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Mathematisch-physikalische Classe.

Sitzung vom 4. Juli 1868.

Herr Geheimrath Baron v. Liebig berichtet über eine Abhandlung des auswärtigen Mitgliedes Herrn Strecker: „Ueber das Lecythin".

Das Vorkommen eines phosphorhaltigen Fettes in dem Gehirn ist bekanntlich schon von Vauquelin beobachtet worden und die späteren Versuche von Fremy, Gobley, Valenciennes u. A. haben die grosse Verbreitung desselben im Thierorganismus (Eidotter, Muskelfleisch, Blut u. s. w.) dargethan, sowie seine Eigenschaften genauer kennen gelehrt, namentlich die Spaltbarkeit desselben in fette Säuren, Oelsäure und Glycerinphosphorsäure. Fremy stellte seifenartige Verbindungen dieses Körpers dar und bezeichnete ihn daher als Oleophosphorsäure, während Gobley ihm den Namen Lecithin, richtiger wohl Lecythin gab. Zum Theil damit übereinstimmend ist der von O. Liebreich aus dem Gehirn dargestellte und als Protagon bezeichnete Körper. Liebreich beobachtete aber zuerst das Auftreten einer starken Base bei der Spaltung des Körpers (z. B. mit Barythydrat), der er den Namen Neurin beilegte. Die neuesten Untersuchungen von Diakono w1) haben inzwischen ergeben, dass das Protagon Liebreichs ein Gemenge eines phosphorfreien Körpers (Cerebrin) mit einem phosphorhaltigen Körper ist, für welchen letzteren Diakonow den Namen Lecythin beibehält. Liebreich erhielt bei der Zersetzung des Protagons neben Gly

1) Centralblatt für die medic. Wissenschaft 1868 Nr. 1 und 7.

cerinphosphorsäure, Neurin und fetten Säuren beim Kochen mit Salzsäure eine Zuckerart, wie dieses bei dem Cerebrin, aber nicht bei dem Lecythin der Fall ist. Die Analysen des Protagons von Liebreich, verglichen mit der Zusammensetzung des Cerebrins (nach Müller) und der des Lecythins (nach Diakonow) bestätigen die von Diakonow ausgesprochene Ansicht, dass das Protagon ein Gemenge (oder eine Verbindung?) von Lecythin und Cerebrin ist:

[blocks in formation]

Diakonow leitet aus seinen Analysen für das Lecythin die Formel H, NPO, +aq. ab, und betrachtet es als eine salzartige Verbindung von Neurin (Trimethyloxäthylammonium) mit einer als Distearyl-glyceryl-phosphorsäure bezeichneten Säure, welche letztere durch Barythydrat in stearinsauren Baryt und in glycerinphosphorsauren Baryt zerlegt werde. Die Spaltung erfolgte hiernach nach der Gleichung:

€ H. NPᎾ, + 8H.Ꮎ = €HNO, + 2(€1@H.Ꮎ,) + €3H.PᎾ.

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Leeythin

Neurin

18 36 Stearinsäure Glyc.-Phosph.-Säure.

Wesentlich dieselbe Ansicht von der Natur des Lecythins hatte ich früher ") ausgesprochen, dass es nämlich Glycerinphosphorsäure sei, worin ein Theil des Wasserstoffs durch die Radikale fetter Säuren vertreten sei, auch hatte ich die in der Galle damit verbundene Base (das Cholin)

2) Annal. d. Chem. u. Pharm. CXXIII. S. 360.

zuerst isolirt und ihre Formel festgestellt, ohne jedoch anzunehmen, dass das Cholin mit dem Lecythin zu einem Salz verbunden sei.

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Dass das Cholin mit der von Liebreich später als Neurin bezeichneten (übrigens für sauerstofffrei gehaltenen) Base nahe übereinstimmt, hatte ich sogleich bemerkt und Herrn Dr. Liebreich auch selbst mitgetheilt. Nach den ausführlicheren Untersuchungen von Baeyer) unterliegt es jedoch keinem Zweifel, dass die als Neurin bezeichnete Base ein Gemenge von wenigstens zwei Basen ist (der Platingehalt der Platindoppelsalze wechselt zwischen 33,9 und 30,9 pC., ebenso der Kohlenstoffgehalt); das Platindoppelsalz der einen hat die Formel Є, H2, NOCI . PtCl2, das der anderen wahrscheinlich H1NC1. PtCl. Dass ersterer Gemengtheil des Neurins mit dem Cholin in der Zusammensetzung und auch in der Krystallform des Platindoppelsalzes übereinstimme, hat hat später Dybkowsky) gezeigt, und es erscheint daher am geeignetsten der zweiten (sauerstofffreien) Base des Gemenges den Namen Neurin vorzubehalten. Für das Cholin hatte ich unter anderem die Vermuthung ausgesprochen, dass es, wenn man es als Ammoniakbase betrachtet, dreifach methylirtes Aethylenoxydammoniak sei, mithin zur Gruppe der von Wurtz entdeckten Aethylenoxydammoniakverbindungen gehöre. Diese Ansicht wurde durch Wurtz's Synthese der Base, durch Erwärmen von Aethylenoxyd mit salzsaurem Trimethylamin, neuerdings bestimmt erwiesen.

