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mich jeßt, da ich Ew. Excellenz verlassen soll, etwas stark zu in

commodiren anfängt.

,,Wie so, Lieber? Was ist denn Das?”

Seit ich die Vocation nach Jena angenommen hatte, hat mich der Gedanke begleitet, daß mir nun auch das Glück beschieden sein möchte, nach welchem ich mich schon lange gesehnt hatte, das Glück, in die Nähe Ew. Excellenz zu kommen, Sie zu sehen, Sie zu sprechen. Und doch vermochte ich die Erfüllung dieses Wunsches nicht ohne große Ängstlichkeit zu denken. Zu meiner Sehnsucht mischte sich, bei meiner Verehrung und Bewunderung des Fürsten der Dichter, ich möchte sagen, eine heilige Scheu. Ich fürchtete, daß ich, wenn mir ein Mal die Ehre zu Theil werden möchte, Ew. Excellenz vorgestellt zu werden, wie ein Berauschter vor Ihnen erscheinen möchte, unbehülflich, hölzern, verwirrt, tölpelhaft. Der gestrige Abend hat mich nun über alle Verlegenheit rasch und glücklich hinweg gerissen; aber ich fürchte, er hat mich zuweit hinweg gerissen; ich fürchte, daß ich heute gesprochen habe, wie ich nicht hätte sprechen sollen. Ich bin aber in die Rednerei hinein gekommen, ich weiß selbst nicht wie. Ich habe wohl gefühlt, daß

da ich aber ein Mal hinein

ich nicht hätte hinein kommen sollen; gekommen war, so vermochte ich mich nicht wieder hinaus zu finden. Was ich Irriges gesagt haben mag, das werden Ew. Excellenz gewiß nicht beachtet haben; aber ich bitte so unterthänig als herzlich, mir auch zu Gnaden zu halten, was etwa Ungebührliches und Ungehöriges vorgekommen ist.

„Ei, lieber Herr Professor, seien Sie darüber ganz ruhig. Wir haben unter vier Augen gesprochen, im Ernst und im Scherz,

und ich wüßte nicht, was wir, Einer dem Anderen, vorzuwerfen oder übel zu nehmen hätten. Unser Gespräch hat mich interessirt und unterhalten, sonst würde es wohl auch nicht so lange gedauert haben. Ich habe in Ihnen einen jungen Mann kennen gelernt, der klar sehen will, der sich nicht durch hohle Worte verwirren und nicht durch Blendwerke irre führen läßt. Sie streben eifrig nach Wahrheit, ohne der Poesie entfremdet zu sein; selbst ihre täuschenden Gebilde mögen Sie wohl leiden. Das ist löblich und gut. In Ihrem wissenschaftlichen Treiben sind Sie auch auf gu= tem, auf dem rechten Wege. Fahren Sie fort, in der Geschichte zu leben und kühn in die vergangenen Zeiten zu schauen, ungeslört von den Wirrungen der Gegenwart. Forschen Sie mit Anstrengung aller Kräfte in den Jahrbüchern der Völker; theilen Sie ehrlich und redlich mit, ohne alle Nebenabsicht, was Sie durch Ihre Forschung als wahr erkannt zu haben glauben, in Wort und Schrift; in Ihrer Darstellung aber machen Sie sich frei von jedem Vorbilde, und geben Sie namentlich jede Hämmerung und Verrenkung auf, die an Johannes Müller, der selbst nur ein Nachahmer von Tacitus ist, erinnern könnte; überhaupt fröhnen Sie nicht der Geschmacklosigkeit der Zeit und verachten Sie die Weisheit, die in den s. g. literärischen Blättern altklug verkündigt zu werden pflegt. Schreiben Sie vielmehr klar und einfach, ohne Scheu vor einem poetischen Anflug, und ziehen Sie eine bequeme Entwickelung der geschraubten Kürze vor, die man schlagend zu nennen und hoch zu bewundern pflegt. Sie werden späteren Geschlechtern gefallen, wenn Sie auch den Tadel Ihrer Zeitgenossen zu erdulden haben sollten. Jedes Falles hoffe ich von Ihrer An

stellung in Jena Gutes für Sie selbst und für die Universität. Und nun (mir die Hand reichend) leben Sie recht wohl. Auf baldiges Wiedersehen.“

