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Ueber die Ausscheidung der Säuren durch

die Nieren.

Von

Prof. Dr. R. Buchheim,

Die Secretion des Harns wird gewöhnlich als ein Filtrationsprocess bezeichnet. Dieser Ausdruck soll andeuten, dass die Mehrzahl der Stoffe, welche im Harn erscheinen, bereits im Blute vorgebildet enthalten ist und nur durch die Nieren hindurchgeht, im Gegensatz zu den Secreten, deren Bestandtheile erst in den Secretionsorganen gebildet werden. Dadurch ist indess keineswegs ausgeschlossen, dass in den Nieren neben dem Durchgange der im Blute vorgebildeten Stoffe noch andere Vorgänge stattfinden, welche die Eigenschaften und die Zusammensetzung des Harns beeinflussen. Da der Harn ein eigentliches Excret ist, seine Bestandtheile also in einer gewissen Unabhängigkeit von einander bestehen, so werden wir auch nur dann zu einer klaren Vorstellung über die Harnsecretion gelangen, wenn wir versuchen uns, über die Ausscheidung aller einzelnen Harnbestandtheile Rechenschaft zu geben. Dies ist bis jetzt nur in unzureichender Weise geschehen. Die meisten in dieser Richtung hin angestellten Versuche beschränkten sich auf die Ausscheidung des Harnstoffs.

Einer der wichtigsten Unterschiede des Harns von seiner Mutterflüssigkeit, dem Blute, ist die saure Reaction desselben. Der Grund dieser sauren Reaction ist zwar schon vor längerer Zeit durch Liebig aufgeklärt worden, dagegen hat die Frage, wie es möglich ist, dass aus dem alkalischen Blute ein saurer Harn abgeschieden wird, noch keine genügende Beantwortung gefunden.

Lebhafter als unter normalen Verhältnissen drängt sich diese Frage in dem Falle auf, wo überschüssige Säuren dem Blute zugeführt werden. Da dieses auch dann noch seine alkalische Reaction behält, so müssen die zugeführten Säuren in demselben gebunden sein. Würden nun jene Säuren zugleich mit der Basis, an welche sie im Blute gebunden sind, ausgeschieden, so müsste man im Stande sein, dem Körper durch die Zufuhr von Säuren eine beliebige Menge von Basen zu entziehen. Diese Frage kommt vorzugsweise bei der Zufuhr unorganischer Säuren in Betracht, da die meisten organischen Säuren entweder gar nicht oder nur zum geringsten Theile in den Harn übergehen.

Fr. Hofmann 1) hat nach dieser Richtung hin Versuche angestellt. Er fütterte eine Taube mit Eidotter, welches nach seinen Beobachtungen auch in ganz frischem Zustande eine saure Reaction besitzt und bei der Verbrennung eine intensiv saure Asche liefert. Aus der Berechnung der bisherigen Analysen der Dotterasche ergiebt sich, dass dieselbe nicht mehr Basen enthält, als zur Bildung von sauren Salzen erfordert werden.

Während einer 28tägigen Fütterungszeit waren 438,1 Grm. trockenes Eidotter verfüttert und 104,5 Grm. Excremente (Koth und Harn) ausgeschieden worden. Eine Vergleichung der Zusammensetzung der Dotterasche mit der Aschenanalyse der Excremente ergiebt:

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Die Menge der einzelnen Bestandtheile ist in den Excrementen absolut und relativ dieselbe wie in der Nahrung. Die Asche der Excremente reagirte wie die des Dotters intensiv sauer. Die sauren Salze verliessen, wie sie eingetreten waren, den Organismus. Es wurden aber ausserdem während jener 28 Tage in dem Körper der Taube noch 31,3 Grm. Harnsäure gebildet.

Als das Thier am Ende der Fütterungszeit getödtet wurde, reagirte der Mageninhalt wie normal sauer, der Inhalt des 72 Ctm. langen Darmes war in der Ausdehnung der ersten 7 Ctm. sauer, wurde bis 15 Ctm. neutral und blieb dann bis zu der Kloake alkalisch. Der Inhalt der letzteren zeigte wieder eine sehr saure Reaction. Das frisch aus der Retorte genommene Blut so wie das aus demselben abgeschiedene Serum reagirten alkalisch. Ablagerungen von Harnsäure oder deren Salzen liessen sich weder in den Gelenkknorpeln noch sonst wo nachweisen.

