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Der Kongress des Comité Maritime International

in Hamburg.

Von Dr. jur. Heinrich Finke in Bremen.

Das im Jahre 1897 in Brüssel gegründete Comité Maritime International verfolgt den Zweck der internationalen Einigung des (privaten) Seerechts und damit der Beseitigung der Mifsstände, die sich durch die zum Teil grundsätzliche Verschiedenheit der Seegesetzgebungen für den internationalen Handelsverkehr und den maritimen Kredit ergeben. An das Comité gliedern sich nationale Zweigvereine 1) an, deren jeder zunächst vom Standpunkte seines Landesrechtes die Opportunität der vorgeschlagenen Reformen untersucht; alljährlich stattfindende Konferenzen sämtlicher Einzelgruppen streben sodann eine Einigung der in Rapports" vorher einander mitgeteilten Ansichten an.

An die vier ersten Konferenzen (Brüssel 1897, Antwerpen 1898, London 1899, Paris 1900) reihte sich als fünfte die in Hamburg vom 25. bis 27. September 1902 stattgehabte Konferenz.

Die Beteiligung war eine sehr lebhafte; in dem geräumigen Sitzungssaale der Patriotischen Gesellschaft an der Trostbrücke versammelten sich namhafte Vertreter der interessierten Kreise, Staatsmänner und Kaufleute, Reeder, Assekuradeure, praktische Juristen und Theoretiker.

Nach Eröffnung der Konferenz durch Herrn Le Jeune (Antwerpen) begrüfste Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg die Versammlung im Namen der freien und Hansestadt Hamburg

1) Bisher in England, Frankreich, Deutschland, Vereinigte Staaten, Italien, Belgien, Schwed en-Norwegen, Holland, Dänemark, Japan und Österreich.

mit herzlichen Worten. Als ein glückverheifsendes Omen, so bat er am Schlusse seiner Ansprache, möge es betrachtet werden, dafs bereits einmal in Hamburg, bei Beratung des deutschen Handelsgesetzbuches, eine Einigung auf seerechtlichem - damals allerdings national begrenztem Gebiete erzielt worden sei.

Nachdem der Vorsitzende und die führenden Vertreter der fremden Nationen (Sir Walter Phillimore-London, Mr. de Valroger-Paris, Mr. Wheeler-New-York, Duc de Mirelli-Neapel, Rahusen-Holland, Platou-Skandinavien, Collermann Fest-Ungarn, Cato-Japan) Worte des Dankes ausgesprochen hatten, wurde zur Wahl des Bureaus geschritten und Herr Oberlandesgerichtspräsident Dr. Sieveking zum Präsidenten der Versammlung gewählt.

Sodann gelangte als erster Punkt der Tagesordnung zur Besprechung:

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Entwurf eines Vertrages, betreffend einheitliches Recht über Zusammenstofs von Schiffen und über Hülfeleistung in Seenot." Das Comité Maritime hat gleich bei Beginn seiner Thätigkeit diese Materien (l'abordage et l'assistance") als diejenigen, bei denen sich der Übelstand der Verschiedenheit der Seegesetze in empfindlichster Weise geltend macht, in Angriff genommen und auf der letzten Konferenz, in Paris, eine Sonderkommission (Vorsitzender Lord Chief Justice of England, Lord Alverstone) beauftragt, auf Grund der bisherigen Beschlüsse die als mafsgebend anerkannten Grundsätze in einem avant-projet zu fixieren. Dieser Vertragsentwurf lag nunmehr der Konferenz zur Genehmigung vor.

Er zerfällt in zwei Teile.

Der erste Teil, die Schiffskollisionen betreffend, enthält Bestimmungen über folgende Fragen:

I. Wie sollen Kollisionen rechtlich behandelt werden, die entstanden sind?

1. durch Zufall und höhere Gewalt?

2. auf Grund unbekannt gebliebener Ursachen? 3. durch einseitiges Verschulden eines Schiffes?

4. gemeinsames Verschulden der Beteiligten? 5. durch Verschulden eines Zwangslotsen?

