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§. 87. Wird nach dem Tode eines Innungsgenossen dessen Gewerbe durch einen Stellvertreter für Rechnung der Wittwe oder minderjährigen Erben fortgesezt 159), so gehen die Befugnisse und Obliegenheiten des Verstorbenen, mit Ausnahme des Stimmrechts in der Innungsversammlung, auf die Wittwe für die Dauer des Wittwenstandes, beziehungsweise auf die minderjährigen Erben für die Dauer der Minderjährigkeit, über.

§. 88. Die Jnnung wird bei gerichtlichen wie bei außergerichtlichen Verhandlungen durch ihren Vorstand vertreten.

Die Legitimation desselben wird durch eine amtliche Bescheinigung der Gemeindebehörde über seine Eigenschaft als solcher geführt.

Die Befugniß zur Vertretung erstreckt sich auch auf diejenigen Geschäfte und Rechtshandlungen, für welche nach den Gesetzen eine Spezialvollmacht erforderlich ist.

Soweit in dem Statut (Jnnungsartikeln, Zunftartikeln) einem Mitgliede oder mehreren Mitgliedern des Vorstandes die Vertretung der Innung nach außen übertragen ist, behält es hierbei sein Bewenden.

§. 89. Verträge der Innung über die Erwerbung, Veräußerung oder Verpfändung unbeweglicher Sachen und über Darlehen, für welche das unbewegliche Vermögen der Junung oder die Nutzungen desselben auf länger als ein Jahr haften sollen, bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Genehmigung der Gemeindebehörde. Dieselbe darf jedoch nicht versagt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die Erfüllung aller bestehenden Verpflichtungen der Innung, sowie der für den Fall der Auflösung durch §. 94 getroffenen Vorschriften gesichert bleibt.

§. 90. Zahlungen aus den Einnahmen oder dem Vermögen der Jnnung an Genossen derselben dürfen nur insoweit geleistet werden, als sie auf ausdrücklichen Vorschriften des Statuts beruhen 160). Für Zehrung dürfen solche Zahlungen niemals geleistet werden.

§. 91. Die exekutivische Beitreibung der Innungsbeiträge und der von Innungsgenossen wegen Verletzung statutarischer Vorschriften verwirkten Geldstrafen im Verwaltungswege findet ferner nicht statt.

§. 92. Abänderungen des Statuts können in einer Versammlung der Innung, zu welcher sämmtliche stimmberechtigte Genossen unter ausdrücklicher Bezeichnung des Gegenstandes der Berathung schriftlich eingeladen sind, durch absolute Mehrheit der Anwesenden beschlossen werden. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, wenn er Zahlungen aus den Einnahmen oder dem Vermögen der Innung an Genossen derselben oder andere Verfügungen über das Innungsvermögen zum Gegenstande hat. Diese Genehmigung darf jedoch nicht versagt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die Erfüllung aller bestehenden Verpflichtungen der Innung, sowie der für den Fall der Auflösung durch §. 94 getroffenen Vorschriften gesichert bleibt.

§. 93. Ihre Auflösung kann die Innung in einer Versammlung, zu welcher sämmtliche stimmberechtigte Genossen unter ausdrücklicher Bezeichnung des Gegenstandes der Berathung schriftlich eingeladen sind, durch absolute Mehrheit der Anwesenden beschließen. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der höheren

159) Vgl. § 46.
160) Vgl. § 92.

Verwaltungsbehörde. Diese Genehmigung wird ertheilt, wenn die Berichtigung der Schulden und die Erfüllung der Vorschriften des §. 94 sichergestellt ist.

§. 94. Löst eine Innung sich auf, so muß ihr Vermögen zuvörderst zur Berichtigung ihrer Schulden und zur Erfüllung ihrer sonstigen Verpflichtungen verwendet werden. War dasselbe bisher ganz oder theilweise zur Fundirung von Unterrichtsanstalten oder zu anderen öffentlichen Zwecken bestimmt, so darf dasselbe dieser Bestimmung nicht entzogen werden. Wird dafür nicht in anderer genügender Weise Sorge getragen, so fällt das betreffende Vermögen der Gemeinde gegen Uebernahme der darauf lastenden Verpflichtungen zu.

Eine Vertheilung des hiernach verbleibenden Reinvermögens unter die zeitigen. Mitglieder kann die Innung bei ihrer Auflösung nur soweit beschließen, als dasselbe aus Beiträgen dieser Mitglieder entstanden ist.

