non forma.) Der Uebergang aus dem Nichts in das Daseyn ist für Form und Materie nur durch den Akt eines absoluten Willens denkbar, wie auch die Ausgleichung der Differenz zwischen Form und Materie schliesslich in diesem Willen gesucht werden muss. (Ligans materiam et formam est. . . voluntas, quae est Superior illis, quia unitio formae et materiae non est nisi. ex impressione unitatis in illis. S. XVI. p. 333.)

Wie eine solche Vermittelung zu denken sei, wird zu zeigen versucht. Es erhebt sich das Bedenken, ob denn die Materie ein Wissen habe? Wenn ihr ein Wollen zukomme, in dem sie die Form suche, so scheine auch ein

Wissen der Form in ihr ruhen zu müssen. Diess wird so
erläutert. Die Materie steht der Einheit zunächst; diese
Nähe zur Einheit macht, dass ein Strahl des Lichtes in die
Materie fällt und dieser erste Strahl aus dem Einen erzeugt
in ihr die Sehnsucht nach dem ganzen Licht . . . Diesem
Streben nach Licht, welches im Wesen des Willens liegt,
antwortet dieser dadurch, dass er die Form als seinen
Abglanz in sie fliessen lässt; und wie die Luft des Morgens
nur erst ein wenig Licht hat, dagegen, wenn die Sonne
über den Horizont sich erhebt, mit Glanz und Licht erfüllt
ist, so dass sie von der Sonne nichts mehr zu verlangen
hat, ebenso wird die Sehnsucht der Materie,
wenn der
Wille die allgemeine Form in sie giebt, vollständig ge-
sättigt, sie kann nichts weiter mehr begehren, sie ist voll-
kommen, ist wissend, ist Intelligenz. Dieses Mittheilen
der allgemeinen Form an die Materie ist ganz identisch
mit ihrem Uebergang vom Nichtseyn zum Seyn, und die
erste Verbindung von Materie und Form ist so die In-
telligenz." (S. 334.)

So H. S. nach dem Lateinischen. Nach Palkira's Referat (V. 59 ff.) spricht sich Gabirol so aus: „Der Wille bringt in der Materie der Intelligenz (awn 10) ohne Dazwischenkunft der Zeit das Existiren hervor, was gleichbedeutend ist mit der universellen Form, die alle Formen in sich trägt. Der Akt, durch welchen der All-Wille (55 177, wahrscheinlich arab.

) die uni

verselle Form in der Materie oder dem Grunde der Intelligenz hervorbringt, ist demjenigen ähnlich, wodurch der Einzelwille, was ebensoviel ist wie der Einzelverstand

-die Einzelvorstellung hervor (הרצון הפרטי כלומר השכל הפ')

bringt. (V. §. 59.)

,,Eine genaue Definition (C) vom Willen zu geben, ist unmöglich; doch kann man ihn nach dem bisherigen beschreiben (in) als eine göttliche Kraft, welche Materie

und Form hervorbringt und mit einander verknüpft, welche vom Höchsten bis zum Tiefsten alles durchdringt, wie die Seele den Leib durchdringt und alles bewegt und alles leitet." (V. 60. M. S. 134.)

,,Der aktive Wille kann mit dem Schreiber verglichen werden; die Form, das Ergebniss der Thätigkeit mit der Schrift, die Materie mit der Tafel." (V. 62.)

,,Siehst du nicht, dass Form und Materie das Wesen jeglichen Dinges bilden? Nun besteht Materie und Form einzig durch den Willen . . . (V. 62 S. 137.)

,,Der Wille entfaltet sein Wirken und breitet sich aus im All ohne Bewegung und ohne Zeit vermöge seiner intensiven Stärke und seiner Einheit". (§. 63.)

,,Der Wille als wirkendes Wort ist das Princip der Bewegung; als solches ist er zunächst unterschieden von dem Princip des Seyns. Nachdem er Materie und Form geschaffen hat und nachdem die verschiedenen Sphären der Welt durch ihn geworden sind, hat er sich mit ihnen, wie die Seele mit dem Körper verbunden, hat sich in sie ausgegossen und alles Seyn durchdrungen. Auf dieser wesentlichen unzertrennlichen Verbindung, welche der Wille mit den verschiedenen Stufen des Seyns sich gegeben hat, beruht ihr Leben." (S. S. 345.)

So tritt immer deutlicher die Vorstellung zu Tage, dass ontologisch als oberstes Princip eine differenzlose Substanz anzunehmen ist, wie logisch der höchste Begriff der des Seins ist. Dass an die Stelle jener Substanz der Name Gottes gesetzt wird, ist Folge des von vornherein eingenommenen monotheistischen Standpunktes; der Philosoph Gabirol will nicht nur nicht aufhören, Theist zu sein, er will vielmehr seine Vorstellung von Gott rechtfertigen. In der That ist ihm der Gottesbegriff in einen differenzlosen Urgrund des Seyns versunken, aus welchem es für ihn keinen Verbindungsweg mit dem Glauben giebt, als den Willen.

Soviel mag genügen, um sowohl die Methode als den Gehalt der Speculation Gabirols zu kennzeichnen.

Vielleicht dienen diese Zeilen dazu, eine eingehende und vollständige Darlegung und Beurtheilung des Systems Gabirols anzuregen. Wie immer Wie immer das Urtheil über seine Bedeutung ausfallen mag, ein mächtiges Ringen nach einer befriedigenden Lösung der ontologischen Probleme wird ihm Niemand absprechen. Die Art, wie er das Princip des Willens geltend macht, hat auf die spätere Speculation so bedeutend eingewirkt, dass es der Mühe werth ist, nachzusehen, ob dieses Moment ihm ganz völlig eigenthümlich ist, oder ob es von frühern geborgt sei.

Im Allgemeinen hat bereits H. Munk die Theorie von Gabirol mit älteren Systemen verglichen und das von ihm beigebrachte ist an und für sich höchst werthvoll. Wenn es sich aber um die Frage von wirklicher Abhängigkeit handelt, so genügt es nicht, Aehnlichkeiten, oder auch ein engeres Zusammentreffen nachzuweisen; mit der Uebereinstimmung in den Gedanken muss eine historische Berührung aufgezeigt werden. So erwähnt z. B. Schahrastani am Ende seines Referates über Plato eine Aeusserung von Anaxagoras über den Willen als schöpferische Potenz, welche als Keim der gabirol'schen Lehre könnte betrachtet werden 9). Allein. Schahrastani ist jünger, als Gabirol; er wurde im fernen Chorasan geboren (i. J. 479-1086), als Gabirol in Spanien bereits gestorben war.

Dagegen ist zu beachten, dass Schahrastani im Allgemeinen anführt, die Mutakallimun des Islam vor ihm seien. verschiedener Meinung nicht nur über das Schaffen und das Geschaffene, sondern auch über den Willen gewesen; sie hätten darüber gestritten, ob der Wille als das Schaffende,

9) Ed. Cureton S. 289. Haarbrücker II. S. 126. S. Munk. S. 101.

« AnteriorContinuar »