Imágenes de páginas
PDF
EPUB

ten kaum betheiligt ist, Rußland nämlich, jezt zu den größten Mächten Europa's gehört, von welcher keine andere Macht den Blick hinweg wenden darf.

Soll also der heillose Streit zwischen Protestanten und Katholiken, der so hemmend und nachtheilig auf den Geist und die Bildung wirkt, geendigt werden, wie er doch wohl geendigt werden muß, damit das Christenthum in seiner ganzen Wahrheit und Göttlichkeit sich geltend mache, so scheint eine neue allgemeine Reformation eintreten zu müssen. Und die Krisis, die heran nahet, verkündigt dieselbe. Sie wird, wie mir vorkommt; vorbereitet, und von den edelsten und besten Menschen aller Parteien ersehnt. Darum wird sie auch nicht lange ausbleiben. Aber bei den heiligsten Angelegenheiten des Geistes und Herzens, die alle Völker angehen, darf man nicht nach Monaten messen, und nicht nach Jahren. Bei solchen Angelegenheiten ist ein Jahrhundert nicht lang.

[ocr errors]

Eine neue allgemeine Reformation.

[ocr errors]

Wenn der zuleßt ausgesprochene Gedanke, daß fortan ein Religions - Krieg in der christlichen Welt unmöglich, und daß eben deßwegen zur Beendigung des gewaltsamen Zustandes zwischen Protestanten und Katholiken eine neue, allgemeine Reformation erfolgen werde, weil sie nothwendig ist

[ocr errors]
[ocr errors]

wenn dieser Gedanke etwas mehr wäre, als ein schöner Traum; wenn derselbe vielmehr, wie ich, im Glauben an die Menschheit und im Bewußtsein des Geistes, der im Leben der Menschen wirkt und waltet, die feste Überzeugung hege, Wahrheit enthält: so würden wir, die Protestanten, die neue Reformation herbei zu führen haben; denn wir haben mit der alten Reformation die Verpflichtung übernom= men, das Werk fortzusehen und zu vollenden, das von unseren Vätern angefangen worden ist. Von katholischer Seite darf der Anstoß nicht erwartet werden, aber wohl die Ausführung. Der Papst ist zu seinem erhabenen Siße nach den alten Saßungen der römischen Kirche gewählt und auf diese Saßungen verpflich= Er kann weder in der Lehre, noch in der Disciplin Etwas verändern, ohne als Pflichtvergessener, als Abtrünniger zu erscheinen. Er muß die alten Rechte seines Stuhles aufrecht erhal

ten und durch die Disciplin für die Aufrechthaltung des alten Glaubens forgen, so lange es Gläubige, so lange es Menschen giebt, welche das Heil ihrer Seele auf diesen Glauben gebauet ha= ben. Es wäre ebenso unverständig als sündhaft, von einem Papste zu verlangen, daß er eine Reformation vornehmen solle; er würde es nicht thun, nicht thun dürfen, wenn er auch persönlich das Wünschenswerthe einer Reformation fühlte oder einsähe. Von den Anhängern der katholischen Kirche ist auch nicht zu verlangen, daß sie eine Reformation durchsehen sollen. An wen sollte ein folches Verlangen gerichtet werden? An alle Katholiken? Aber wenn alle Katholiken das Bedürfniß einer Reformation fühlten, so wäre dieselbe schon eingetreten, und Niemand würde sie aufzuhalten vermögen. Oder an Einzelne? Was so Viele vergeblich versucht haben, was Luthern gelungen ist, und unter ungeheueren Gefahren und unter sehr begünstigenden Umständen gelungen ist, das ist ein so großes Werk, daß es Niemandem angesonnen werden darf, nicht von Katholiken und noch weniger von Protestanten.