Es zeigt somit der Körper die auffallende Eigenschaft, seine Alkalien mit grosser Hartnäckigkeit zurückzubehalten. Die Aschenbestandtheile der Excremente wurden in derselben Menge und Zusammensetzung ausgeschieden, wie sie in der Nahrung enthalten waren und es musste der grösste Theil der Harnsäure als freie Säure den Körper verlassen haben.

H. fragt sich nun, ob die Säuren, wie die Harnsäure und

1) Zeitschrift f. Biologie. Bd. 7 S. 338. 1871.

Phosphorsäure, frei im alkalischen Blute circulirten oder ob sie daselbst an Basen gebunden waren und in der Niere eine Zerlegung der Salze Statt fand, wobei die Alkalien in den Körper zurückkehrten und die Säuren in den Harn übertraten. Letztere Annahme ist ihm unwahrscheinlich., Er sagt: »Man kann nach unseren heutigen Kenntnissen der Niere als Organ gewiss nicht das Vermögen beilegen, dass sie durch Thätigkeit ihrer Zellen Salze in Säuren und Basen spalte. Die Niere oder ihr Epithel müsste in diesem Falle die merkwürdige Fähigkeit haben, für sich die verschiedensten Salze zu zerlegen und alle Basen ins Blut zurückzuführen, was wohl sehr unwahrscheinlich ist. Bei der Diffusion kommt allerdings eine Zerlegung von Salzen vor, sie betrifft aber stets leicht spaltbare Doppelverbindungen und durch Nichts wäre die Annahme gestützt, dass osmotische Vorgänge in der Niere die Trennung in Säuren und Basen herbeiführen könnten."

H. fragt sich nun, wie es möglich sei, dass starke Säuren im alkalischen Blute vorkommen können, ohne sofort Verbindungen mit den Basen einzugehen oder Störungen hervorzurufen? Da von dem Versuchsthiere im Mittel 1,12 Grm. Harnsäure täglich ausgeschieden wurden, also in der Minute nur 0,00077 Grm., so würde die Blutmenge des Thieres mehr als hinreichend sein, um die Harnsäure in freiem Zustande trotz ihrer Schwerlöslichkeit in Lösung zu halten. H. überzeugte sich ferner, dass bei Anwendung sehr verdünnter Lösungen von Säuren und Salzen die eintretenden Zersetzungen nicht immer augenblicklich, sondern erst allmählig erfolgen. Er hält es daher für möglich, dass auch in dem Körper der Taube die aus der Nahrung resorbirte oder aus der Zersetzung hervorgegangene Säure wegen ihrer geringeren Menge nicht sofort Verbindungen mit den alkalisch reagirenden Salzen des Blutes eingeht. Unterdessen gelangt sie in die Niere und wird hier ausgeschieden. Dies geschieht mit jedem in der Zeiteinheit entstandenen Theil Säure und so findet sich schliesslich eine grosse Menge Harnsäure oder Phosphorsäure im Harne, ohne im Blute irgend welche Störungen hervorgerufen zu haben.

Wenn wir nun auch in Bezug auf die Harnsäure der obigen Erklärung beitreten wollten, so würden wir doch bei der aus der Nahrung resorbirten Säure auf grössere Schwierigkeiten stossen. Wir werden doch kaum annehmen können, dass während der 28tägigen Fütterungszeit der Taube der Bestand ihres Körpers an un

organischen Stoffen völlig unverändert geblieben und dass die aus der Nahrung aufgenommenen sauren Salze an ihnen vorübergeflossen seien, ohne sich irgendwie an dem Stoffwechsel zu betheiligen. Würden aber jene sauren Salze mit zur Ernährung des Thieres verwendet worden sein, so würde die Erklärung Hofmann's nicht mehr zutreffen.

Ebenso wenig würde die obige Erklärung für Säurevergiftungen Geltung haben können, bei denen die Säure rasch und in grösserer Menge dem Blute zugeführt wird. Wir finden fast bei allen genauer beobachteten Säurevergiftungen angegeben, dass der Harn sehr sauer war, während das Blut alkalisch reagirte. Gaethgens1) hat eine Reihe von Versuchen angestellt, bei denen er Hunden erhebliche Mengen verdünnter Schwefelsäure in den Magen brachte. Die Untersuchung des Harns ergab, dass die sämmtlichen in demselben enthaltenen Basen nicht ausreichten, um die darin enthaltene Schwefelsäure zu binden, ganz abgesehen von den übrigen im Harn enthaltenen Säuren. Gleiche Resultate ergaben spätere Versuche, welche Gaethgens gemeinschaftlich mit Joh. Kurtz 2) anstellte. Allerdings waren hier auch die Basen des Harns etwas vermehrt, aber keineswegs in dem Maasse, als es nöthig gewesen sein würde, um neutrale Salze zu bilden.