Der Rest des Vermögens wird, sofern in dem Statut oder in den Landesgesetzen nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, der Gemeinde, in welcher die aufgelöste Innung ihren Siz hatte, zur Benutzung für gewerbliche Zwecke überwiesen.

Entstehen aus den vorstehenden Bestimmungen Differenzen zwischen der Ortsgemeinde und der Innung, so steht die Entscheidung darüber der höheren Verwaltungsbehörde zu.

Letterer steht auch die Befugniß zu, den bisher mit der Innung verbunden gewesenen Unterrichtsanstalten, Hülfskaffen oder anderen Instituten zu öffentlichen Zwecken nach der Auflösung der Innung Korporationsrechte zu ertheilen.

Die vorstehenden Vorschriften kommen auch im Falle des Erlöschens einer Innung durch Aussterben ihrer Mitglieder zur Anwendung.

§. 95. Die Gemeindebehörde übt die Aufsicht über die Innungen aus. Sie entscheidet Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung von Genossen, über die Wahl der Vorstände und über die Rechte und Pflichten der letzteren. Gegen ihre Entscheidung steht der Rekurs an die höhere Verwaltungsbehörde offen, welcher binnen einer präklusivischen Frist von vier Wochen bei der Gemeindebehörde anzubringen ist.

Innungsversammlungen, in welchen über Abänderungen des Statuts oder über die Auflösung der Jnnung Beschluß gefaßt werden soll, wohnt die Gemeindebehörde durch eines ihrer Mitglieder oder einen Beauftragten bei. An anderen Berathungen der Innung nimmt sie nicht Theil. Die Bestätigung der Wahl der Vorstände steht ihr fortan nicht zu.

§. 96. Alle Bestimmungen der Gesetze oder der Statuten (Jnnungsartikel, Zunftartikel), durch welche der Gemeindebehörde in Angelegenheiten der Innungen größere Befugnisse beigelegt find, als durch gegenwärtiges Geseß, treten außer Kraft.

II. Neue Innungen.

§. 97.161) Diejenigen, welche ein Gewerbe selbständig betreiben, können zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen zu einer Innung zusammentreten.

161) Die Bestimmungen der §§ 97 bis 100e Abs. 1 Nr. 1, 2 und Abs. 2, §§ 101 bis 104g beruhen auf dem Ges., betr., die Abänderung der Gewerbeordnung, v. 18. Juli 1881 (Nr. 1439); die Nr. 3 im § 100 e ist durch das Gef. v. 8. Dezember 1884 eingeschaltet (vgl. Anm. 175 S. 540). An die Stelle der §§ 97 bis 104 der Gewerbeordnung ursprünglicher Fassung, welche folgenden Wortlaut hatten:

Aufgabe der neuen Innungen ist:

1. die Pflege des Gemeingeistes sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Standesehre unter den Innungsmitgliedern; 2. die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen, sowie die Fürsorge für das Herbergswesen der Gesellen und für die Nachweisung von Gesellenarbeit; 3. die nähere Regelung des Lehrlingswesens und der Fürsorge für die technische, gewerbliche und sittliche Ausbildung der Lehrlinge;

4. Streitigkeiten der im §. 120a bezeichneten Art zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen an Stelle der Gemeindebehörde (Absaß 2 daselbst) zu entscheiden 162).

§. 97a. 161) Die Innungen sind befugt, ihre Wirksamkeit auf andere, den Innungsmitgliedern gemeinsame gewerbliche Interessen als die im §. 97 bezeichneten auszudehnen. Insbesondere steht ihnen zu:

1. Fachschulen für Lehrlinge zu errichten und dieselben zu leiten; 2. zur Förderung der gewerblichen und technischen Ausbildung der Meister und Gesellen geeignete Einrichtungen zu treffen; 3. Gesellen- und Meisterprüfungen zu veranstalten und über die Prüfungen Zeugnisse auszustellen;

4. zur Förderung des Gewerbebetriebes der Innungsmitglieder einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb einzurichten;

§. 97. Diejenigen, welche gleiche oder verwandte Gewerbe selbstständig betreiben, können zu einer Innung zusammentreten.

Neue Innungen erlangen durch die Bestätigung ihrer Statuten die Rechte einer Korporation.

§. 98. Der Zweck der neu zu gründenden Innungen besteht in der Förderung der gemeinsamen ge= werblichen Interessen.