Wenn wir nun aber, die Protestanten, die neue Reformation vorbereiten und fördern wollen, und wenn das nur auf gei= stigem Wege geschehen kann, darf und soll: so ist nothwendig, daß wir eine große überlegenheit behaupten oder gewinnen nicht sowohl in der Erkenntniß irdischer Dinge, obgleich auch Dieses nicht schaden würde, als in der Erkenntniß göttlicher Dinge. Diese überlegenheit kann nur gewonnen werden, muß aber auch gewonnen werden, wenn der Geist sich auf jegliche Weise frei entwickeln und frei offenbaren darf in Wort und Schrift. Die katholische

Kirche kann die Freiheit des Geistes nimmer zugestehen, weil sie auf unveränderlichen Saßungen steht, die weder angegriffen noch untergraben, ja nicht ein Mal mit Gründen des Geistes, der Ver= nunft und der Wissenschaft, vertheidigt werden dürfen, die viel= mehr nur geglaubt werden müssen, weil sie von ihr selbst gelehrt werden. Der Protestantismus aber ist der Freiheit des Geistes nicht entgegen; nein, diese Freiheit ist das eigentliche Wesen des Protestantismus. Vom Anfang an haben die Anhänger der Reformation Freiheit des Glaubens und des Denkens gefordert. In diesen Worten liegt mehr, als nach dem Laut in ihnen zu liegen scheint. Denn diese Freiheit hat auch der Katholik und hat sie immer gehabt. Wer kann ihn abhalten, seinen eigenen Glauben zu haben? Wer vermag den Flug seiner Gedanken aufzuhalten? Aber seine Freiheit ist nur eine innere Freiheit; sein Glaube, wiefern er von der Lehre der Kirche abweicht, sein Gedanke, wiefern er sich an den Sahungen der Kirche versucht, muß in ihm verschlossen bleiben. In seinem Bekenntnisse, in seinem Cultus, in seinem Wort und seiner Schrift ist der Katholik unfrei; und von dieser Unfreiheit erlöst zu werden, Das war es, was die Protestanten ersehnten, als sie die Forderung der Freiheit des Glaubens und des Denkens in Anspruch nahmen. Aber die Protestanten haben sich einem fremden Einfluß hingegeben, den der Protestan= tismus verwirft, der mit dem Grundsaße desselben in schneidendem Widerspruche steht. Sie haben es gethan in Angst und Noth; die Gewohnheit jedoch und die Schwachheit einzelner Theologen haben das Werk der Angst und Noth im Fortgange der Zeit gleichsam zu einem eigenthümlichen Elemente des Protestantismus

gemacht. Ich spreche von der Unterordnung des protestantischen Kirchen-Wesens unter die weltliche Gewalt. Ich will an den alten fauberen Saß: cujus regio, ejus religio, nicht erinnern; aber die jura des summus Episcopus sind schwer abzumarken, und die Unterscheidung, die man zwischen jura circa sacra und in sacra gemacht hat, ist ein schwacher Damm, der nur theoretisch besteht und im wirklichen Leben keinen Halt hat. Und von dieser Seite sind der freien Entwickelung des Geistes oftmals schwerè, unüberwindliche Hindernisse entgegengeworfen. Heinrich VIII. hätte als warnendes Beispiel dienen können, wenn man geneigt wäre, aus der Geschichte zu lernen.

Müßte man den Gedanken fassen, daß dieses Einmischen der weltlichen Gewalt in die kirchlichen und religiösen Angelegenheiten der Protestanten, sei es in die Forschung oder in die Darstellung, sei es in die Lehre oder in den Cultus, auch fortan nicht aufhören werde: so wäre dieses ein unglückseliger Gedanke; und wäre er wahr, dieser Gedanke, so würde aller Vortheil, den wir über die Katholiken gewonnen haben, oder gewinnen könnten, verloren gehen, und die Katholiken hätten über uns ein Übergewicht, das nicht zu berechnen ist. Sie sind eine einige ungeheuere - Masse, die weithin die Länder der Erde bedeckt, wir sind auch, wenn man die Köpfe zählt, in großer Menge vorhanden und über große Länder der Erde verbreitet: wir entbehren aber der Einheit, wir find durch Bekenntnisse getrennt, durch Secten zerrissen, durch Meinungen getheilt, und fast könnte man sagen, Keiner hat Ge= meinschaft mit dem Andern. Bei ihnen wohnt die höchste kirchliche Gewalt auf eine geheimnißvolle Weise in einem Stuhl, auf wel

« AnteriorContinuar »