In der Absicht, diese Base, deren grosse Verbreitung im Thierkörper sie besonders wichtig erscheinen lässt, in grösserer Menge darzustellen, wählte ich das Eigelb, als das

3) Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. CXL. S. 308.

4) Journal f. prakt. Chem. Bd. C. S. 191.

am leichtesten zugängliche Material. Ist in der That das Lecythin ein Salz dieser Base, so musste die alkoholische ätherische Lösung desselben, mit einer Lösung von Platinchlorid versetzt, das in Alkohol und in Aether unlösliche Platindoppelsalz der Base geben. Ich behandelte daher Eidotter mit einer Mischung von Aether und Weingeist, bis alles Lecythin entzogen war, destillirte einen Theil des Aethers ab, setzte Weingeist zu, solange noch eine Trübung durch Abscheidung von fettem Oel erfolgte und fügte der klaren gelblichen Lösung eine weingeistige, mit Salzsäure angesäurete Platinchloridlösung zu. Es entstand sogleich ein reichlicher, gelber, flockiger Niederschlag, der beim Schütteln zusammenklebte. Es ist ein Platindoppelsalz, aber von dem Cholinplatinchlorid wesentlich verschieden. Es ist unlöslich in Wasser, löst sich aber leicht und sehr reichlich in Aether, Schwefelkohlenstoff, Chloroform und Benzol. Aus diesen Lösungen wird es durch Weingeist in gelben Flocken gefällt, die beim Schütteln leicht zusammenbacken. Um es von etwa noch anhängenden Spuren von Fett zu befreien, löste ich es 5-6 mal in Aether, indem ich es jedesmal mit Alkohol wieder niederschlug. Im Vacuum über Schwefelsäure lässt es sich, ohne seine Löslichkeit in Aether einzubüssen, trocknen, bei 100" schwärzt es sich, indem es schmilzt und erleidet dabei einen Gewichtsverlust (ich fand nach ein paar Stunden eine Gewichtsabnahme von 5,1 pC.).

Auch mit Cadmiumchlorid lässt sich das Lecythin aus seiner äther weingeistigen Lösung ausfällen; versetzt man den äther-weingeistigen Auszug des Eigelbs mit einer weingeistigen Lösung von Cadmium chlorid, so entsteht ein weisser flockiger Niederschlag, der sich mit Weingeist, Aether oder einer Mischung beider Flüssigkeiten leicht auswaschen lässt, da er darin nur wenig löslich ist. In dieser Beziehung ist er dem mit Platinchlorid entstehenden Niederschlag vorzu

ziehen, da er sich leichter von Fetten befreien lässt. In salzsäurehaltigem Weingeist ist er löslich.

Man kann das Lecythin von den Metallen durch Behandlung mit Schwefelwasserstoff trennen. Leitet man einen Strom von Schwefelwasserstoffgas in die ätherische Lösung des Platindoppelsalzes, so fällt sämmtliches Platin aus, und die durch Erwärmen und einen Strom von Kohlensäuregas von Schwefelwasserstoff befreite Lösung hinterlässt beim Verdunsten salzsaures Lecythin, als wachsartige Masse. Man kann die Salzsäure durch Schütteln der ätherweingeistigen Lösung mit Silberoxyd wegnehmen, es löst sich aber hierbei Silberoxyd auf, welches wieder durch Schwefelwasserstoff entfernt werden muss, worauf beim Verdunsten das Lecythin als homogene durchscheinende Masse hinterbleibt. Das Lecythin sowohl, als alle Verbindungen desselben sind äusserst leicht zersetzbar. Lässt man die ätherische Lösung des Platindoppelsalzes stehen, so scheidet sich allmälig ein hellgelbes Pulver ab, das bei der Untersuchung sich als Cholinplatinchlorid erwies. Die weingeistige Lösung des salzsauren Lecythins scheidet bei langem Stehen ölartige Tropfen ab, welche frei von Stickstoff und Phosphor sind und mit Alkalien sich verseifen. Auch das freie Lecythin wird schon in der Kälte langsam, rasch beim Erwärmen zersetzt. Am schnellsten erfolgt die Zersetzung beim Kochen mit Basen z. B. mit Barythydrat.

Giesst man eine weingeistige Lösung von salzsaurem Lecythin in kochendes Barytwasser, so scheidet sich sogleich ein schmieriges Barytsalz aus; die davon abfiltrirte Lösung enthält einen Theil des entstandenen glycerinphosphorsauren Baryts (ein anderer Theil ist in dem Niederschlag enthalten) und Cholin. Entfernt man den freien Baryt durch Kohlensäure, dampft hierauf ein und zieht den Rückstand mit Weingeist aus, so löst das salzsaure Cholin sich auf und wird durch Platinchlorid aus der Lösung in gelben Flocken

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