§. 99. Die Genehmigung der Innungsstatuten steht den höheren Verwaltungsbehörden zu.

§. 100. In dem Statute sind die Bedingungen der Aufnahme in die Jnnung, die Rechte und Pflichten der Mitglieder, der Maaßstab, nach welchem laufende Beiträge der Innungsgenossen auszuschreiben sind, und die besonderen Folgen, welche an die unterlassene Zahlung derselben sich knüpfen, die Art der Zusammen. seyung des Vorstandes, imgleichen die Einrichtungen für die Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten festzusehen.

§. 101. Jede Jnnung muß einen Vorstand haben, dessen Mitglieder von den Jnnungsgenossen zu wählen sind.

§. 102. Die Höhe und die Verwendung der Beiträge, sowie die Verwaltung des Etats-, Kaffenund Rechnungswesens, wird durch Beschlüsse der Innung geordnet.

§. 103. Die Bestimmungen in den §§. 82–96. finden auch auf neue Innungen Anwendung.

§. 104. Korporationen von Kaufleuten, welchen ausschließliche Gewerbsbefugnisse nicht zugestanden haben, unterliegen nicht den Vorschriften dieses Titels.

find durch Art. 1 des Ges. v. 18. Juli 1881 die oben als Text abgedruckten §§ 97-104g (mit Ausnahme der Nr. 3 des § 100e Abs. 1) gesezt. Durch Art. 2 dieses Gesezes ist die Nr. 10 des § 148 durch eine andere Bestimmung ersezt und dem § 149 die Nr. 8 und der Abs. 2 hinzugefügt. Der Art. 3 desselben bestimmt:

„Die bei Erlaß dieses Gesezes bestehenden Innungen, welche bis zum Ablauf des Jahres 1885 ihre Verfassung den Bestimmungen des Artikels 1 entsprechend nicht umgestaltet haben, können durch die Zentralvehörde aufgefordert werden, diese Umgestaltung innerhalb bestimmter Frist zu bewirken. Wird der Aufforderung nicht entsprochen, so ist die Zentralbehörde befugt, die Schließung der Innung anzuordnen. Ueber das Vermögen der Innung ist in diesem Falle nach Maßgabe des §. 94 zu verfügen.“

162) Vgl. § 98a Nr. 2e und § 100d der Gewerbeordnung.

5. zur Unterstüßung der Innungsmitglieder, ihrer Angehörigen, ihrer Gesellen und Lehrlinge in Fällen der Krankheit, des Todes, der Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Bedürftigkeit, Kassen einzurichten 163);

6. Schiedsgerichte zu errichten, welche berufen sind, Streitigkeiten der im §. 120a bezeichneten Art zwischen den Innungsmitgliedern und deren Gesellen an Stelle der sonst zuständigen Behörden zu entscheiden 162).

§. 98.161) Der Bezirk, für welchen eine Jnnung errichtet wird, soll in der Regel nicht über den Bezirk der höheren Verwaltungsbehörde, in welchem die Innung ihren Siz nimmt, hinausgehen. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der Zentralbehörde.

Bei der Errichtung ist der Jnnung ein Name zu geben, welcher von dem aller anderen, an demselben Orte oder in derselben Gemeinde befindlichen Innungen verschieden ist.

§. 98a.161) Die Aufgaben der Jnnung, die Einrichtung ihrer Verwaltung und die Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder werden, soweit das Gefeß darüber nicht bestimmt, durch das Innungsstatut geregelt164). Dasselbe muß Bestimmung treffen:

1. über Namen, Siß und Bezirk der Jnnung;

2. über die Aufgaben der Innung, sowie über die dauernden Einrichtungen zur Erfüllung dieser Aufgaben; namentlich sind die nachfolgenden Verhältnisse des Lehrlingswesens zu regeln:

a) die von den Jnnungsmitgliedern bei der Annahme von Lehrlingen zu erfüllenden Vorausseßungen und Formen, sowie die Dauer der Lehrzeit,

b) die Ueberwachung der Beobachtung der in §§. 120, 126, 127 enthaltenen Vorschriften seitens der Innung,

c) die Verpflichtung der Meister, ihre Lehrlinge zum Besuche der Fortbildungsschule oder der Fachschule anzuhalten, d) die Beendigung der Lehrzeit, die Ausschreibung der Lehrlinge vor der Jnnung und die Ertheilung des Lehrbriefes, e) die Bildung der Behörde und das Verfahren zur Entscheidung der im §. 97 unter Nr. 4 bezeichneten Streitigkeiten; 3. über Aufnahme, Austritt und Ausschließung der Mitglieder; 4. über die Rechte und Pflichten der Mitglieder, insbesondere über die Beiträge, welche von denselben zu entrichten sind, und über den Maßstab, nach welchem deren Umlegung erfolgt;

