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gleich den1) Hals gekost haben. Wie es ihm aber bekommen, das begehr ich nicht zu versuchen. Der Jude schrey überlaute, er soll aufhören zu spielen, er wolle ihm den Beutel, den er am Lande bey seinen Kleidern liegen habe, drein 50[0] Ducaten seyn, allzumal geben. Der Knecht nimmt dieses vor bekant an. Da waren dem Knechte seine drey Heller, die er um GOttes willen gegeben, wohl bezahlt, und hatte er nun die 3 Jahr nicht um 3 Heller, sondern um 500 Ducaten belohnet kriegt. Das war 2) wol besser, als wann er seinen Herrn vorgeschrieben hätte, wie viel er ihm geben solte. Dessen sich die ungehobelten Dienstboten erinnern solten und gedencken, daß GOtt ihnen das geringe, so sie mit Treue verdienen, besser gesegne als ein grosses Lohn, das sie mit Unrecht und Untreu auf ihr Gewissen dahin nehmen. Dessen wol Exempel könte eingeführet werden, wann solches unser Vorhaben wäre.

Wie nun der Jude wieder an das Land geschwommen kam, ist leicht zu gedencken, wie ihm das See-Wasser in die geritzten Wunden wird geschmertzt haben. Ob nun wol der Jude [259] sein Geld gern wieder gehabt hätte, durffte er solches doch nicht fodern in Betrachtung der Fidel und des Bogens, dann er wuste nun ihre Kraft und Wirckung; gieng also zu Hause und war der Bürde des Geldes entladen. Das mag mir Schachern heissen.

Wie nun der Jude heim kam, gedachte er hin und wieder, wie ers doch angreiffen solte, damit er sein Geld wieder bekommen möchte, beschloß demnach bey sich selber, den Knecht mit Recht vorzunehmen. Ließ demnach der Jude den Knecht vors Gericht fodern und klaget denselben folgender gestalt vor der Obrigkeit also an: 'Großgünstige liebe Herren, es ist heute frühe morgens dieser gegenwärtige Knecht Namens Treurecht zu mir in mein Losament gekommen, vorgeben, wie daß sein Herr draussen ungefehr eine halbe Meil weges von der Stadt wäre und daselbsten um einen Meyerhof gehandelt und hätte verheissen, alsofort bey dem Kauffe fünf hundert Ducaten zu erlegen, und weil seinem Herrn eine Wechsel, die er hätte haben sollen, fehl geschlagen, so lässt sein Herr mich dienstfreundlich ersuchen, ich möchte doch zu ihm hinaus kommen und 500 Ducaten zu mir nehmen und mitbringen. So wolt er mir das Gut so lange zu einem ge- [260] wissen Unterpfande verschreiben, bis er mir nur solche Gelder benebenst einem gewissen und guten Recompans wieder erlegt und gut gethan hätte, dergestalt daß ich mit ihme soll contant und zufrieden seyn. Ich armer Tropff gedachte etwas zu gewinnen, nahm 500 Ducaten und steckt sie in einem Beutel und ging mit diesem Knecht an dem Gestrande des Meers hin. Und als wir etwa anderthalb viertel Meilen von der Stadt gekommen waren, da greifft mich dieser Treurecht (solte sagen untreue Knecht) mit Gewalt an und sagte: 'Jude, gib mir dein Geld her, oder ich tödte dich. Ich meynte erst, daß es Schertz war, und lacht dazu; aber ich ward es bald innen, daß es ihm ein rechter Ernst war, wie man wohl an meinem Gesicht abnehmen kan.' 'Ja,' gedachte der Knecht, wenn du den Hindersten zeigen soltest, der würde wol anders aussehen.' Dann da hätte er

1) der. 2) wär,

nur ein Auge1), aber er könte nicht damit sehen; deswegen er denselben nicht so wol als das Gesicht wachten können. Wie nun der Jude mit diesen und andern mehr Worten, die ihm zu seiner Sachen dauchten dienlich zu seyn, seine Sachen geschmückt und vorbracht hatte, sagt er weiter, wofern ihm das Gericht würde behülfflich seyn, daß er sein Geld wieder bekom-[261] men möchte, so wolte er dem Gericht 50 Ducaten verehren; und wann sie den Dieb alsofort wolten hencken lassen, so wolte er ihnen hundert geben. Dann der Jude gedacht damit den Rath zu gewinnen, daß er des Knechts ohnig 2) wurde, so hätte er sich desto weniger vor ihm zu fürchten; denn solte die Sache offenbar werden, wie es eigentlich beschaffen, so möcht er übel anlauffen; drum gedachte er: 'Besser 100 Ducaten als 500 verloren.'