6. durch Verschulden eines Schleppers?

II. Wie hoch soll der zu leistende Schadensersatz sein?

III. Welche Bedeutung soll den bisher als erforderlich beobachteten Förmlichkeiten, Protesten u. s. w. zuerkannt werden? IV. Wann verjähren Ansprüche aus Kollisionen?

V. Soll eine gegenseitige Verpflichtung zur Hülfeleistung bei Kollisionen bestehen?

Der zweite Teil des avant-projet behandelt die Grundsätze, die für alle Nationen gleichmäfsig gelten sollen bei Bergung und Hülfeleistung in Seenot, und regelt die Voraussetzungen von Ersatz- und Lohnansprüchen.

Als erster Redner kritisiert Dr. Gütschow 2), Sekretär der Handelskammer zu Hamburg und des Vereins Hamburger Reeder den Entwurf. Seine Ausführungen richten sich gegen den ersten Teil desselben, über den er bittet, vorläufig noch keinen Beschluss zu fassen. Er empfindet es als einen erheblichen Mangel des Entwurfes, dafs derselbe keine näheren Vorschriften über den Umfang der Haftung des Reeders enthält; ohne Aufnahme einer ganz bestimmt präcisierten Normierung dessen, womit und wieweit der Reeder haften solle, sei die ganze Arbeit ohne praktischen Wert; man solle daher zunächst dieses ins Auge fassen.

Herr Dr. Gütschow führte dann des näheren seine bereits in einer 1902 zu Hamburg erschienenen Broschüre „Die Beseitigung der Haftung des Reeders für Kollisionsschäden" niedergelegte Ansicht aus, eine Beschränkung der Reederhaftung sei unsinnig und antiquiert, sie stehe mit dem modernen Recht nicht im Einklang und lasse sich weder durch juristische noch durch praktische Erwägungen begründen. Der Reeder müsse, genau so wie andere Leute, haften nach dem allgemeinen Princip des § 831 B. G. B.s: wer einen Anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der Andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet" Den Reeder aufserhalb des allgemeinen Rechtes setzen, ihm eine Sonderstellung einräumen, sei garnicht erforderlich, denn einerseits sei heut

"

2) Anmerkung der Redaktion. Vgl. über und gegen die von den Vertretern der Reederei-Interessen gemachten Versuche, das Comité diesen Interessen einseitig dienstbar zu machen, auch: Boyens in der Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, Ergänzungsheft zum 4. Heft 1902.

zutage alles versichert und unter den Assekuradeuren gleiche sich durch Kasko und Kargo-Versicherung die Sache aus, und andererseits treibe Pflichtgefühl, Furcht vor Strafe u. s. w. den Schiffer zur Beobachtung strengster Sorgfalt an. Der praktische Vorteil der Beseitigung der Reederhaftung aber liege in der Beseitigung der Kollisionsprozesse und damit der Verringerung der Kosten für Reeder und Assekuradeure.

Wenngleich die Ausführungen des Herrn Dr. Gütschow nicht recht eigentlich zur „Tagesordnung" gehörten, wurde dennoch beschlossen, in die Debatte darüber einzutreten, da die Existenzberechtigung des avant-projet entfallen müsse, wenn die Ansicht des Vorredners keiner Opposition begegne.

Die Opposition liefs nicht auf sich warten.