Wir werden wohl kaum irren in der Annahme, dass die Ausscheidung der Säuren in den obigen Versuchen nach denselben Gesetzen erfolgte, wie die Ausscheidung des normalen sauren Harns. In unseren Nahrungsmitteln führen wir dem Organismus bald mehr, bald weniger Säuren oder Basen zu. Dazu kommt, dass sich im Körper fortwährend Säuren bilden. Abgesehen von der Harnsäure werden von einem erwachsenen Menschen bei gemischter Kost täglich etwa 2,0 Grm. Schwefelsäure gebildet. Ebensoviel producirt ein mittelgrosser Hund bei Fleischfütterung. Da nun im Fleische wenig organische Salze enthalten sind, welche im Körper verbrannt werden und deren Basen zur Neutralisation der gebildeten Schwefelsäure dienen könnte, so müsste bei reiner Fleischkost die gleichmässige Zusammensetzung des Blutes sehr bald gestört werden, wenn keine Vorrichtungen beständen, um überschüssige Säuren aus dem Blute auszuscheiden. Die Ausscheidung einer sauren Flüssig1) Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. 1872. No. 53.

2) Ueber Entziehung von Alkalien aus dem Thierkörper. Inaug.-Dissert. Dorpat 1874.

keit aus dem alkalischen Blute ist allerdings eine sehr auffällige Erscheinung. Allein dieselbe ist nicht auffälliger beim Harn, als beim Magensafte. Die frühere Annahme, dass die Salzsäure des Magensaftes erst entstehe in Folge der Einwirkung der durch Gährung gebildeten Milchsäure auf die Chlormetalle des Mageninhalts, hat sich als unhaltbar erwiesen. Wir müssen daher die Salzsäure als ursprünglichen Bestandtheil des Secretes der Labdrüsen ansehen. Dieselben Einrichtungen, welche in den Labdrüsen die Abscheidung einer freien Säure möglich machen, werden dieselbe aber auch in der Niere gestatten. Auch die freie Schwefelsäure im Speichel von Dolium Galea und anderer Gastropoden muss wohl auf ähnliche Weise gebildet werden.

Obgleich nach Durchschneidung des N. splanchnicus Schwankungen in der Acidität des Harns vorkommen 2), können wir doch die Reaktion keines Sekretes durch Nervendurchschneidung in die gegentheilige umwandeln. Es muss daher die verschiedene Reaction der Secrete auf Vorgängen beruhen, welche in keiner directen Abhängigkeit von dem Nervensysteme stehen.

Der Umstand, dass das Blut unter den verschiedensten Verhältnissen einen sehr constanten Gehalt an bestimmten unorganischen Stoffen zeigt, nöthigt uns zu der Annahme, dass diese unorganischen Stoffe in einer gewissen Verbindung mit den eiweissartigen Körpern des Blutes bestehen. Es fragt sich nun, wie wir uns diese Verbindung zu denken haben. Gewöhnlich nimmt man an, dass z. B. das Chlornatrium mit dem Eiweiss eine Art Doppelsalz bilde und dass darin der Grund zu suchen sei, warum dasselbe, sowie andere Salze hartnäckig vom Blute zurückgehalten werden. Allein nach den bisherigen Untersuchungen bestehen Doppelsalze nicht in Lösung d. h. die Lösungen von Doppelsalzen z. B. von Alaun verhalten sich in jeder Hinsicht wie die Lösungen der dieselben constituirenden Salze. Die Annahme, dass die Salze des Blutes mit den eiweissartigen Bestandtheilen desselben eine Art von Doppelsalz bilden, reicht daher zur Erklärung der beobachteten Thatsachen nicht aus.

Wenn wir eine Eiweisslösung mit einer Lösung von schwefelsaurem Kupfer versetzen, so bildet sich einerseits Kupferalbumin,

1) Knoll: Ueber die Beschaffenheit des Harns nach der Splanchnicussection in Eckhard's Beiträgen zur Anatomie und Physiologie. Bd. VI. S. 39. 1870.

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