Wie nun der Jude dergestalt seine Klage vorbracht hatte, fragten die Richter den Knecht, was er darzu sagte und warum er solch einen Diebstal begangen hätte; ob er nicht wüste, daß Stehlen und Rauben bey Hencken verboten sey. Der Knecht macht nicht viel Worte, sondern sagte, der Jude löge solches in seinen Hals hinein, dem wäre nicht also.

Der Jude sagt: 'Ist dann nicht der Augenschein unter meinem Gesicht? Siehe, wie du mich zugerichtet hast! Wäre ich dir nicht entlauffen, so hättest du mich mit dem Strick, den du mir zeigtest, erwürget.' 'Daß du unter deinem Gesicht so aussiehest,' sprach der Knecht, 'weissest du selbst am besten, wie du das bekommen hast. Ziehe nur die Hosen ab, da wirst du wol andere Schrammen und Narben haben.' Mit diesem zielte der Knecht [262] auf den Tantz, den der Jude in der Dornhecken gehalten hätte.

Die Herren sagten, die unflätigen Worte dienten nicht zur Sache, er solt nur das Geld wieder hergeben; dann sie gedachten: 'So bekommen wir auch was davon.' 'Hörst du nicht,' sagte der Jude, 'du solt den Beutel mit den 500 Ducaten hergeben!' und lieff damit zu dem Knecht und greifft ihm in den Schiebsack, ziehet damit den Beutel hervor und zeiget ihn den Herren und saget: 'Da ist der Augenschein; lasset den Dieb hencken!'

Die Herren sagten zum Knecht: 'Weil du auf frischer That begriffen, so must du auch frisch hencken; da hilfft nichts davor.' Der Knecht gedachte: 'Dafern mir nur die Hände frey bleiben, so hats keine Noth.' Dann er gedachte an seine Fidel; da sie ihm aber die Hände bunden, gedachte er: 'Diß I will nicht wohl ablauffen.'

Weil man nun geschäftig damit ist und zubereitet, daß man diesen Treurecht (oder treuen Knecht) in Gegenwart der Herren und im Beyseyn des Juden hencken will, und er schon auf der Leiter ist, aber ungern hinan will (wie leicht zu erachten), sagt der Jude zum Hencker, er solte fort machen,

1) In Christoph Blümels Comoedia Der Jude von Venetien (J. Meissner, Die englischen Comödianten zur Zeit Shaksperes in Oesterreich (1884) S. 139; vgl. Jahrb. der Shakspere-Ges. XXII, 189) meldet Pickelhäring den einäugigen Juden: Herr, es ist ein Kerl draussen, der hat so viel Augen in den Kopf, alß Löcher in den Podex. 2) Grimm, DWB VII, 1221 f.

er wolte ihm noch einen Ducaten zu seinem Lohn verehren. Wie nun der Hencker mit den vermeynten Dieb [263] fort machen will, so fänget der Knecht an also zu reden: 'Meine liebe Herren, weil ich doch hencken soll, so will ich mich auch nicht drein zuwider legen. Allein ich habe eine kleine Bitte an euch. Dieselbe ist nicht um Leib und Leben, viel weniger um Silber oder Gold, in Betrachtung mir solches nach meinem Tod nicht nützete, sondern ist nur eine schlechte Bitte, wie ihr dann wohl hören werdet. Drum bitte ich mir die zu gewehren.'

Weil nun die Bitte nicht um sein Leben noch um Silber oder Gold war, konten1) sie es ihm nicht wohl abschlagen. Auch gedachten die Herrn, sie möchten selber gern wissen, was es doch wäre, sagten demnach also zu ihm: 'Weil du nicht um dein Leben bitten wilt, so sage an, was es sey; es soll dir gewehret werden.' 'Wolan,' sagt der Knecht, so bitte ich, ehr dann ich gehencket werde, daß ich noch zuvor eins einmal auf meiner Fidel, die ich bey mir habe, eins aufmachen möge.' Die Herren wurden lachen und sagten zum Hencker, weil sie ihm seiner Bitte gewäret hätten, so solte er den armen Sünder die Hände so lang wieder los machen. Der Hencker muste der Obrigkeit gehorchen und sagt: 'Das wird wol ein recht trauriger Tantz werden.'

Wie nun dem2) Knecht die Hände gelö-[264] set, greifft er unter seinen Rock und ziehet eine kleine Fidel hervor. Wie das der Jude siehet, läufft er in alle Winckel und will mit seinem Beutel voll Geld davon streichen. Weil er aber vor dem Gedränge des Volcks nicht durchkommen kan, ist er gezwungen zu bleiben, rufft und schreyt: 'O bindet mich an, o bindet mich an! Ich tantze mich sonst zu tode.' Dann er wuste die Kraft der Fidel wohl. Die Herrn musten des Juden lachen, vermeynten, er würde unsinnig werden, lassen den Juden an eine alte Kiste, die eben da zur Hand stund, mit starcken Reiffen anbinden, damit er ja nicht los werden möchte.