Es traten Herrn Dr. Gütschow entgegen die Herren Präsident Dr. Sieveking, Mr. Grey Hill, Sir John Glover, Professor Lyon-Caen, Mr. Augier und Mr. Clunet, aus deren Ausführungen sich die Unvereinbarkeit der Idee Dr. Gütschows mit den Anschauungen sämtlicher in Frage kommenden Nationen ergab. Die vorgebrachten Gegenargumente waren annähernd die gleichen. Es solle, so lauteten sie zusammengefasst, nicht bezweifelt werden, dafs principiell betrachtet, die Haftung des Reeders dem Grundsatz des § 831 B. G. B.s untergeordnet werden könne; allein gewichtige Erwägungen sprächen für den seit Altersher bestehenden Rechtszustand. Das Schiff sei ein "gefährliches Werkzeug", darum sei bei allen Nationen eine Haftung dafür vorhanden. Eine Anwendung des § 831 B. G. B.s auf den Reeder werde was Dr. Gütschow ja auch bezwecke eine Haftung des Reeders illusorisch machen, denn der Umstand allein, einen mit Patent versehenen Schiffer angestellt zu haben, sichere dem Reeder a priori den Beweis, die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl angewandt zu haben. Eine solche Beseitigung der Haftung aber werde bei dem Bestreben unserer Zeit, möglichst rasch zu fahren „neue Records zu erzielen“, einen heillosen Zustand schaffen. Und die dadurch hervorgerufene Gefährdung von Gut und was besonders bemerkenswert seiBlut lasse sich nicht beseitigen durch das Vertrauen auf das Pflichtgefühl des Schiffers. Die Sorgfalt der Navigierung werde zweifellos vermindert, wenn die Haftung des Reeders in Wegfall gerate. Demgegenüber falle der Umstand, dafs eventuell die

Zahl der Prozesse sich vermindern werde, und dafs heutzutage alles versichert sei, sich auch unter den Assekuradeuren - was zu bezweifeln sei die Sache ausgleiche, nicht ins Gewicht.

Der Antrag wurde abgelehnt.

Es wurde darauf mit der eigentlichen Beratung des Vertragsentwurfes begonnen. Da, wie bereits erwähnt, über die Grundsätze desselben schon in den früheren Konferenzen im grofsen und ganzen eine Einigung erzielt war, so handelte es sich bei dieser Beratung mehr um die Besprechung formeller als materieller Einwendungen, gleichsam um eine dritte Lesung gefafster Resolutionen.

Der erste Teil des avant-projet wurde am 26. September 1902 in folgender Fassung genehmigt.

Entwurf eines Vertrages betreffend ein einheitliches Recht über Zusammenstofs von Schiffen.

Art. 1. Die hohen vertragschliefsenden Teile, von dem Wunsche beseelt, die Ausbildung eines einheitlichen Seerechts zu fördern, werden die notwendigen Schritte ergreifen, die in dem nachfolgenden Vertrage niedergelegten Grundsätze, betreffend die Beurteilung aller Rechtstreite, welche mit Bezug auf einen Zusammenstofs zwischen Seeschiffen oder zwischen einem Seeschiffe und einem Binnenschiffe nach dem Zeitpunkt der Auswechslung der Ratifikationen vor ihren betreffenden Behörden und Gerichten werden anhängig gemacht werden, in ihre Gesetzgebungen einzuführen.

Art. 2. Ist der Zusammenstofs durch Zufall oder höhere Gewalt herbeigeführt, so tragen die Beteiligten den von ihnen erlittenen Schaden, ohne dass ihnen wegen desselben ein Ersatzanspruch zusteht.

Dasselbe gilt, wenn die Ursachen des Zusammenstofses zweifelhaft sind. Diese Regeln gelten auch in dem Falle, wenn eines der Schiffe vor Anker lag.

Art. 3. Ist der Zusammenstofs durch einseitiges Verschulden herbeigeführt, so werden alle Schäden von dem Schiffe getragen, auf dessen Seite das Verschulden liegt.

Art. 4. Im Falle gemeinsamen Verschuldens verteilt sich die Verantwortlichkeit jedes Schiffes nach dem Grade seines Verschuldens. Alle Schäden sowohl die, welche den Schiffen, als auch die, welche ihren Ladungen, Schiffsbesatzungen oder Passagieren zugefügt worden sind werden in demselben Verhältnis zwischen den Schiffen verteilt. Eine Solidarhaftung findet nicht statt.

Wird ein Schiff auf Grund des Frachtvertrages in Anspruch genommen, so kann es sich von der nach dem Vertrage ihm obliegenden Verantwortlichkeit insoweit befreien, als es das Verschulden des andern Schiffes und dessen Grad nachweist.

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