163) Vgl. § 140 der Gewerbeordnung. Auf Krankenkassen, welche auf Grund der Vorschriften des Tit. VI der Gewerbeordnung von Innungen für die Gesellen und Lehrlinge ihrer Mitglieder errichtet werden, finden die Vorschriften der §§ 19 Abs. 4, 20-22, 27-33, 39-42, 51-53, 55-58, 65 Abs. 3 des Ges., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter v. 15. Juni 1883 Anwendung; im übrigen bleiben für diese Kassen die Vorschriften des Tit. VI der Gewerbegrenung in Kraft (§ 73 des Ges. v. 15. Juni 1883 Nr. 1496. Bd 5 S. 453 f.). Ueber die Abänderung der Statuten bestehender Krankenkassen vgl. § 85 des Ges. v. 15. Juni 1883 (S. 457).

164) Um die Ausführung der Bestimmungen des Ges. v. 18. Juli 1881 (vgl. Anm. 161) zu erleichtern, hat der Reichskanzler einen denselben angepaßten Entwurf eines Innungsstatuts nebft Erläuterungen ausarbeiten lassen und unter dem 11. Januar 1882 veröffentlicht (Centralbl. S. 247-267). Derselbe wird hier nicht abgedruckt.

5. über die etwa wegen Verlegung statutarischer Vorschriften gegen die Innungsmitglieder zu verhängenden Ordnungsstrafen; 6. über die Bildung des Vorstandes, über den Umfang seiner Befugnisse und die Formen seiner Geschäftsführung;

7. über die Zusammenseßung und Berufung der Innungsversammlung, über das Stimmrecht in derselben und über die Art der Beschlußfassung;

8. über die Beurkundung der Beschlüsse der Innungsversammlung und des Vorstandes;

9. über die Vorausseßungen und die Form einer Abänderung des Statuts;

10. über die Voraussetzungen und die Form der Auflösung der Jnnung;

11. über die Verwendung des Jnnungsvermögens im Falle der Auflösung oder Schließung der Innung;

12. über die Aufstellung und Prüfung der Jahresrechnung.

Das Statut darf keine Bestimmung enthalten, welche mit den in diesem Gesetze bezeichneten Aufgaben der Innung nicht in Verbindung steht oder geseßlichen Vorschriften zuwiderläuft.

Bestimmungen über Einrichtungen zur Erfüllung der im §. 97a unter Nr. 4, 5, 6 bezeichneten Aufgaben dürfen nicht in das Jnnungsstatut aufgenommen werden.

§. 98 b. 161) Das Jnnungsstatut bedarf der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde desjenigen Bezirks, in welchem die Innung ihren Sit nimmt. Die Einreichung geschieht durch die Aufsichtsbehörde (§. 104).

Die Genehmigung ist zu versagen:

1. wenn das Innungsstatut den geseßlichen Anforderungen nicht entspricht;

2. wenn durch die in dem Innungsstatut vorgesehenen Einrichtungen die Mittel zur Erfüllung der den Innungen nach §. 97 obliegenden Aufgaben nicht sichergestellt erscheinen;

3. wenn die Zentralbehörde der durch das Innungsstatut vorgesehenen Begrenzung des Innungsbezirks die nach §. 98 Absatz 1 erforderliche Zustimmung versagt hat.

Außerdem darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn in dem durch das Innungsstatut vorgesehenen Innungsbezirke für die gleichen Gewerbe eine Innung bereits besteht.

In dem die Genehmigung versagenden Bescheide sind die Gründe anzugeben; gegen denselben findet der Rekurs statt; wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21, soweit nicht landesgefeßlich das Verfahren in streitigen Verwaltungssachen Plaz greift.

Abänderungen des Innungsstatuts unterliegen den gleichen Vor

schriften.

98c. 161) Soll in der Innung eine Einrichtung der im §. 97a unter Nr. 4, 5, 6 vorgesehenen Art getroffen werden, so sind die dafür erforderlichen Bestimmungen in Nebenstatuten zusammenzufassen. Die

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