Ich mochte mich 12 bis 16 Schritte entfernt haben, als Goethe mir nachrief:,,Herr Professor Luden." Rasch kehrte ich um, und fragte nach seinen Befehlen. Ich habe Sie," sagte er, ,,gebeten, mich in Weimar zu besuchen; habe aber vergessen hinzuzuseßen: kehren Sie ja nicht in einem Wirthshause ein, sondern fahren Sie bei mir vor. Es soll immer ein Couvert für Sie bereit gehalten werden, und so oft Sie über Nacht in Weimar bleiben können und wollen, sollen Sie auch ein Bette finden. Und so noch ein Mal: leben Sie recht wohl."

Hufeland, Knebel und Griesbach über meine

Gespräche mit Goethe.

Als ich Goethe verlassen hatte, blieb ich den ganzen Tag hindurch in einer wunderlichen Stimmung. Es war etwas Unheimliches und Unruhiges in mir, und ich sah nicht mit Heiterkeit, nicht mit Zufriedenheit auf den Morgen zurück. Ich ärgerte mich über mich selbst, daß ich mir erlaubt hatte, vor einem solchen Mann über sein eigenes Werk so offen und freimüthig zu sprechen, und zwar über ein Werk, das in der Welt als das Tiefsinnigste, das jemals geschrieben worden, anerkannt zu werden schien. Wie er selbst über das Werk denken oder vielmehr ursprünglich gedacht haben, was er bei der Abfassung beabsichtigt, was er nach und nach hinein gelegt haben mochte, war freilich ungewiß, und vielleicht wußte er es selbst nicht mehr: jedes Falles wurde der Faust in der Welt mit der höchsten Bewunderung angestaunt und des Lobpreisens war kein Ende. Diese Feier konnte nicht ohne Wirkung auf Goethe geblieben sein. Er hätte sich, meinte ich, zuverlässig_da= durch selbst überzeugt, daß er, wie er sich selbst ausdrückte, im Faust nicht eine wunderliche, sondern eine wunderbare Dichtung

geliefert habe, und daß in dieser Dichtung wirklich ein tieferer Sinn liege, als er selbst hinein zu legen beabsichtigt hatte. Nothwendig müßte es ihm angenehm sein, daß sich so viele, und auch gelehrte und geistreiche Männer mit dem Faust beschäftigten und fich jegliche Mühe gaben, das Gedicht nicht nur im Ganzen dem Erhabensten gleich zu deuten, das je der menschliche Geist gedichtet und gedacht hat, sondern auch an jedem Reim so lange herum zu klauben, bis er ihnen als eine hohe Offenbarung erscheint. Und deßwegen könnte es, wie mir schien, nicht anders sein: was ich gesagt hatte, müßte ihm wie ein greller Mißton in die Ohren geklungen und ihn gestört haben in der seligen Behaglichkeit, in welche er durch den Zauber überschwenglicher Schmeichelei hinein gerathen sei. Deßwegen war ich ärgerlich über mich selbst, sehr ärgerlich, weil ich solche verlegende Worte gegen einen Mann ausgesprochen hatte, für welchen meine Brust voll war von Ver= ehrung und Bewunderung. Aber ich war auch ärgerlich über Goethe. Wenn ich den ganzen Gang des Gespräches überdachte, so konnte ich nicht umhin, auf Goethe den größten Theil der Schuld zu werfen, daß dasselbe eine solche Wendung genommen hatte. Er hatte mich ja zu meinen Äußerungen verlockt, ja fast gezwungen. Ohne sein Drängen würde ich mich nimmer so weit eingelassen haben. Und in dem zweiten Theile des Gespräches, über die Geschichte, hatte er es, wie mir in meinem Unmuthe vorkam, darauf angelegt, seinen Unmuth an mir auszulassen, mich zu verwirren, mir wehe zu thun.

Nun mußte ich mir` allerdings selbst gestehen: Goethe's Benehmen gegen mich sei durchaus edel, fein und zart gewesen;

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