Da gedachte der Knecht Treurecht: 'Nu wird meine Sache gut werden', fähet damit an und streicht auf seiner Fiedel das beste er immer kan. Da solte man eine Kurtzweil gesehen haben, als einer sein Lebtag wündschen mögen. Dann so bald der Knecht seine Fiedel nur rühret, daß dieselbe ihren Laut von sich gab, siehe, da fähet nicht allein der Jude an zu tantzen, bosondern es sprang der Hencker oben von der Leiter herunter, und fehlet nicht viel, er hätte den Hals zubrochen. Die Herren können sich auch nicht länger enthalten, sondern stehen von ihren Stühlen auf, heben an zu tantzen, daß eine rechte Lust an-[265] zusehen war. Da solte man eine Comoedi gesehen haben voraus mit dem Juden. Derselbe tanzte mit seiner Kisten, daran er gebunden war, weidlich herum, daß es rummelt und pummelt: Rumpump den pump, Rumpump den pump; da hätte sich einer zum Pockel lachen mögen. Der Jude rufft und schreyt: 'Hör auf, halt auf, hör auf, halt auf! Du hast mirs nicht gestolen, ich will dirs wiedergeben; hör nur auf und spiele nicht mehr! Ich muß mich sonst zu Tode tantzen.'

1) könten. 2) der.

76 Johannes Bolte, Das Märchen vom Tanze des Mönches im Dornbusch.

Die Herren winckten dem Knecht mit der Hand, daß er aufhören solte; denn sie hatten sich schier aus dem Odem getantzt, daß sie nicht reden kunten. Wie nun der Knecht aufhöret, will der Jude mit dem Beutel voll Ducaten davon lauffen. In dem fähet der Knecht wieder an zu fideln, da fahen sie allesamt wieder an zu tantzen, noch toller als zuvor.

Da gebieten die Herren dem Knecht einzuhalten und lassen den Juden vor sich bringen und examiniren denselben nach der Schärffe. Als bekant derselbe, daß der Knecht ihm das Geld nicht mit Gewalt genommen hätte, sondern er hätte es ihm selber gutwillig gegeben auff solche Manier, wie vorhin ist gemeldet worden.

Da berathschlagen sich die Herren hierüber folgender gestalt, also daß [266] der Knecht Treurecht 3001) Ducaten behalten soll, und 100 soll zu den Hospitalen und armen Leuten, die übrigen 100 Ducaten sollen dem Gericht heimfallen, und soll der Jude noch über das dem Gericht 100 Ducaten Straff geben, darum daß er demselben fälschlich gelogen und mit Unwahrheit berichtet hat.

So ist es dem Juden mit den Christen ergangen; schad ists, daß nicht allen Juden so gehen soll; was gilts, sie würden sich bedencken und nicht so grosse Lust mit den Christen zu schachern haben. Also hat nun diese sehr lustige, kurtzweilige und fast lächerliche Historie oder vielmehr Comödy ein Ende. Berlin.

Johannes Bolte.

1) 3000,

Ein verschollener Aufsatz A. W. Schlegels über Goethes "Triumph der Empfindsamkeit'.

1. Zu Haywards 'Faust'.

Die folgenden Mitteilungen aus Büchern und Handschriften geben kleine Beiträge zur Geschichte der Weltlitteratur, zur Wanderung Goethischer Dichtwerke auf vielverschlungenen Pfaden des In- und Auslandes, deren Betrachtung uns auch durch Goethes eigene in 'Kunst und Altertum' und sonst reichlich bethätigte Aufmerksamkeit zur Pflicht gemacht ist. Und, wer solche alte Bahnen der Aneignung und Auslegung wieder abschreitet, sicht bald, dass ausser Wertlosem und Vermodertem so manches dahinten geblieben ist, was noch heute anregende Kraft behält oder mit früher Erkenntnis Resultate späterer Forschung vorweggenommen hat. Grossartiger als Carlyle, dessen vom Berge zum Berge schreitende Höhenwanderung uns freilich nicht abhalten soll, Thäler und Hügel sorgsam aufzunehmen, hat kein Engländer unsern Dichter gewürdigt; die Ampère und Stapfer dürfen nicht vergessen werden, wenn wir heute in Frankreich dem deutschen Studium und Unterricht durch Chuquet, Lichtenberger u. a. vortreffliche Ausgaben und Interpretationen zu Grunde gelegt sehen. Aber auch das Unverständnis und das Missverständnis weckt ein historisches und völkerpsychologisches Interesse.

Der Aufnahme Goethischer Jugendwerke in England hat A. Brandl einen lebendigen und belehrenden Aufsatz gewidmet (Goethe-Jahrbuch III, 27); leider ohne Fortgang, und für die Nachgeschichte des Faust in Marlowes Heimat liegen uns mehr bibliographische Listen als darstellende Übersichten vor.

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